Ab welchem Einkommen Bezug zur Realität verlieren?

vom 03.09.2023, 07:05 Uhr

Viele Prominente und auch Politiker scheinen komplett den Bezug zur Realität verloren zu haben, wenn es um Gehalt und Ausgaben geht. Sie kennen die Probleme und Sorgen der normalen Bürger nicht, sobald sich über Inflation und monatliche Kosten sprechen. Oft können sie nicht mal genau sagen, wie teuer Produkte im Supermarkt sind.

Was glaubt ihr, ab welchem Einkommen dieser Bezug zur Realität verloren geht? Wie viel müsste man also monatlich verdienen, um genauso zu werden, wie diese Menschen?

» GoroVI » Beiträge: 3187 » Talkpoints: 2,66 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Warum gehst du denn davon aus, dass Menschen zwangsläufig den Bezug zur Realität verlieren, wenn sie viel Geld verdienen oder besitzen? Das ist doch kein Naturgesetz! Ich kenne genügend Menschen, die sind weder so reich, noch geizig wie die legendären Albrecht-Brüder, und ob die wissen, was ein Liter Milch kostet, hängt nicht von der Steuererklärung, sondern vom Lebensstil ab.

Nur weil man ein Flugzeug besitzt, eine Haushälterin beschäftigt, Mitglied in unzähligen Golfklubs ist und die Kinder in Salem irgendwie einen Schulabschluss bauen sollen, verliert man nicht automatisch den Bezug zur Realität. Da kenne ich genug Leute, die immer noch alltägliche Dinge erledigen und so wissen, was die täglichen Kleinigkeiten kosten. Wenn man dagegen so etwas nicht mehr selbst macht, weil die Zeit nicht reicht, dann passiert das schnell. Und da reicht es dann solide Mittelschicht mit Reiheneckhaus, SUV, Kombi und zwei Kindern zu sein.

Denn die eigene Lebensrealität ist doch viel wichtiger als das Einkommen. Wer ewig von Sozialleistungen lebt, hat naturgemäß auch wenig Bezug dazu, wie hoch die Abgaben auf ein mittleres oder hohes Einkommen ausfallen, was ein Urlaub in den USA kostet oder wie teuer eine Immobilienfinanzierung ist. Ebenso spüren sie schnell nicht mehr, welche zusätzlichen Belastungen ohne Unterstützung anfallen. Das ist ja erheblich mehr als nur der Wegfall des Sozialtickets und der Befreiung von den Rundfunkgebühren. Haben diese Menschen dann auch den Bezug zur Realität verloren? Oder sieht die Lebensrealität verschiedener Menschen naturgemäß auch verschieden aus?

» cooper75 » Beiträge: 13331 » Talkpoints: 498,86 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Welche Realität denn? Die einer alleinerziehenden Mutter von Dreien sieht anders aus als die eines soloselbstständigen Singles mit 60-Stunden-Woche oder zweier Durchschnittsverdiener ohne Haus, Kombi, Schäferhund und Skiurlaub. Oder irgendeiner anderen der x möglichen Lebensentwürfe, die man in einem halbwegs freien Land glücklicherweise halbwegs frei wählen kann.

Ich weiß auch nicht auswendig, wie viel ein Liter Milch im Supermarkt kostet, aber ich brauche darauf auch nicht zu schauen, weil ich durch eine Mischung aus Glück und nicht völlig falschen Entscheidungen (wie die meisten anderen Leute eben auch) genug Einkommen habe, um mir die Grundlagen des täglichen Lebens problemlos leisten zu können. Bin ich jetzt abgehoben, weil sich andere Leute gar keine Milch leisten können? Und sind meine "Probleme und Sorgen" deswegen irrelevant, weil ich mehr als den Bürgergeldsatz von knapp 45 Euro wöchentlich für Lebensmittel ausgeben kann?

» Gerbera » Beiträge: 11292 » Talkpoints: 42,29 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Gerbera hat geschrieben:Ich weiß auch nicht auswendig, wie viel ein Liter Milch im Supermarkt kostet.

Na, das fällt einem doch nicht schwer bei der Flut von Werbeprospekten, die einem Woche für Woche ins Haus flattern. Deswegen finde ich die gedruckte Werbung auch so toll. Man kann sich den Lebensmittelhändler aussuchen, der das günstigste Angebot macht. Würde die gedruckte Werbung jetzt auch noch wegfallen und durch digitalisierte ersetzt, dann könnte ich mir echt vorstellen, dass Leute, die kein Internet nutzen, völlig außen vor bleiben und, wenn man es so will, den Blick für die Realität verlieren.

Aber das ist wieder so ein Thema hier, das Clickbaiting suggeriert. Früher gab es einmal einen Ausdruck für Leute, die etwas abgehoben waren: "Eingebildet". Und ja, ich kenn noch den "Adel". Tatsächlich Leute, die sogar das Recht für sich in Anspruch nahmen, ihre Angestellten verprügeln oder ohrfeigen zu dürfen.

Da gab es früher sogar diesbezügliche Gerichtsurteile, bei denen klar wurde, dass das Grundgesetz noch keineswegs in allen Köpfen angekommen war, und die "Adligen" erst per Prozess und Gerichtstätigkeit auf den Boden der bundesrepublikanischen Realität geholt werden mussten.

Bei denen würde ich tatsächlich davon ausgehen, dass ein gewisser Realitätsverlust eingetreten sein dürfte. Nun eine scharfe Grenze zu ziehen, ab wann der eintritt, und abhängig zu machen vom zur Verfügung stehenden Einkommen, ist weder falsch noch richtig.

Ich könnte mir aber anhand des späteren Schicksals vieler Lottomillionäre vorstellen, dass ein plötzlicher Geldsegen Einfluss auf die Verhaltensweisen und Einschätzungen ihrer Gesamtsituation hätte. Viele Lottokönige landeten nämlich nicht selten auf der Straße, verarmt und zerlumpt. Woran das wohl gelegen haben mag? Am falschen Vermögensverwalter, an den betrügerischen Steuerberatern?

» Gorgen_ » Beiträge: 1060 » Talkpoints: 374,40 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Gorgen, warum unterstellst du, dass jedem Werbeprospekte ins Haus flattern und dass diese auch noch gelesen werden? Hier haben bereits viele Händler auf digitale Lösungen umgestellt. Außerdem haben nicht wenige Menschen Aufkleber am Briefkasten, die Werbung verbieten. Und warum sollten sich alle Menschen für den Milchpreis im Supermarkt interessieren? Viele kaufen keine Milch, andere, wie ich, bekommen diese direkt vom Hof geliefert. Die Kosten für die Eigenmarken und Produkte wie Landliebe und Bärenmarke gehen mir am Pöter vorbei.

» cooper75 » Beiträge: 13331 » Talkpoints: 498,86 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Gorgen_ hat geschrieben:Na, das fällt einem doch nicht schwer bei der Flut von Werbeprospekten, die einem Woche für Woche ins Haus flattern.

Also, bei mir flattert gar nichts. Ich glaube, ich habe seit Jahren keine Werbeprospekte mehr erhalten. Entweder, sie werden gar nicht erst verteilt, oder sie landen anscheinend oft nicht in den einzelnen Briefkästen, sondern werden im Stapel im Treppenhaus abgelegt, wo ich sie in der Regel ignoriere.

Ehrlich gesagt könnte ich den Preis für Milch und Butter auch nicht auswendig sagen, da ich diese Produkte relativ selten kaufe, und wenn, dann sind sie meistens Teil eines etwas größeren Einkaufs, wo ich mir die Einzelpreise nicht gezielt merke.

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» lascar » Beiträge: 4414 » Talkpoints: 782,29 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


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