Anwalt unterschlägt Briefe

vom 17.06.2011, 08:18 Uhr

Vor zwei Tagen trafen A und B auf dem Amtsgericht aufeinander. Vor diesem Termin sind natürlich einige Schreiben zwischen den jeweiligen Anwälten und dem Gericht gewechselt worden. Die Anwältin von B gab während der Verhandlung offen zu, das sie ihrem Mandanten einige Schreiben der Gegenseite nicht hat zukommen lassen.

Begründet hatte sie es damit, das dort angeblich Behauptungen enthalten waren, wo sie genau wusste, das ihr Mandant dann wieder regelrecht ausflippen würde. Darf sie ihm diese Schreiben vorenthalten und nur über die Punkte informieren, welche ihrer Meinung nach für den Mandanten wichtig sind? Oder bewegt sie sich mit diesem Verhalten auf sehr dünnem Eis, um es mal vorsichtig auszudrücken? Welche Folgen kann das für sie haben, wenn der Mandant nicht alles in Kopie für seine Unterlagen erhält?

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Ich glaube, dass mit der Beauftragung eines Anwalts dieser die Angelegenheit stellvertretend für den Klienten behandeln kann und daher auch die Entscheidungsfreiheit hat, für den Mandanten wichtiges von unwichtigem zu trennen und eben "gezielt" zu informieren. Wenn hieraus ein Nachteil für den vertretenen Mandanten entsteht, könnte man sich vorstellen, nachträglich gegen den Anwalt gerichtlich vorzugehen. Denke aber, dass das eher nicht von Erfolg gekrönt werden dürfte (außer der Anwalt handelt mutwillig so, dem eigenen Mandanten Schaden zuzufügen).

Wenn so ein Punkt herauskommt und das Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwalt erschüttert wurde, bleibt vermutlich nicht viel übrig, als sich einen neuen Anwalt zu suchen. Auch wenn dann die Kosten natürlich steigen dürften. Oder aber man macht dem Anwalt klar, dass diese Form der Mandatsausübung nicht gewollt wird!

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Ich bin mir ziemlich sicher, dass es zur Sorgfaltspflicht gehört, dem Mandanten sämtliche Korrespondenz des eigenen Bevollmächtigen mit der Gegenseite zu übermitteln, die eine Relevanz in Bezug auf die Sachlage aufweist. Insofern müsste ein jedes Schreiben, dem irgendein Bezug zur Sache zu entnehmen ist, auch an die Mandantschaft weitergeleitet werden und ich glaube kaum, dass die Rechtsanwältin, von der hier die Rede ist, Schreiben erhalten hat, aus denen lediglich Irrelevantes hervorging und die mit Beschimpfungen der Gegenseite versehen waren, die wirklich nicht wichtig im Sinne der eigentlichen Sache waren, sondern nur der psychischen Schwächung der Gegenseite dienen sollten.

Aus unserem Büro kenne ich es so, dass tatsächlich jede schriftliche Korrespondenz weitergeleitet wird, sofern sie von der Gegenseite kommt oder sonst irgendeine Relevanz für die Mandantschaft hat. Eine Ausnahme stellt hier der Schriftverkehr meines Chefs, des Anwalts, mit der Rechtsschutzversicherung des Mandanten dar, aber auch nur dann, wenn diese Korrespondenz den Mandanten wirklich nicht mehr betrifft. Ersucht mein Chef die Rechtsschutzversicherung des Mandanten um eine Deckungszusage, so erhält der Mandant sogar hiervon eine Abschrift übersandt.

Was mich an Deiner Geschichte etwas irritiert, ist die Rechtfertigung der Rechtsanwältin, die hier die Korrespondenz nicht sämtlich weitergeleitet hat. Dass ihre Mandantschaft „regelrecht ausflippen“ würde, kann sie vermutlich nur zum Teil ermessen und ich bin mir auch nicht sicher, ob dieses Risiko nicht grundsätzlich immer dann besteht, wenn es sich um zivilrechtliche Vorgänge handelt, bei denen eben schnell mal die Emotionen hochkochen, wenn sich zwei völlig gegensätzliche Aussagen gegenüberstehen.

Ob ich als Mandant das als Grund für das nicht erfolgte Weiterleiten der Korrespondenz gelten lassen könnte, weiß ich nicht, jedenfalls finde ich das nicht wirklich in Ordnung und würde mich auch irgendwie bevormundet und übergangen fühlen, wäre ich hier der betreffende Mandant, dem nicht sämtlicher Schriftverkehr zuging.

Leider kann ich Dir allerdings nicht sagen, mit welchen Konsequenzen die Rechtsanwältin zu rechnen hat oder haben könnte, weil sie hier die Weiterleitung bestimmter Korrespondenz vorenthalten hat, weil ich keine Grundlage für eine entsprechende Verpflichtung auf Seiten der Rechtsanwältin dafür finden kann, dass sie sämtliche Korrespondenz in Abschrift weiterzuleiten hat. Ich denke, dass Dir diese Frage in einem der einschlägigen Rechts-Foren beantwortet werden könnte.

Benutzeravatar

» moin! » Beiträge: 7218 » Talkpoints: 22,73 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Da es nicht um mich und meinen Anwalt geht, der mir wirklich alles zukommen lässt, kann es mir ja eigentlich egal sein, ob die Gegenseite alles in die Hände bekommt. Allerdings ist durch diese Aussage für mich halt nachvollziehbar geworden, warum auf manche Dinge, welche wir anbrachten, keine Stellungnahme erfolgt ist.

Ob es da nun bei der Gegenseite zu entsprechenden Diskussionen gekommen ist, sofern es der Mandant überhaupt zur Kenntnis genommen hat, das er manches gar nicht erfahren hat, entzieht sich auch meiner Kenntnis.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Ich denke, dass das unterschiedlich ist. Man unterschreibt ja normalerweise einen Vertrag in dem das dann geregelt ist und auch genau aufgeführt ist, welche Freiheiten der Anwalt hat und was er machen darf und was nicht. Das ist sehr wichtig, wie man ja an dem Beispiel hier sieht.

Ich denke, dass der Anwalt von B das machen darf. Schließlich hat B ihm ja normalerweise die Verfügung über die Angelegenheit gegeben und damit darf B so was entscheiden. Schließlich hat der Anwalt von B ja im Sinne von B gearbeitet und wollte ihn schützen.

» Hufeisen » Beiträge: 6056 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


Hufeisen hat geschrieben:Ich denke, dass das unterschiedlich ist. Man unterschreibt ja normalerweise einen Vertrag in dem das dann geregelt ist und auch genau aufgeführt ist, welche Freiheiten der Anwalt hat und was er machen darf und was nicht. Das ist sehr wichtig, wie man ja an dem Beispiel hier sieht.


Das ist soweit nicht ganz korrekt. Es wird kein Vertrag unterschrieben, aus dem hervorgeht, welche Leistungen der Anwalt zu erbringen hat, sondern es gibt eine Vollmacht, die der Mandant dem Anwalt unterschreibt und mit der er das Mandat erteilt. Diese Vollmachten unterscheiden sich auch nicht von Anwalt zu Anwalt insofern als der Rechtsanwalt A hier festlegen kann, dass er Schriftverkehr nur an seinen Mandanten weiterleitet, wenn er der Meinung ist, dass dessen Psyche dies verkraftet und Rechtsanwalt B hingegen in seiner Vollmacht stehen hat, dass er sämtlichen Schriftverkehr weiterleitet. So einen Vertrag wie Du ihn Dir vorstellst, gibt es tatsächlich nicht.

Aus der anwaltlichen Vollmacht, die vom Mandanten unterschrieben wird, geht jeweils klar hervor, welcher Rechtsanwalt den Unterzeichnenden in genau welcher Angelegenheit vertritt und dass der Mandant seinen Bevollmächtigten mit der Vollmacht dazu ermächtigt, ihn gegenüber Dritten zu vertreten. Ganz genau definiert wird hier allerdings nicht, was da alles dazu zählt, denn diese Vollmacht betrifft ja durchaus die komplette Vertretung des Mandanten und beinhaltet insofern auch die Abwicklung sämtlicher Korrespondenz.

Allerdings ist wohl klar, dass der, der vertreten wird, also der Mandant, gern erfahren möchte, was denn nun genau korrespondiert wird, und schon insofern gehe ich davon aus, dass die Weiterleitung der Korrespondenz in Abschrift an den Mandanten Teil der Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts ist.

Benutzeravatar

» moin! » Beiträge: 7218 » Talkpoints: 22,73 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Also wir hatten dieses Thema vorkurzem in einer Rechtvorlesung. Unser Dozent (selber Richter) meinte, dass der Anwalt die komplette Vertretungsmacht besitzt, allerdings seine Mandanten über jeden Schritt informieren müsse. Wenn der Mandant nicht direkt verlangt eine Kopie von allen Unterlagen für sich zu erhalten, muss der Anwalt dies nicht machen. Allerdings muss er seinen Mandanten über alles Informieren. Wenn also diese Unterschlagenen Punkte für das Verfahren wichtigen waren, kann der Anwalt Schwierigkeiten bekommen.

» milli23 » Beiträge: 1214 » Talkpoints: 2,62 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^