Mutter führt Kind vor, weil es Transgender ist

vom 22.12.2010, 15:37 Uhr

microonde hat geschrieben:Außerdem kann ich verstehen, dass die Mutter Zeit braucht, um sich an die neue Situation zu gewöhnen. Schließlich ist ihr Kind als Mädchen bei ihr aufgewachsen, wurde wie ein Mädchen behandelt und merkt jetzt erst, dass er eigentlich männlich ist.


Zwei Jahre, ja sogar noch ein paar Monate mehr, sind keine Ewigkeit, aber doch recht lange, vor allem weil die Mutter täglich mit dem Thema konfrontiert ist. Ich denke ja, dass man sich umgewöhnen kann, wenn man es wirklich will.

Was mich daran aber primär irritiert, ist ein anderer Faktor. Wie erzieht man ein Mädchen, wie einen Jungen? Ich weiß, dass wohl die meisten Eltern der Meinung sind, ein Mädchen anders erziehen zu müssen als einen Jungen. Im Grunde genommen ist das aber doch überflüssig. Letztendlich ist doch nur der Name unterschiedlich. Die Behandlung eines Mädchens sollte sich nicht von der Behandlung eines Jungen unterscheiden. Aber auch das ist vermutlich Idealismus.

microonde hat geschrieben:Ich unterstelle dir jetzt mal, dass du dich als sehr toleranten Menschen ansiehst.


So würde ich mich selbst nicht bezeichnen, weil das vermessen wäre. Ich muss nicht alles tolerieren, auch nicht, wenn ich in diesem Fall für Toleranz plädiere. Eigentlich geht es gar nicht um Toleranz, sondern um eine kleine Feinheit. Die Mutter muss die Entscheidung ihres Kindes weder tolerieren noch akzeptieren. Meinem Freund würde es ja schon reichen, wenn sie den richtigen Namen oder sogar die Unisex-Form verwenden würde. Es würde auch gegen das Offenbarungsverbot verstoßen (ich habe gerade mal nachgeschaut: §5, TSG), wenn die Mutter ihn nach der Namensänderung weiterhin bei anderen Leuten outen würde. Dagegen kann man mit juristischer Hilfe vorgehen.

Ich war bis vor einiger Zeit selbst mit einem Transgender zusammen (früher Frau, seit vielen Jahren Mann). Seine Mutter hat auch nach fast einem Jahrzehnt immer noch den Mädchennamen gesagt. Das war nicht so lustig für ihn.

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» Cologneboy2009 » Beiträge: 14210 » Talkpoints: -1,06 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Cologneboy2009 hat geschrieben:Was mich daran aber primär irritiert, ist ein anderer Faktor. Wie erzieht man ein Mädchen, wie einen Jungen? Ich weiß, dass wohl die meisten Eltern der Meinung sind, ein Mädchen anders erziehen zu müssen als einen Jungen. Im Grunde genommen ist das aber doch überflüssig. Letztendlich ist doch nur der Name unterschiedlich. Die Behandlung eines Mädchens sollte sich nicht von der Behandlung eines Jungen unterscheiden. Aber auch das ist vermutlich Idealismus.


Ich habe auch nicht geschrieben, dass er wie ein Mädchen "erzogen" wurde, sondern dass er wie ein Mädchen behandelt wurde. Das hat nichts damit zu tun, dass Mädchen und Jungs anderes Spielzeug benutzen müssen oder dergleichen. Aber spätestens in der Pubertät treten doch schon Unterschiede auf, die man nicht leugnen kann. Schon alleine dass Mädchen ihre Periode bekommen, bedeutet für die Eltern, dass sie das Geschlecht ihres Kindes nicht unberücksichigt lassen können.

Ich finde, das Geschlecht hat durchaus etwas mit Identität zu tun. Zu fordern, dass ab jetzt gefälligst keiner mehr auf das Geschlecht des Gegenübers achtet, wäre utopisch. Vielleicht ist das manchen Menschen egal, den meisten aber nicht. Denn wenn das Geschlecht so unwichtig wäre, dann hätte dein Freund ja auch problemlos in seinem weiblichen Körper weiterleben können. Irgendwie hat er aber doch gemerkt, dass er nicht in diesen Körper gehört. Und ich bin mir sicher, dass sich das auf seine Identität und nicht nur auf die Sexualität bezieht. Das ist für mich ein eindeutiger Beweis dafür, dass man sich sehr wohl weiblich oder männlich fühlen kann und das dieses Gefühl nicht anerzogen ist.

Deshalb finde ich es nicht verwunderlich, wenn man Menschen je nach Geschlecht (meist unbewusst) auch anders behandelt. Das fällt uns sicher nicht auf, aber es gibt bestimmt Unterschiede, auch wenn man noch so bemüht ist. Das heißt natürlich nicht, dass man Männer und Frauen nicht gleichberechtigt behandeln soll.

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» microonde » Beiträge: 231 » Talkpoints: 0,30 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Ich denke, dass eine solche Situation sehr schwer sein muss für eine Mutter. Wie meine Vorredner auch schon anmerkten, sie hat das Kind geboren, es benannt und groß gezogen und nun hat es plötzlich von einen Tag auf den anderen, ein anderes Geschlecht. Das wirft fast alles um, was die Mutter vorher geleistet hat, sie hat das Kind als Mädchen groß gezogen und nun gibt es dieses Mädchen einfach nicht mehr. Besonders die ältere Generation ist mit solchen Dingen oftmals überfordert und hat es schwer, es zu akzeptieren, damit zu leben und sich nicht dagegen aufzulehnen. Das ist eine riesige Umstellung und ich denke nicht, dass es sich bei der Mutter bloß um Eingewöhnung geht, sie hat schon sehr wohl verstanden, dass ihr Kind die Vergangenheit als Frau hinter sich lassen und nun ein Mann sein möchte, aber sie will es nicht hinnehmen.

Gewöhnen kann man sich an alles und das sie jetzt den ganzen Mädchennamen verwendet, verdeutlicht auch nur noch, dass sie nicht akzeptiert, was ihr Kind möchte. Wenn sie es sich nicht anders überlegt und es doch noch akzeptiert, wird sie wahrscheinlich für immer den Mädchennamen verwenden und sich damit herausreden, dass sie sich nicht daran gewöhnen kann. Wahrscheinlich denkt sie, sie könnte ihn damit provozieren, so dass er es sich letztendlich doch anders überlegt. Indem sie den Mädchennamen vor anderen Bekannten verwendet, verletzt sie ihn natürlich ganz besonders und damit möchte sie wohl wirklich erreichen, dass sie ihr Mädchen wiederbekommt. Aber dies ist nun mal nicht ihre Entscheidung und ich finde, so langsam wird es wirklich Zeit, dass sie versteht und akzeptiert. Wäre ich in einer solchen Situation, würde ich sie ganz konsequent ignorieren, wenn sie mich beim alten Namen ruft, so wird sie wohl oder übel doch noch irgendwann den neuen verwenden.

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



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