Gehören Bahnunfälle mit Personenschaden zum Alltag?

vom 21.11.2010, 00:39 Uhr

Heute Abend war es schon wieder einmal so weit. Ich kam mit meiner Tanzpartnerin aus der Tanzschule und das erste was wir beide sahen, war jede Menge Blaulicht und zwei Straßenbahnen, die mitten auf der Stecke standen. Ich konnte schon ahnen was passiert ist. Beim genauerem Hinblicken sah man zwischen der Kupplung zweier Straßenbahnwaggons den Corpus im Gleisbett, bedeckt mit einer weißen Plane, liegen. Es sah anscheinend so aus, dass diese Person auf offener Strecke die Gleisen überqueren wollte und dabei die Straßenbahn übersah.

Blöd war, dass ich auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen bin und wenn dann die Bahn nicht fahren kann, tja. Glücklicherweise konnte der Vater meiner Tanzpartnerin mich mit dem Auto nach Hause bringen.

Immer wieder hört man in den Medien über solche Vorfälle. Schon vor wenigen Monaten gab es in meiner Stadt einen solch ähnlichen, tödlichen Vorfall.

Was mir aufgefallen ist, dass ich keine Furcht oder ähnliches hatte, den im Gleisbett liegenden Toten zu sehen. Ich habe mich sogar sehr dafür interessiert, als die Polizei die weiße Plane aufdeckte und Photos vom Unfall machte. Ist das überhaupt normal? Wie würdet ihr reagieren wenn ihr einen Leichnam sehen würdet? Würdet ihr hinschauen oder wegsehen?

Eine Frage wäre auch, ob es in euren Augen mittlerweile zum Alltag gehört, dass solche Unfälle passieren. Ich persönlich muss schon sagen, dass es für mich mittlerweile zum Alltag gehört, dass Leute sich von Straßenbahnen oder Zügen überfahren lassen.

Was ist eure Meinung zu diesem Thema?

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» Rainer Wahnsinn » Beiträge: 144 » Talkpoints: 0,10 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Hallo Rainer,

da ich selbst jeden Morgen und jeden Mittag die öffentlichen Verkehrsmittel nutze sind mir ähnliche Vorfälle auch bekannt. Ich bekomme generell jedes Mal einen Schreck wenn die 5.Klässler meiner Schule mal wieder über die Bahnschienen rennen. Und dann fällt mir ein, dass ich bis vor ein paar Jahren selbst auch so war. Wir haben das immer als einen Wettbewerb gesehen, wer als letztes, bevor die Straßenbahn kommt, von den Gleisen auf den Bahnsteig springt. Was passieren kann, wenn doch mal jemand ausrutscht, zu spät springt oder den Bahnsteig nicht erwischt, war uns zwar durchaus bewusst, aber aufgehört haben wir trotzdem nicht.
Dann passierte etwas für uns alle wohl sehr erschütterndes. An einer anderen Schule ganz in der Nähe kam ein Schüler beim selben Spielchen ums Leben. Ich habe Samstags die Zeitung meines Vaters aufgeschlagen und erstmal geschluckt als ich die weißen Tücher halb unter der Straßenbahn liegen sah.
Seit dem bleibe ich übrigens immer hinter dem schwarzen Strefen am Bahnsteigrand.
Zu deiner ersten Frage kann ich folgendes sagen:
Ich glaube das es stark davon abhängt wer denn da unter dem Tuch liegt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich Personen aus meinem näheren Umfeld doch lieber lebend und glücklich in Erinnerung behalten möchte. Ich habe mich bei einem Todesfall in meiner Familie bewusst dagegen entschieden den Toten nochmals anzusehen. Sonst würde ich bei jedem Gedanken an ihn sicher wieder das Bild der Leiche sehen.
Bei Fremden Menschen überwiegt doch eher das Interesse. Wie sehe ich nach meinem Tod aus? Vielleicht auch spezieller: Wie sieht ein von der Bahn Überfahrener aus?
Ich hoffe, dass ich dir damit auch mal einen anderen, oder teilweise gleichen, Gesichtspunkt zeigen konnte.

Viele Grüße,
Hardyboyzfan

» Hardyboyzfan » Beiträge: 9 » Talkpoints: 4,01 »


Pro Jahr gibt es auf den deutschen Bahnstrecken durchschnittlich 720 Schienensuizide, dazu kommen dann noch die Unfälle, die glücklicherweise selten auftreten. Also ist es rein rechnerisch leider schon alltäglich. Mein Lebensgefährte ist Lokführer, bisher blieb ihm so ein Schock erspart. Viele seiner Kollegen haben aber schon Menschen überfahren, bis auf einen Unfall waren das alles Selbstmorde.

Mich persönlich macht das immer wütend- wer sich töten möchte, soll das tun, aber muss er da andere Menschen mit hineinziehen? Viele Lokführer sind auf Jahre völlig traumatisiert, hinzu kommt noch der gesamtwirtschaftliche Schaden. Das klingt jetzt brutal, aber wenn man die Kosten und den Aufwand wegen eines Suizides mal mit den mehr als 700 Fällen multipliziert, kommt da eine nette Summe bei rum. Natürlich ist ein Menschenleben nicht mit Geld aufzuwiegen, ich wünschte auch, dass all diesen verzweifelten Menschen geholfen werden könnte, bevor sie dies als letzten Ausweg sehen, dennoch finde ich es rücksichtslos, wenn Selbstmörder andere Menschen mitbelasten.

Dass man bei so einem Unfall hinsieht, ist eine natürliche Reaktion, hier sei nur mal das Stichwort Gafferstau erwähnt. Warum das so ist, kann ich mir auch nicht erklären.

» Mijanou » Beiträge: 4 » Talkpoints: 1,95 »



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