Gibt es so viele freie Ausbildungsplätze?

vom 12.02.2009, 02:22 Uhr

Mein Bruder hat vor kurzem unverschuldet seinen Ausbildungsplatz verloren, da sein Chef billigere Arbeitskräfte eingestellt hat, die vom Amt finanziert worden sind. Ihm hat die Lehre sehr viel Spaß gemacht und er war total am Boden. Vor allem, weil das ganze ohne Vorwarnung passierte.

Er rief mich gleich danach an und erzählte mir, was passiert war. Mir gingen tausend Gedanken durch den Kopf. Das er nicht nur wahrscheinlich ein Jahr verlieren wird, weil das Ausbildungsjahr ja schon lief, sondern auch dass er es schwer haben wird, was neues zu finden, weil die Unternehmen ja denken werden, dass er was ausgefressen hat und deshalb gekündigt wurde.

Dann habe ich mit meinem Mann gesprochen und wir haben überlegt was wir machen können. Wir wohnen aber 750 km weit weg, sodass ich nicht mal eben hin konnte. Also entschloss ich mich, dass ich übers Internet Firmen google aus seiner Umgebung, die diesen Beruf ausbilden. Teilweise habe ich mir auch nur Firmen notiert, die ein Lager haben und daher auch zumindest theoretisch die Möglichkeit hätten.

Das waren zum Schluss 45 Firmen. Ich habe dann allen diesen Firmen eine Mail geschickt, dass es um meinem Bruder geht, der ganz traurig ist wegen der Kündigung und das sie keine Vorurteile deswegen haben sollen, weil er nichts dafür konnte usw. Also ganz ehrlich wie es ist. Und natürlich, dass er nun eine Firma sucht, die ihn noch in diesem Ausbildungsjahr zwischen schieben kann.

Ich dachte, wenn sich zwei Firmen melden, die seine Bewerbung sehen wollen, dann können wir schon froh sein. Aber schon am nächsten morgen hatte ich die ersten neun Antworten. Drei schickten eine nette Absage und wünschten Viel Glück und die andern wollte, dass er die Bewerbung sofort online zuschickt, das sie Interesse haben. So ging es stündlich weiter, sodass wir am zweiten Tag schon 31 positive Antworten haben. Mein Bruder ist dann gleich zu den ersten Firmen hin gefahren mit der Bewerbung um zu zeigen, dass er wirklich Interesse hat.

Wir wussten zum Schluss nicht mehr, wie wir die Probetage koordinieren sollten und musste daher schon den ersten Absagen bzw, sie gezwungener Massen vertrösten. Nach weiteren Zwei Wochen der Probearbeit hatte er dann drei Verträge zur Auswahl und macht seine Ausbildung nun in einem großen Unternehmen.

Ich war richtig überrascht, dass das so leicht war. Den mein Bruder hat leider kein besonders gutes Zeugnis. In Englisch eine 4, in Mathe eine 3, in Deutsch 4 und in Politik sogar eine 5. Und das gerade mal auf einer Realschule. Er macht eine dreijährige Ausbildung zur Fachkraft für Lagerwirtschaft und Transport oder auch Lagerlogistik genannt.

Seid dem Frage ich mich, warum so viele Jugendliche keinen Ausbildungsplatz bekommen? Ich meine mein Bruder hatte nicht gerade super Voraussetzungen. Schlechtes Zeugnis und eine vorangegangene Kündigung. Es scheint mir doch, dass genügend Firmen suchen und wohl eher keine Azubi's finden.

» Naffi » Beiträge: 948 » Talkpoints: -1,22 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Hallo!

Ich denke, dass es auch immer auf den Ausbildungsberuf ankommt. Der eine ist gefragter als der andere, also gibt es da auch weniger Stellen und man bekommt nur schwer etwas. Im Bereich des Fachinformatikers zum Beispiel, ist es wirklich schwer eine Ausbildungsstelle zu finde und man muss doch recht lange suchen.

Als ich meine Ausbildungsuche begonne habe, habe ich auch nicht so sehr viele Bewerbungen schreiben müssen. Ich wurde auch zu 4 oder 5 Bewerbungsgesprächen eingeladen und 3 Firmen davon wollten mich nehmen, so dass ich mir dann sogar aussuchen konnte wohin ich wollte. Das ist nun allerdings ein paar Jahre her.

Dein Bruder kann sich wirklich freuen, dass er eine so liebe Schwester hat, die ihm hilft. Ich hoffe, dass er nun schnell eine neue Ausbildungsstelle bekommt.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


Nelchen hat einen Grund schon genannt: bestimmte Berufe sind einfach nicht besonders cool, toll usw. Und das muss ja nicht mal heißen, dass die jugendlichen Schulabgänger sich komplett zu fein wären, aber wenn man auf den Beruf einfach gar keine Lust hat und dann abwägt ob man sich drei Jahre lang jeden Tag hinquälen muss kann ich absolut verstehen, dass man erstmal ein Jahr jobbt und es im nächsten Jahr nochmal probiert - hab ich übrigens auch so gemacht.

Außerdem ist es noch eine geografische Sache: Im Osten Deutschlands wird viel ausgebildet, die Jugendlichen von dort wollen zum größeren Teil aber lieber woanders hin, bewerben sich also auch woanders. Wenn sie einen guten Abschluss haben nehmen sie lieber eine Ausbildung woanders als in Ostdeutschland an, zum Beispiel in Nordrheinwestfalen. Wenn die (Beispiel) nordrheinwestfälischen Jugendlichen nun aber nicht so reisefreudig sind sondern die Ausbildung lieber in der Heimat absolvieren wollen werden dort die Plätze knapper - und im Osten fehlen die Azubis.

Insgesamt sind zwar noch 2.000 und ein paar Hundert (habs nicht mehr so im Kopf) Ausbildungsstellen frei, aber es sind trotzdem knapp 6.000 Bewerber übrig. Plus all jene, die nun ein FSJ zwischenschieben um keine Lücke zu haben oder die in eine schulische Weiterbildungsmaßnahme gegangen sind oder gesteckt wurden, ergibt sch insgesamt nunmal immer noch ein Mangel an Ausbildungsplätzen.

Für deinen Bruder ist es natürlich toll, dass das so geklappt hat und er keine Zeit verliert :) Aber wenn man nun noch die Faktoren von oben einbezieht ist das entweder beinahe "logisch" (nicht wörtlich zu betrachten) oder schon extrem verwunderlich, falls ihr tatsächlich in Nordrheinwestfalen wohnt und der gewünschte Lernberuf insgesamt eher beliebt ist ;)

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» Taline » Beiträge: 3594 » Talkpoints: 0,75 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



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