Unangenehme Fragen - Ein Recht auf Beantwortung?

vom 17.11.2008, 19:32 Uhr

Schon seit langem geht mir immer wieder eine Frage durch den Kopf, auf die ich so recht keine Antwort finde. Meines Erachtens, weil es gar keine allgemein gültige Antwort gibt.

Die Kindheit sollte eigentlich eine Zeit der Unbeschwertheit sein, allerdings ist sie das für einige Kinder nicht. Oft tragen auch die Eltern Schuld daran, dass die Kinder diese Zeit in sehr schlechter Erinnerung behalten. Und so manch Erwachsener möchte später gern wissen, wieso die Eltern so gehandelt haben wie sie es getan haben.

Gut wenn die Eltern dann noch leben, dann kann man sie ja fragen. Aber auch wenn eine solche Frage ohne Vorwürfe einfach aus Interesse gestellt wird, weigern sich einige Eltern, entsprechende Fragen zu beantworten - ohne einen für Außenstehende erkennbaren Grund. Sicher scheint wohl, dass die Nachfrage den Eltern unangenehm ist und dass sie mittlerweile erkannt haben, dass ihr damaliges Handeln nicht völlig richtig war.

Schon oft habe ich mich gefragt: haben Eltern ein Recht darauf eine Antwort zu verweigern oder wiegt das Recht der Kinder schwerer, eine Antwort zu erhalten? Wie weit dürfen Kinder überhaupt gehen und ist eine solche Aussprache überhaupt sinnvoll oder sollte man die Vergangenheit ruhen lassen?

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich denke schon, dass Kinder ein Recht auf die Beantwortung solcher Fragen haben. Wenn man sich als Kind ungeliebt und unerwünscht fühlt - ob zu Recht oder zu Unrecht sei hier mal dahingestellt - ist das etwas, woran man oft sein ganzes Leben lang knabbert und was auch die späteren Beziehungen, Freundschaften wie Liebesbeziehungen, intensiv beeinflussen kann.

Daher denke ich, dass Eltern ihren Kindern auf jeden Fall Rechenschaft schuldig sind, immerhin sind sie ein extrem wichtiger Faktor für die Entwicklung des späteren Lebens.

So hat etwa der Vater eines Freundes von mir sich von seiner Mutter scheiden lassen, als diese schwanger wurde und nicht bereit war, abzutreiben. Damals war er schon fast 30, so dass jugendliche Unsicherheit kaum als Begründung gelten kann. Dies allein ist schon schwer zu schlucken, denke ich, was aber noch seltsamer ist, ist die Tatsache, dass derselbe Mann zehn Jahre später mit einer anderen Frau ein Kind bekommen hat. Mein Kumpel hat also einen jüngeren Halbbruder, zu dem er losen Kontakt hat. Daher weiss er auch, dass sein Erzeuger dort den Bilderbuch-Papi gemimt hat. Bei ihm hat er sich jedoch nie mehr gemeldet. Das ist natürlich unverständlich, irgendwie.

Mein Freund hat seinen Vater dann darauf angesprochen, dieser hat ihm aber die Auskunft verweigert und ihm zu verstehen gegeben, dass er nichts mit ihm zu tun haben will. Eine Begründung dafür lieferte er nicht.

So etwas finde ich unmöglich, denn ich finde ein Kind hat ein Recht darauf zu erfahren, warum es unerwünscht ist und vor allem, warum ein solch krasser Unterschied gemacht wird. Nur mal so als Beispiel.

Ein anderes, sehr krasses Beispiel ist die Geschichte von Heidi Glade-Hassenmüller(Gute Nacht Zuckerpüppchen), die von ihrem Stiefvater mit Wissen ihrer Mutter über 12 Jahre hinweg missbraucht und vergewaltigt worden ist. Sie sucht später das Gespräch mit ihrer Mutter, die die Mitwissenschaft ihrer Tochter gegenüber abstreitet. Anderen gegenüber räumt sie diese allerdings ein und klagt über Gewissensbisse. "Er hätte mich doch sonst verlassen!" ist ihre Begründung für dies Verhalten, ihrer Tochter gegenüber gesteht sie dies jedoch nicht ein.

Die Autorin beschreibt in ihrem nachfolgenden autobiographischen Roman ihre Versuche als Erwachsene mit dieser Vergangenheit umzugehen und auch sie bezeichnet das Gespräch mit ihrer Mutter als wichtiges Element ihrer Verarbeitung der Geschehnisse.

Mein Kumpel hat inzwischen damit abgeschlossen, zumindest meint er das, gibt aber zu, dass eine vernünftige Aussprache mit seinem Vater ihm das sicher erleichtert hätte. Und er meint auch, wenn er diesen Schritt nicht gewagt hätte, würde er vermutlich noch schwerer an der Sache knabbern, als er das so schon getan hat.

Und das eben ist der Punkt. Es mag vielfache Gründe dafür geben, warum man in der Erziehung seiner Sprösslinge Fehler macht, mehr oder weniger schwerwiegende. Wenn man sich aber schön während der Kindheit der Situation nicht gewachsen fühlt(oder warum man sich auch immer so verhalten hat, wie man es tat), dann sollte man zumindest bereit sein, den entstandenen Schaden im Rahmen seiner Möglichkeiten nachher zu beggrenzen.

Und ich denke, dass ein klärendes Gespräch da Wunder wirken kann, auch wenn vielleicht sehr unerfreuliche Wahrheiten ans Tageslicht treten. Das ist meiner Meinung nach immer noch leichter zu ertragen als die ewige Ungewissheit, denn dann hat man einen Punkt, wo man mit seiner Verarbeitung ansetzen kann.

Wenn man Kinder hat, hat man diesen gegenüber eine gewisse Verantwortung. Und wenn man ihnen schon keine gute Kindheit bieten kann (oder will), so sollte man sich dennoch nicht völlig aus der Affaire ziehen und tun, als ginge einen das alles nicht an. Das ist man seinen Kindern meiner Auffassung nach schuldig und es gibt nur wenige zulässige Ausreden.

» Sorcya » Beiträge: 2904 » Talkpoints: 0,01 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


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