Ausbildung extrem in der Lehrgärtnerei

vom 11.08.2008, 14:30 Uhr

Meine erste Ausbildung habe ich in einer reinen Lehrgärtnerei gemacht. Das bedeutete, dass die Gärtnerei keine wirtschaftliche Tragweite hatte, die Pflanzenzucht etc. bestand nur für den internen Bedarf, was verkauft wurde, ging in die allgemeine Kasse. Der Lehrstoff entspricht dem einer normalen Gärtnerei, die Berufsschule war für uns Zöglinge auch nie ein Problem. Aber die Verhältnisse in der Gärtnerei waren gelinde gesagt der Hammer.

Unsere Truppe bestand neben mir noch aus sieben männlichen Teenagern im Alter von 18- 28 und zwei Frauen, wovon die eine eine sich nicht waschende, stark übergewichtige und nicht arbeitende Person war, die andere nur auf dem Feld arbeitete um während der Arbeit ihre Oberweite zu bräunen. Die Jungs waren Teenager eben, große Klappe nichts dahinter und fast immer breit. Ja breit und das auf der Arbeit.

Unser Chef war ein Unikat und eigentlich mochte ich ihn bis auf Ausnahmen immer gern. Er war streng, aber nur wenn er Lust hatte. Wenn er gesehen hat, dass sich jemand Mühe gab, dann war er alles andere als streng und man konnte gute Gespräche mit ihm führen. Er war 34 Jahre alt damals, ich war 20 Jahre zu dem Zeitpunkt. Ich hatte von Anfang an ein gutes Verhältnis zu ihm weil ich Widerworte gab. Die anderen waren immer brav wenn er in der Nähe war, sobald er uns den Rücken kehrte legten sie los. Ich war anders, ich benahm mich immer gleich, gab auch mal eine freche Antwort wenn es sein musste und das schien ihm zu imponieren.

Was meine Kollegen anging, da erlebte ich schon teilweise richtige Hämmer. Es gab zum Beispiel eine Zeit, da war der Chef in Urlaub und wir auf uns alleine gestellt. Wir hatten Aufgaben bekommen und die ältesten hatten die Aufsicht (wozu ich auch gehörte) Arbeitsbeginn war um sieben, angetreten sind fast alle während dieser Phase erst um 12 oder später. Natürlich notierte ich mir das alles, verpetzt habe ich meine Kollegen aber nie. Ich glaube in diesen zwei Wochen wo mein Chef nicht da war, waren alle meine Kollegen jeden Tag um 14 Uhr total betrunken. Die Wodkaflaschen wurden reihenweise geleert und es wurde leider auch sehr viel gekifft (von mir nicht). Zusammen mit einem anderen Kollegen habe ich die gesamte Arbeit die uns mein Chef für zwei Wochen auferlegt hat alleine erledigt, denn die ganzen Schnapsleichen waren zu nichts zu gebrauchen.

Es hätte auch nichts genutzt, meine ewigen Predigten als die Ältere los zu lassen, denn Teenager sind eben unbelehrbar, also habe ich meistens gesagt sie sollen nach Hause gehen, wenn der tägliche Kontrollanruf des Chefs um 14:30 erfolgt war, was die meisten auch machten. Eigentlich war ich so wütend, dass ich die Leute verraten wollte, aber ich habe es nicht gemacht, warum auch immer.

Ein anderes, für mich krasses Erlebnis war die Weihnachtsfeier, auf der sich mein Chef so hemmungslos betrunken hat, dass er fast mit dem Auto gegen einen Baum gefahren wär. Das schlimme war, dass die Feier in der Gärtnerei statt fand und mein Chef nicht einmal mehr in der Lage war, die Gewächshäuser zu schließen und die Fahrzeuge einzuparken, so dass ich gezwungenermaßen die Nacht dort verbrachte, damit keine Diebe kommen. Wo die Schlüssel für die Fahrzeuge waren wusste nämlich außer dem Chef niemand und auch er wusste es in diesem Zustand nicht mehr.

Der Auslöser warum ich letzten Endes meine Ausbildung nicht beendet habe, sondern kurz vor Ende des zweiten Lehrjahres gekündigt habe, war allerdings nicht so schön. Wir bekamen Zuwachs, in Form von Hartz vier Empfängern die ihren 1-Euro Job bei uns erledigen sollten. Damit hatte ich null Probleme, denn die meisten waren echt nett und griffen uns unter die Arme. Nur einer machte Probleme, in dem er mich sexuell belästigte. Er stahl meine Unterwäsche, griff mir an die Brust etc. (Unterwäsche konnte er stehlen, weil ich immer Ersatz im Spind hatte, da man manchmal auch nass wird). Ich habe mit meinem Chef gesprochen und er hat mit dem Kollegen gesprochen und zwei Tage war Ruhe. Dann aber war ich alleine mit besagtem Kollegen im Betrieb und er hat mich dermaßen bedrängt, dass ich fluchtartig die Gewächshäuser verlassen habe und nach Hause gegangen bin. Am nächsten Tag sagte mir mein Chef das ich mich nicht so anstellen soll, was für mich der Auslöser zur Kündigung war.

In dem Gespräch war das nur eine der Aussagen die mein Chef traf, es Wort für Wort wider zu geben, würde den Rahmen des Beitrags sprengen, aber der Kernpunkt des Gesprächs lag darin, dass mein Chef mir sagte ich müsse sowas in dem Beruf ertragen können. Aber ich denke nicht dass ich mich betatschen und belästigen lassen muss ohne das jemand etwas dagegen unternimmt, da habe ich meinen Job lieber aufgegeben, denn ich konnte nicht mehr ohne bitteren Beigeschmack arbeiten gehen.

Was für Erfahrungen habt ihr denn so in eurer Ausbildung gemacht? War es für euch eine schöne Zeit oder eher nicht?

» Jess0708 » Beiträge: 715 » Talkpoints: 47,47 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Hallo,
ich kenne das von meiner Tante. Die arbeitet in einer Wäscherei. Dort wird sie regelmäßig von ihrer Cheffin regelrecht gemobbt. Da fallen schon Begriffe wie "Ihr Schweine, ihr Penner, ihr Idioten, ihr Arschlöcher" und so weiter. Weiterhin müssen sie ständig unbezahlte Überstunden machen, obwohl sie schon nur einen unheimlich geringen Stundenlohn bekommt. Genau das selbe ist es eben auch dort mit den Auszubildenden.

Die rackern bis zum umfallen für einen Hungerlohn und werden dafür auch noch den ganzen Tag fertig gemacht. Eine Auszubildende dort ist gerade schwanger, wird aber trotzdem keinesfalls in irgendeiner Weise geschont.

Einmal gab es eine Überschwemmung dort in der Nähe, da sagte die Cheffin: "Naja, also wenn das Wasser kommen sollte, bis 1,5Meter kannst du im Wasser stehen, dann kommen die Elektromotoren von den Maschinen." Ich dachte ich höre nicht recht.

Außerdem tropft es dort durch die Decke. Die Maschinen sind ständig kaputt, doch die Arbeiter dürfen nicht sagen, dass die Maschinen nicht funktionieren, da sie sich dann einen unheimlichen Anschiss von ihrer Cheffin anhören dürfen. Diese behauptet dann, die Arbeiter hätten alles mutwillig zerstört und kaputt gemacht.

Auf Ausbildungsrichtlinien und Regeln wird überhaupt nicht geachtet. Und ungefähr genauso erging es meinem besten Freund in seiner Ausbildung zum Offset-Drucker in einer Blechdruckerei.

Leider Gottes sind heutzutage die Ausbildungsrichtlinien in vielen Betrieben nicht sehr wichtig ,was eben die Ausbildung zur Hölle machen kann. Ich habe das nun schon von wirklich vielen Azubis gehört, dass die Probleme mit ihren Ausbildungsbetrieben hatten. Aber sich gegen den Chef währen ist meistens doch schon ziemlich schwer. Schließlich ist es schwer den Betrieb zu wechseln, oder die ganze restliche Ausbildungszeit gepisackt zu werden.

» flower911 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Midgaardslang am 11.08.2008, 20:25, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen

Meine erste Ausbildung hab ich auch in einer Gärtnerei gemacht und es war - sagen wir mal: Extrem suboptimal.

Für mich als Lehrling war es am idiotischsten, dass ich durch die Familienkonstellation bedingt nicht einen Meister hatte, sondern: Einen Meister, einen Chef, eine Chefin, zwei ältere Töchter, die Schwiegertochter, ein uraltes Gehutzel und einen Ziegenbock die alle, aber auch alle eine andere Meinung dazu hatten wie man was zu erledigen hatte. Abgesehen von Meister und der Chefin (die war Floristin und zusammen mit dem Chef stolze Erzeuger des Meisters) hatte aber keiner der Beteiligten eine entsprechende Ausbildung, weshalb besonders die Anweisungen vom Chef zum Teil böse daneben liegen konnten. Besonders wenn es um fachliches Wissen ging, da war sein Wissenstand halt irgendwo von vor dreißig Jahren und noch länger her und auch da erheblich lückenhaft. Na, dafür war er Experte dadrinn Lehrlinge zusammen zu brüllen.

Den Vogel schoß er ab, als er mich (nach einer zweiwöchigen Entzündung im Rückenbreich) gleich am ersten Tag aufs Feld schickte, den ganzen Tag den halb durchgefrorenen Boden umgraben (mit der Fräse wäre man da an einem halben Tag durch gewesen, nurmal als Anmerkung). Wie sovieles ging das Ding böse nach hinten los: Nach vier Tagen buddeln war ich wieder beim Orthopäden, der erhebliche Probleme damit hatte mich wieder in hinzubekommen und mir riet auf Dauer gesehen einen weniger rückenbelastenden Beruf auszuüben...

Ähnlich erbaulich ging man mit dem Thema "Pflanzenschutz" um. Die uralte Spritze mit Handpumpe dran war natürlich die Aufgabe des Lehrlings und abgesehen davon das man am Abend einen echten "Tennisarm" vom pumpen hatte war DAS noch der weniger gruselige Teil. Gruselig wurde es wenn man sich vor Augen hält: Vieles was wir da angesetzt haben als Spritzbrühe hatte einen Totenkopf, dreimall rot unterstrichen mit Ausrufezeichen dran. Laut Vorschrift nur auszubringen in voller Schuztmontur. Und mit unbedingt funktionierender Maske, mit aktiven Filter drinn. Na ratet mal, woran gerne gespart wurde? Erst als mein Hausarzt anfing davon zu reden "Also wenn du nochmal mit ner Vergiftung hier ankommst, dann red ich mal mit den zuständigen Stellen!" fing ich an auf frischen, funktionierenden Filtern zu bestehen.

Aber auch sonst war die Liste des Grauens lang: Zerbröselte, halb freiliegende Steckdosen in den Bereichen wo gegossen werden musste, Erdrüttler der so alt war das jede Sicherheitsvorkehrungen fehlten (und ständig Erdbrocken und Steine um unsere Ohren flogen), Altölverbrennen auf dem Grundstück, megabissiger Schäferhund der sich gerne befreite und nachweislich schon einen Lehrling gebissen hatte, Chef der es lustig fand Vögel mit der Schrotflinte zu verscheuchen und dabei so zielte das uns mehr als einmal die halbe Ladung um die Nase flog, ein Klofenster was von außen mehr als einsichtig war (aber konsequent: Die Klotür war ja auch lange nicht abschließbar).

Zuende gemacht habe ich meine Lehre trotzdem, obwohl ich die Nase mehr als voll hatte, allerdings hab ich mir im zweiten Lehrjahr Unterstützung geholt und bin in die Gewerkschaft eingetreten. Da waren die Leute dann mal so richtig geschockt. Allerdings haben sie dann wenigstens auch die Steckdosen repariert, den Hund besser beaufsichtigt und Kisten vors Klofenster gestalpelt (ich hätt ja vorgeschlagen einfach einen Vorhang hinzuhängen ...). Die Erdmaschine ersetzte sich wie durch Geisterhand als die alte anfing Löcher ins gegenüberliegende Gewächshaus zu schlagen (alles eine Frage der richtigen Ausrichtung, gnhihihi) und die Sache mit dem Altöl, irgendwann bekam die entsprechende Behörde mal einen heissen Tipp. Denn manche Dinge gehen echt gar nicht.

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» Nephele » Beiträge: 1047 » Talkpoints: 2,22 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



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