Wer oder was sind die Helden des Alltags?

vom 08.04.2020, 12:47 Uhr

In den letzten Tagen werden vermehrt Pflegekräfte als Helden des Alltags bezeichnet und es werden auch Sondergratifikationen ausgelobt. Das finde ich ja grundsätzlich gut, aber was mich daran stört ist, dass man nur eine bestimmte Berufsgruppe als Helden des Alltags heraushebt und würdigt. Gibt es denn da nicht noch viele Helden und Heldinnen mehr, die genau so eine Würdigung verdient hätten?

Was ist denn beispielsweise mit den Bäckern, die nachts aufstehen, damit wir weiterhin unsere frischen Brötchen und Brote auf dem Tisch haben oder mit den Kraft- und Wasserwerkern, die uns zuverlässig mit Strom und Wasser versorgen? Wer sind denn eure Helden des Alltags, die auch eine solche Ehrung verdient hätten, aber kaum Erwähnung finden?

» pruefling » Beiträge: 88 » Talkpoints: 39,44 »



Es ist wie immer im Leben unglaublich traurig, dass es erst jetzt auffällt, wer unter Umständen ein Held in unserem alltäglichen System ist. Die vielen Zahnräder können nur ineinander keilen, wenn dafür an anderer Stelle eben auch gesorgt wird. Es klappt noch sehr gut, derzeit, aber wir sind auch im Augenblick von italienischen Verhältnissen noch weit entfernt.

Doch auf einmal ist die Supermarkt-Kassierin eine Heldin, die man sonst mit dem Hintern nicht ansieht. Auf einmal fällt einem auf, wie wenig Gelder Pflegepersonal eigentlich für die harte Arbeit bekommen, aber die essenziell ist. Denn die können jetzt nicht nach Hause gehen und die alten Menschen sich selbst überlassen.

Jetzt fällt auf, wie hart Krankenhäuser am Limit gehen, um anderen das Leben zu retten, aber dafür morgens vor leeren Regalen stehen müssen, weil andere hamstern und sich profitable an allem bereichern?

Traurig, aber leider ist es so. Es muss immer erst etwas passieren, um irgendwas zu begreifen. Für mich sind Menschen, die derartige Berufe ausführen keine Helden als solches. Da ich die Begrifflichkeit „Held“ nicht mag.

Sie sind Menschen, auf die es im Ernstfall aber ankommt. Menschen, die eben nicht den Kopf in den Sand stecken können sowie beruflich gesehen dürfen. Sie sind lebensnotwendig im Notfall (Pfleger, Ärzte, Krankenschwestern, Sanitäter) und andere sind der Grund, wieso wir Lebensmittel haben (Kassierer, Regalaufüller usw.).

Für mich verdienen sie mehr als nur meine Anerkennung. Gerade das gesparte Gesundheitssystem, wo man um jeden Cent für die Arbeiter mühselig kämpfen muss, sollte man dadurch mal unter die Lupe nehmen. Mehr Geld, vielleicht auch mehr Mitarbeiter! So bleibt es auf dem Minimum, weil keiner für die Kohle da aktiv sein möchte. Aber keine Sorge, in wenigen Monaten ist das wieder alles vergessen. Wie immer im Leben.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


Ich finde, dass Pflegekräfte und Ärzte zur Zeit überdurchschnittlich viel leisten, weil sie dem Ansteckungsrisiko erhöht ausgesetzt sind. Ich finde den Begriff Helden des Alltags nicht so toll, weil er nichts Konkretes ausdrückt. Eine Mutter oder ein Vater, die/der ein behindertes Kind zurzeit zu Hause betreut, weil entsprechende Einrichtungen geschlossen sind, und nebenher noch arbeiten, sind auch Helden des Alltags. Oder der Sicherheitswachmann, der sich am Hauptbahnhof von Asozialen bespucken lassen muss.

Aber ich finde es gut, dass jetzt Menschen eine Anerkennung beziehungsweise hoffentlich auf Dauer auch ein höheres Gehalt bekommen, die Arbeit am Menschen verrichten. Man darf dadurch allerdings die anderen nicht herabsetzen, die eine Bürotätigkeit ausüben und vielleicht sehr viel verdienen. Auch sie tragen durch ihre Steuern dazu bei, dass alles noch gut läuft. Nichtsdestotrotz empfinde ich die große Würdigung der Pflegekräfte zurzeit als angemessen und positiv.

» blümchen » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



blümchen hat geschrieben:Ich finde, dass Pflegekräfte und Ärzte zur Zeit überdurchschnittlich viel leisten, weil sie dem Ansteckungsrisiko erhöht ausgesetzt sind.

Das finde ich eigentlich gar nicht. Sicherlich das Ansteckungsrisiko ist deutlich höher als in vielen anderen Berufen auch. Aber das ist eben das normale Berufsrisiko in Pflegeberufen. Das ist der ganz normale Job, den diese Leute ausüben. Ich finde so etwas immer total albern ganz ehrlich. Das ist wie der Zuschlag bei der Bundeswehr, wenn die ins Kriegsgebiet für ein paar Monate gehen. Das gehört einfach dazu und das weiß man doch, wenn man so einen Beruf ergreift.

Demnächst kriegt noch der Müllfahrer einen Sonderbonus, wenn er besonders stinkenden Müll mit nimmt und die Supermarktkassiererin, wenn sie auch dreckige Leute bedient und der Friseur, wenn er jemandem mit verfilzten Haaren die Haare schneidet.

Ich finde wir sollten da doch alle mal wieder auf den Boden der Realität zurückkommen. Klar gibt es jetzt Leute, die sitzen gezwungenermaßen zu Hause herum und andere halten den Laden am Laufen. Aber sie halten den Laden halt mit ihrer normalen alltäglichen Arbeit am Laufen. Dadurch wird man nicht mehr und nicht weniger Held als man es vorher auch war. Und man braucht auch keinen Bonus dafür, dass man seine Arbeit macht. Kein Mensch braucht so etwas.

Wenn wir der Meinung sind, dass bestimmte Berufsgruppen generell zu wenig Anerkennung erhalten und zu schlecht entlohnt werden, dann sollte man da grundsätzlich etwas ändern. Und dazu zähle ich dann auch die sozialen Berufe. Aber das ändert man nicht mit Abends klatschen oder mit 1500 Euro mit dem Juni- oder Juligehalt. Das kommt dann einmal und dann war es das und alles ist wieder genauso wie vorher.

Solange wir nicht auch im normalen Alltag mal zu einer Krankenschwester sagen, dass sie einen tollen Job macht oder der Müllabfuhr die Mülltonne vielleicht mal ein paar Meter näher zur Straße stellen oder vielleicht auch dem Postboten, der einem das Jahr über hunderte Pakete bis zur Haustür schleppt mal eine kleine Aufmerksamkeit geben, braucht man sich in meinen Augen über den Rest gar keinen Kopf zu zerbrechen.

Für mich persönlich ist jeder ein Held des Alltags der irgendein Job macht, der mir Arbeit abnimmt und auf den ich selber keinen Bock hätte. Denn was nutzt mir mein toller Job und mein gutes Gehalt, wenn ich niemanden finde, der mir für ein paar Euro meinen Umzug macht, der meine Mülltonne entleert, weil ich aus welchen Gründen auch immer keine Lust habe, selber zum Wertstoffhof zu fahren oder den Müll wegzubringen und so weiter.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Ich kann mit dem Begriff "Held des Alltags" nicht sonderlich viel anfangen. Wenn alle "Helden" sind, die in ihrem Alltag nicht völlig versagen, dann ist keiner ein Held oder eine Heldin, wenn man so will. Beispielsweise habe ich schon öfter gehört, wie brutal anstrengend die morgendlichen zwei Stunden seien, bis die Kinder mit Brotzeit und Matschhose den jeweiligen Betreuungsinstitutionen übergeben wurden.

Sind die Leute, die das jeden Tag machen, also schon "Helden des Alltags", oder erst die, die mies bezahlte körperlich anstrengende Jobs in undankbaren Branchen machen und ihre Kinder morgens in die Schule schicken? Oder generell alle irgendwie Tätigen von der Busfahrerin bis zur ehrenamtlichen Hundespaziergängerin mit der Ausnahme von Investmentbankern und BWLern, bei denen sowieso keiner weiß, was die tun?

Außerdem kann sich von derlei dümmlichen Titeln sowieso niemand etwas abbeißen, wie es so schön heißt. Wer in einem "systemrelevanten" Job nahe am Burnout entlangschrammt oder trotz Vollzeitbeschäftigung kaum über die Runden kommt, wäre sicher lieber kein "Held", sondern einfach nur berufstätig zu Bedingungen, die ein menschenwürdiges Leben ermöglichen.

» Gerbera » Beiträge: 11289 » Talkpoints: 41,52 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


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