Schnappen Ältere den Jüngeren die Studienplätze weg?

vom 27.06.2021, 21:57 Uhr

Vor einigen Tagen gab es in meinem Freundeskreis eine Diskussion über Studienplätze und ob sie "älteren" Personen überhaupt zustehen sollten. Eine Bekannte von uns möchte noch einmal studieren und zwar Medizin. Sie ist "schon" 37 Jahre und sagt, dass das Medizinstudium schon immer ihr großer Traum gewesen ist.

Sie hatte damals auch gute Noten, allerdings durch fehlende Unterstützung der Eltern nicht den Mut, sich dem Ganzen zu widmen. Einige meiner Freunde sind daraufhin extrem schockiert gewesen, sie sind der Meinung, dass sich das nicht lohnt, da sie schon "in Rente ist bevor sie überhaupt anfängt" und sie dementsprechend nur den Platz für jüngere Menschen blockiert.

Wie seht ihr die Thematik? Denkt ihr, dass man in einem solchen Alter kein längeres Studium mehr anfangen sollte und man damit anderen nur unnötigerweise den Platz weg nimmt? Oder seid ihr der Meinung, dass man seine Träume verwirklichen sollte, auch wenn man nicht mehr frisch aus der Schule kommt? Oder habt ihr eine ganz andere Meinung?

» Wunschkonzert » Beiträge: 7184 » Talkpoints: 42,56 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Wenn sie das Studium zügig durchzieht, ist sie durchaus noch vor Mitte 40 fertig. Und kann danach noch bis ins hohe Rentenalter weiter praktizieren, insofern sie nicht irgendwo angestellt ist und ihre eigene Praxis hat. Aber auch als angestellte Medizinerin bleiben ihr noch mindestens 20 Jahre Berufsleben. Ich versteh das Problem nicht. Ich finde es fantastisch, wenn man in dem Alter noch die Energie und Ambitionen hat und von Freunden würde ich eher Unterstützung erwarten.

Anders wäre es bei einem Studium, in dem der berufliche Einstieg im Gegensatz zu durchaus gefragten Ärzten sehr schwer ist. Mit Jura braucht man zum Beispiel in dem Alter nicht mehr anfangen, da ist der Zug schon so gut wie abgefahren, wenn man beim Studienabschluss schon Ende 20 ist. Aber Medizin lohnt sich auf jeden Fall.

» Paulie » Beiträge: 554 » Talkpoints: 0,24 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Ich verstehe oder teile die Argumentation so überhaupt nicht. "Jünger" heißt beileibe nicht kompetenter oder qualifizierter, und von "Wegschnappen" kann gar keine Rede sein. Schließlich kann nicht jeder Trottel überhaupt studieren und manche Studiengänge stellen sogar ausgesprochen hohe Anforderungen.

Wenn sich irgendwelche kaum volljährigen "Studis" ein paar Semester durchstümpern und dann doch hinschmeißen, schreit ja auch keiner, dass der wertvolle Studienplatz dadurch für klügere und motiviertere Interessenten "blockiert" war.

Und außerdem heißt es doch immer, dass lebenslanges Lernen und Weiterqualifizieren eine tolle Sache sei. Manche Leute studieren nach dem Renteneintritt und promovieren sogar in fortgeschrittenem Lebensalter. Da heißt es schließlich auch nicht, dass die Damen und Herren damit doch auch nur ihren Grabstein dekorieren werden und sie lieber wie die anderen Omas und Opas daheim im Fernsehsessel ihre Familie tyrannisieren sollten.

Aus meinem Studium weiß ich, dass Leute jenseits der 19 eher bessere Ergebnisse und Beiträge liefern als "Jüngere", die sich erst mühsam ins selbstständige Denken und Arbeiten einfinden müssen. Ich war damals mit Mitte Zwanzig zwar nur minimal "spätberufen", aber ich fand die älteren Studierenden in so ziemlich jeder Hinsicht kompetenter als die ganzen Kinderchen, die sich teilweise angestellt haben wie die letzten Deppen.

» Gerbera » Beiträge: 11288 » Talkpoints: 41,28 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Ein Medizinstudium ist natürlich schon nicht so leicht, aber wenn es der eigene Traum ist, dann muss man es machen. Es hat ja auch durchaus Vorteile, wenn man erst später studiert. So hat man sich selber vielleicht schon eine finanzielle Grundlage geschaffen, eine Ausbildung gemacht oder ist auch einfach nur etwas disziplinierter und entspannter, weil man nicht darauf angewiesen ist es auch schaffen zu müssen. Ich meine einen Versuch sollte es immer wert sein, den eigenen Traum zu erfüllen. Man kann es ja nur schaffen, wenn man es versucht.

Ich finde also nicht, dass irgendwer jemanden einen Platz wegnimmt, wenn man in einem bestimmten Alter noch mal studieren will und selbst wenn man mit 60 noch studieren will, dann muss das möglich sein und wenn die Person vielleicht auch nur 10 Jahre in dem Bereich arbeitet, dann ist es eben so. Für mich ist dass Bildung, die jedem möglich gemacht werden muss und in jungen Jahren gibt es ja auch Ausbildungen, die man dann machen kann, wenn man noch keinen Platz bekommen hat.

Ich finde also man muss es machen und darauf pfeifen, was andere Menschen dazu sagen. Wahrscheinlich hätte ich das gemacht ohne jemanden Bescheid zu geben und hätte dann eben erst gesagt, wenn ich fertig damit bin. Allerdings ist das so ein Studiengang, der schon sehr die eigene Freizeit eingrenzt und natürlich möchte man auch mit Freunden darüber reden. Gerade da sollte man sich aber auch eher in den Träumen bestärken.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Mit 37 ist man noch nicht alt und man kann durchaus nach dem Studium noch mehrere Jahrzehnte als Arzt arbeiten. Außerdem gibt es sowas wie Altersdiskriminierung, also darf man da altersmäßig überhaupt keine Grenze setzen, wenn die sonstigen Zulassungsbedingungen stimmen. Wer älter ist, ist im Schnitt auch gefestigter und zieht das Studium eher durch als ein Achtzehnjähriger, der sich erst einmal orientieren muss.

Ich habe auch sehr jung mit 17 angefangen zu studieren, habe nach vier Semestern von Lehramt auf Diplom gewechselt und zweimal mein Nebenfach geändert. Außerdem musste ich mir mein Studium nach acht oder zehn Semestern, ich weiß es nicht mehr genau, selber finanzieren, war also ein Langzeitstudent. So hätte ich, wenn es ein Numerus-Clausus-Studienfach gewesen wäre so einigen den Platz weggenommen, weil ich zu jung und ungefestigt angefangen habe. Ältere haben nicht nur oft, natürlich nicht immer, die größere Motivation und Zielstrebigkeit, sondern auch den besseren finanziellen Hintergrund, sodass sie schneller fertig werden.

» blümchen » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Gerbera hat geschrieben:Ich verstehe oder teile die Argumentation so überhaupt nicht. "Jünger" heißt beileibe nicht kompetenter oder qualifizierter, und von "Wegschnappen" kann gar keine Rede sein.

Ich verstehe die Argumentation schon ohne es gut heißen zu wollen. Aber rein von den Fakten her ist es ja schon so, dass aus ökonomischen Überlegungen jüngere Studenten für die Gesellschaft sinnvoller sind.

Ein Studienplatz eines Mediziners kostet der Uni und damit der Gesellschaft zwischen 120.000 und 150.000 Euro, soviel wie kein andere Studienplatz. Andere Fächer kosten teilweise nicht einmal ein Fünftel davon. Und nun kann man natürlich durchaus argumentieren, wenn wir für den angehenden Mediziner soviel Geld ausgeben, dann wollen wir als Gesellschaft auch möglichst viel dafür bekommen. Zum einen in viel Arbeitszeit, damit der Arzt dann auch viele kranke Menschen behandeln kann und zum anderen über hohe Einkommenssteuern, die er oder sie bezahlen wird. Und beides steigt natürlich direkt mit einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit und die ist eben deutlich höher, wenn man das Studium mit 25 beendet als bei jemandem der erst mit 45 fertig wird.

Von daher macht das wenn man es ganz nüchtern so betrachtet schon einen gewissen Sinn. Die Frage ist natürlich zum einen ob wir als Gesellschaft die Auswahl bei Studienplätzen so bewerten wollen. Also ob wir es in Kauf nehmen eventuell bessere Ärzte nicht auszubilden, nur weil sie etwas älter sind und nicht berücksichtigen, ob die Lebenserfahrung, Vorbildungen nicht doch dazu führen, dass wir da jemand viel reiferen und einfach breitflächigeren Arzt ausbilden.

Und dann muss man sich natürlich auch die Frage stellen, wollen wir überhaupt, dass so massiv in die Berufsfreiheit eingegriffen wird? Also wollen wir wirklich Menschen nur wegen ihres Alters davon ausschließen, dass sie frei wählen dürfen, was sie für einen Beruf ergreifen? Über Leistung mag ich das absolut einsehen. Wenn nicht genug Studienplätze da sind, dann muss man eben irgendwie selektieren. Aber wer es dann am Ende schafft, egal ob über Note, Eignungstest oder auch Hartnäckigkeit, der sollte auch studieren dürfen.

Natürlich würde ich jetzt auch den Sinn des Studiums bestreiten, wenn da jemand mit 60 Jahren anfängt, nur damit er am Ende sagen kann er hätte auch mal Medizin studiert, aber dann doch nie praktiziert. Aber auch damit muss man dann leben. Wobei so etwas wohl nicht mehr als Einzelfälle sein dürften.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Wenn man so argumentiert müsste man das in allen anderen Fällen auch, in denen ein Studium nicht die erste und einzige berufliche Ausbildung ist. Was ist zum Beispiel mit den ganzen Leuten, die erst eine Ausbildung machen und dann studieren? Das ist ja gerade im Medizinbereich gar nicht so ungewöhnlich, dass man erst mal keinen Studienplatz bekommt und sich die Wartezeit dann sinnvoll mit einer Ausbildung in einem verwandten Beruf vertreibt.

Müsste man sich da nicht auch darüber aufregen, dass der Abiturient dem Realschüler den Ausbildungsplatz als Rettungsassistent weggeschnappt hat? Und schlimmer noch, er plant ja nicht mal in dem Job zu arbeiten. Sobald er einen Studienplatz bekommt ist er weg und macht das höchstens noch als Nebenjob oder in den Ferien.

Oder was ist mit den Leuten, die nach dem Abitur mit "dann mache ich halt BWL" ein Studium anfangen und ziemlich schnell merken, dass das überhaupt nicht ihr Ding ist und später abbrechen? Oder zu meiner Zeit war es üblich bestimmte Fächer mit einem Lehramtsstudium zu kombinieren obwohl ein Job als Lehrer nie zur Debatte stand. Aber die Berufschancen waren wohl besser wenn man neben Sport noch ein bisschen Pädagogik gemacht hatte.

Klehmchen hat geschrieben:Und nun kann man natürlich durchaus argumentieren, wenn wir für den angehenden Mediziner soviel Geld ausgeben, dann wollen wir als Gesellschaft auch möglichst viel dafür bekommen.

Unter diesem Gesichtspunkt sind aber etwas ältere Studierende nicht unbedingt die schlechteste Wahl. Mit 37 wird man nach Abschluss des Studiums eher nicht ins Ausland gehen wollen, weil man privat oft gebunden ist. Außerdem kann man Absolventen in diesem Alter wahrscheinlich eher für eine der eher unbeliebten Stellen auf dem Land gewinnen, weil da auch solche Sachen wie die Lebensqualität für Kinder und Familie eine Rolle spielen.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Ich hab ja gar nicht gesagt, dass ich das gut oder sinnvoll finde. Sondern nur dass es durchaus nicht von der Hand zu weisen, dass es auch Gründe für die Argumentation gibt. Und im Gegensatz zum BWL beispielsweise sind Medizinstudienplätze sehr rar. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich dir als BWL den Platz wegschnappe ist ja nicht so groß wie bei jemandem der Medizin studieren will.

Und ja auch dein Argument mit dem Rettungssanitäter könnte man so nachvollziehen. Statt einem Realschüler den Platz zu geben, der eine völlig ausreichende Ausbildung hat, kommt da so ein Abiturient, der das eh nur als Trittbrett nutzen will.

So kann man ja durchaus argumentieren und es ist ja rein von den Fakten eben nicht einmal falsch. Aber mehr habe ich auch gar nicht gesagt.

Ob man so etwas gut findet, muss man eben als Gesellschaft klären. Und da hat bisher eben unsere Gesellschaft gesagt, kann man so sehen, machen wir aber nicht. Ich hab ja auch gesagt, dass in einem gewissen Alter bei den Absolventen ja auch durchaus Chancen liegen, die man nutzen kann und sollte. Stand ja auch in meinem Post, wer den Platz am Ende kriegt unter den Voraussetzungen, die derzeit gegeben sind, der soll und darf halt auch studieren, auch wenn er 50 oder 60 ist. Auch wenn das dann vielleicht nicht immer noch wirklich Sinn macht.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


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