Abiturwissen: Sozialkunde&Recht - Entschuldigungsgründe

vom 20.04.2008, 16:55 Uhr

Hier eine stichpunktartige Zusammenfassung zu den Entschuldigungsgründen.

Allgemeine Fragen

Prinzipien der Entschuldigung
- Handlung zur Rechtsguterhaltung
- Außergewöhnlicher Motivationsdruck

Die besondere Rolle der Entschuldigungsgründe innerhalb der „Straflosigkeitsgründe“
- Handlung steht nicht mit dem Recht und dessen grundlegenden Prinzipien in Einklang
- Unzumutbarkeitsfälle
o Was für den Normalbürger unzumutbar ist, wird dem in besonderen Rechtsverhältnis Stehenden zugemutet

Übersicht über die Entschuldigungsgründe
- §§ 33, 35

Die einzelnen Entschuldigungsgründe

Entschuldigender Notstand gemäß § 35

Allgemeine Kennzeichnung des Notstands als Entschuldigungsgrund
- Beseitigung einer Notlage
- Gegenwärtig, nicht anders abwendbare Gefahrenlage
- Wesentliches Interessenübergewicht ist nicht gefordert
- LEBEN; LEIB; FREIHEIT
- Einem Angehörigen oder einen anderen ihm nahe stehenden Person
- Subsidiäre Anwendung von § 35

Erklärung des entschuldigten Notstands
- seelische Zwangslage
- Unrechtsminderung
- Schuldvorwurf kann auch gegenüber Personen erhoben werden kann, die sich in einer seelischen Zwangslage befinden
- Keine präventive Bestrafungsnotwendigkeit
- Nicht im gleichen Maße wie Tätern in Normalsituationen kann diesen Tätern ein Mangel an Rechtsgesinnung vorgeworfen werden

Gesetzliche Notstandsregelung des § 35
- Die gesetzlichen Voraussetzungen des entschuldigten Notstands im Einzelnen
o Notstandslage
□ Notstandsfähige Rechtsgüter
• Genannte Rechtsgüter sind eng zu verstehen
• Leben
o Real existierendes Leben einer Person
o Gegenwärtiges individuell-körperliches Dasein, hier und jetzt
• Leib
o Körperliche Unversehrtheit
• Freiheit
o Fortbewegungsfreiheit
• Bei Leib und Freiheit sind geringfügige/ unerhebliche Gefährdungen
□ Rettungsfähige Personen
• Auch der ungefährdete Notstandshelfer
• Sympathiepersonen
• Angehöriger nach § 11 I Nr.1
• Nahe stehende Personen, bei deren Not man sich zur Rettung verpflichtet sieht
□ Gegenwärtige Gefahr
• Gefahrengrad reicht von höchstwahrscheinlich bis zu 10% Wahrschienlichkeit
• Naturgefahren, Sachgefahren, Menschen als Quelle
o Rettungshandlung
□ Erforderlichkeit
• Ein geeignetes Mittel zur Erhaltung des gefährdeten Rechtsguts
• Relativ mildestes Mittel
• Risiken bei der Wahl eines unsicheren, aber milderen Mittels dürfen ihm zugemutet werden
• Proportionalität zwischen der Schwere der Gefahr und dem durch die Rettungshandlung angerichteten Schaden
□ Gefahrabwendungswille
• Kenntnis der rechtfertigenden Umstände
• Nachsicht von der psychischen Basis abhängig
o Ausnahmeregelung des § 35
□ Wenn Hinnahme der Gefahr zumutbar erscheint
□ Gefahrverursachung
• Bloße Gefahrverursachung führt entgegen dem Wortlaut des Gesetzes nicht zu einer Gefahrtragungspflicht
• Wer sich ohne zureichenden Grund in eine Gefahr begeben hat, verletzt seine Obliegenheit zum Selbstschutz
• Wer die Zwangslage und die Notwendigkeit des Zugriffs auf fremde Rechtsgüter vorausgesehen hat bzw. voraussehen konnte
• § 904 BGB
• Garantenpflicht des Täters spricht für die Unzumutbarkeit der Unterlassung der Rettungshandlung und damit für deren Entschuldigung
□ Besonderes Rechtsverhältnis
• Soldaten
• Polizisten
• Feuerwehrleute
• Berufliche Pflichten gegenüber der Allgemeinheit
• Berufstypische Gefahren
• Versagte Strafmilderung in § 35 I 2
• Keine Drittwirkung des besonderen Rechtsverhältnisses
• Respektierung von Gefhartragungspflichten
• Duldungspflichten auch für zu Unrecht Angeklagte und Verurteilte
□ Weitere Zumutbarkeitsfälle
• Obhutspflichten
o Obhutsgarantenpflichten § 13
• Sonstige Duldungspflichten
o Keine berechtigte Gegenwehr gegen Notwehr
• Unverhältnismäßigkeit/ Disproportionalität
o Im Lebensnotstand ist die Tötung mehrerer Unbeteiligter entschuldigt

Der übergesetzliche entschuldigende Notstand
- Schuldausschließende Pflichtenkollision
- Quantitativer Lebensnotstand
- Verfolgung des Rettungszwecks
- Rechtsguterhaltung
- Nichtquantifizierbarkeit des Lebens steht dem nicht nur im Rechtfertigungsbereich entgegen

Entschuldigende Gewissensnot (Art 4 I GG)

- Art 9 I EMRK jedermann eingeräumter Anspruch auf Gewissensfreiheit
- Unverletzlich gewährte Freiheit auf Gewissen
- Nicht gerechtfertigt und auch nicht entschuldigt
- Aber nach neuester Rechtssprechung wegen Unzumutbarkeit entschuldigt
- Gewissensentscheidung
o Jede ernste sittliche, d.h. an den Kategorien von „Gut“ und „Böse“ orientierte Entscheidung, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte.(BGH)
o Rechtswahrende Funktion des Staates kann auch durch anderes Verhalten als durch Strafe erfüllt werden
o Abwägung der betroffenen Rechtsgüter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles

Notwehrexzess gemäß § 33

Erklärung des Notwehrexzesses als Entschuldigungsgrund
- gemindertes Unrecht der Exzesstat
- Verwirrung, Furcht oder Schrecken beim Exzesstäter
- Fehlende präventive Bestrafungsnotwendigkeit

Einzelne Voraussetzungen des § 33

Überschreitung der Notwehrgrenzen
- Überschreitung der Erforderlichkeitsgrenze ( intensiver Notwehrexzess )
o Einsatz eines für den Angreifer zu gefährlichen Mittels
o Zu intensive Verteidigung des angegriffenen Rechtsguts durch den Täter
o Auslegung der Gegenwärtigkeit § 32 II
o Notstandsexzess kennt das StGB nicht
o Notwehrlage besteht bis zum endgültigen Abschluss
- Überschreitung der Gegenwärtigkeitsgrenze (extensiver Notwehrexzess)
o Nachzeitig
o Rechtssprechung wendet § 33 nicht an
o Fehlende Unrechtsminderung
o Enger zeitlicher Zusammenhang
- Überschreitung der „Angreifergrenze“ (räumlich-extensiver Notwehrexzess)
o Verletzung eines Dritten ist nicht durch Notwehr gerechtfertigt

Subjektive § 33-Voraussetzungen
- Entschuldigende Affekte
o Verwirrung, Furcht oder Schrecken (asthenische Affekte)
o Selbst verschuldete Affekte nimmt § 33 bewusst von der Privilegierung nicht ausgenommen
o Mit-Ursächlichkeit des Affekts für die Exzesshandlung
- Bewusste Notwehrüberschreitung
o Rechtliche Bewertung dieser bewussten und affektbedingten Notwehrüberschreitung ist nicht unterschiedlich
- Verteidigungswille
o Verteidigungsabsicht
o Handlungsunrecht verringernden

Besondere Fallgestaltungen

Krasse Überschreitung der Notwehrgrenzen
- keine Entschuldigung

Entschuldigung auch für den Provokateur ?
- Milderung des Risikos sich strafbar zu machen durch § 33
- Planmäßiges Sicheinlassen in eine tätliche Auseinandersetzung schließt die Anwendung von § 33 aus

Putativnotwehrexzess
- analoge Anwendung von § 33 auf solche Konstellationen grundsätzlich abzulehnen
- § 16 I 2 Fahrlässigkeitsstrafe

Unverbindliche dienstliche Weisungen

- Beamte ist entschuldigt, wenn die Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit des aufgetragenen Verhaltens für ihn nicht erkennbar ist
- Kein Prüfungsrecht des Untergebenen

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