Stolz auf Kinder sein ohne Kontakt zu haben?

vom 14.07.2019, 23:20 Uhr

Bei meinem Bekannten in der Familie gibt es jemanden, der fünffacher Vater ist und zu keinem dieser Kinder Kontakt hat. Die ersten drei Kinder leben bei seiner Ex-Frau und sind teilweise alle schon lange erwachsen und wünschen wegen vieler Vorkommnisse keinen Kontakt. Sie gehen auch an ihm vorbei, sitzen in Kneipen weg von ihm und es fällt kein Wort.

Die anderen zwei Kinder wurden durch das hiesige Jugendamt in Pflegefamilien und später zur Adoption freigegeben. Doch trotzdem postet der „Papa“ auf Facebook beispielsweise immer so tolle Dinge wie „ich bin stolz auf meine Kinder“ oder „ich liebe meine Kinder“. Das bringt meinen Bekannten aktuell immer mal wieder vor Wut zum rasen, weil er das eben moralisch für gelogen hält.

Auch wenn sie sich treffen, redet der Typ wohl so, als sei er der Über-Daddy und tut bei allen immer so, als wenn die ersten drei Kinder das Problem seien und die zwei Jugendamtsgeschichten natürlich nur eine Schikane seien.

Er ist der Meinung, wenn man ein Rabenvater ist, keinen Kontakt zu seinen Kindern hat, dann kann man auch nicht so tun, als wenn man ein Übervater ist und Stolz auf die Kids sein. Zumal er wohl nichts weiß von ihnen. Weder Lieblingsfußballverein, Schulabschluss usw.

Wie seht Ihr das denn? Würdet Ihr da auch sagen, dass er in solch einem Fall seinen gespielten Stolz für sich behalten kann? Wie würdet Ihr reagieren, wenn so der Vater Eurer Kinder ist?

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Da muss ich als Vater mal eine Lanze brechen. Als erstes kennt man die Geschichten, die dahinterstecken nur vom hören sagen. Man müsste sich bei all dem, auch mal alle Seite in ruhe anhören, bevor man da so ein Urteil fällt, dass alles nur geheuchelt sei.

Ich stecke da selber seit knapp einem Jahr in so einem ähnlichen Fall. Wenn man als Eltern getrennt ist, gehen die Kinder schon mal gerne den Weg des geringsten Widerstands, und da ist Ihnen auch jedes Mittel recht. Ich habe zu meinen Kindern auch seit gut 9 Monaten keinen Kontakt mehr. Alles aus einer Meinungsverschiedenheit, die ich mit meinem Sohn hatte. Nichts was man als dramatisch empfinden könnte. In meinen Augen, normaler Generationskonflikt.

Er entdeckt mit grade 18 Jahre, seine Freiheiten, ist aber nicht damit einverstanden, wenn ich gewisse Dinge nicht gut finde. Zu dem Zeitpunkt wohnte er bei mir, und anstatt sich vernünftig damit auseinander zu setzen, ist er lieber wieder zurückgezogen. Sie Ihrerseits, hat ihn natürlich mit offenen Armen empfangen. Was danach passiert ist, kann ich nur erahnen, aber auf einmal wollte auch meine Tochter, die bei ihrer Mutter lebt, auch keinen Kontakt mehr zu mir. Und jeder Versuch mal wieder Kontakt aufzunehmen, wurde gleich niedergeschmettert. Auf einmal war ich der schlechteste Vater der Welt, aber mir wollte auch keiner sagen, warum das so ist.

Was ich damit sagen will ist, dass man die Hintergründe, die dahinterstehen, als Außenstehender nicht kennt. Aber wenn man natürlich hört, dass das Jugendamt darüber entschieden hat, was mit den Kindern passiert, dann muss man sich fragen, was war dann mit der Mutter und wie viel Anteil hat sie daran, dass das Verhältnis so schlecht ist. Ich will in meinem Fall nicht sagen, dass es die Schuld meiner Ex war, dass meine Kinder so reagiert haben, aber eine vernünftige Erklärung, warum alles so ist, habe ich bis heute auch immer noch nicht erhalten. Es muss ja auch nicht unbedingt, die Mutter der Kinder sein, die da beeinflussend tätig wird. Das kann ja auch alles durch die Freunde und Bekannten der Kinder kommen.

Aber deswegen dem Vater als Heuchler hin zu stellen, finde ich ein wenig überzogen. Er kann ja auch durchaus auf das Stolz sein, was er von seinen Kindern noch weiß und wie sie waren. Und vielleicht bekommt er ja auch mehr mit, als dass er preis gibt. Es gibt nun mal genug Situationen, die man als Außenstehender, in seiner Komplexität gar nicht im vollen Umfang erfassen kann, also sollte man sich auch keinen Urteil darüber bilden. Man sollte eben immer auch mal hinter die Fassade gucken.

» Kodi » Beiträge: 599 » Talkpoints: 27,19 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Für mich ist "Stolz" eine ebenso wohlfeile und sinnbefreite Haltung wie "Mitleid". Es wird immer so getan, als würde man dadurch zu einem besseren Menschen, wenn man beim Zeitunglesen den Kopf schüttelt und "die armen Leute" denkt. Und ebenso kann man auf jeden Blödsinn "stolz" sein, was in meinen Augen oft genug nur eine Form von Arroganz ist, um sein unterentwickeltes Ego zu füttern.

Leute sind beispielsweise "stolz" auf ihre Herkunft, als sei es ihre Leistung gewesen, dass sich zwei Menschen aus Nation X oder mit bürgerlicher Abstammung gepaart haben, um sie zu zeugen. Und in dieses Konzept passt in meinen Augen eben auch, dass gerade "mäßige" Eltern überall herumposaunen, wie stolz sie auf ihren Nachwuchs sind, obwohl der mit 18 die Flucht ergriffen hat und eigentlich mit der Bagage nichts mehr zu tun haben will. Stolz ist simpel und billig, man muss nichts dafür tun und kann sich wunder was einreden, was man doch alles geleistet hat.

» Gerbera » Beiträge: 11289 » Talkpoints: 41,52 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Ich kann den Einwand eines Papas hier natürlich vollkommen verstehen. Ich weiß auch, dass Jugendliche ihren eigenen Weg gehen und dann natürlich nicht immer alles mit Meinungen und Aussagen der Eltern übereinstimmt. Dann ist man vielleicht auch mal etwas eingeschnappt etc.

Vom Hören und Sagen kann ich nur sagen, dass der Papa seine Kinder aber auch regelmäßig beleidigt hat. Den Sohn als „Arschloch“ und die Kinder gerne mal als „Schlampe wie Mama“. Gleichwohl es keine Begründung dafür gibt, sondern er einfach nur unglaublich unangenehm ist. Ich kenne ihn vom sehen und weiß also durchaus mal ein bisschen was davon und über ihn hört man in der Straße auch eigentlich immer dasselbe.

Stolz ist in meinen Augen hier auch wirklich nicht angebracht. Er kann ja auf gar nichts „stolz“ sein, wenn er nichts von ihnen weiß, weil er sich nur dann um seine Kinder geschert hat, wenn er mal Bock hatte. Er weiß keinen Lieblingsfußballverein, er weiß keine Lieblingsmusik, er weiß keinen einzigen Freund seiner Töchter oder seiner Söhne usw. Nichts weiß er.

Dann finde ich auch eher, dass dies eine doofe Art ist, von stolzen Bildern auf Facebook wie „ich bin ein toller und stolzer Vater“ zu posten, wenn man nicht einen Satz mit seinen Kindern spricht und gar nichts von ihnen weiß.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Es scheint ihm schon nahezugehen, dass er zu keinem seiner Kinder noch Kontakt hat. So kann ich es mir vorstellen, dass er über solche Aussagen in sozialen Netzwerken vielleicht doch noch wenigstens eines seiner Kinder dazu bewegen möchte, wieder Kontakt aufzunehmen. Wenn er natürlich solche Aussagen verwendet, dass er ein toller und stolzer Vater sei, dann denke ich nicht, dass er damit Erfolg haben wird.

Vielleicht möchte er auch einfach nicht wahrhaben, was er selber für einen Anteil daran hat, dass seine Kinder ihm weggenommen wurden oder nichts mehr von ihm wissen möchten. So redet er sich vielleicht selber alles schön und postet darum auch solche Dinge im sozialen Netzwerk, damit andere das sehen.

Ich finde eine Beurteilung daher schon schwierig, kann deinen Bekannten aber schon verstehen, dass ihn das wütend macht, da ich auch denke, dass da nichts ist, worauf dieser Vater stolz sein kann, wenn er doch gar nichts über das Leben seiner Kinder weiß.

» Barbara Ann » Beiträge: 28933 » Talkpoints: 56,80 » Auszeichnung für 28000 Beiträge


Zuerst einmal zu Gerbera: Man muss schon ganz schön verbittert sein, wenn man den Stolz auf seine Kinder für Sinn befreite Haltung hält und mit Mitleid vergleicht. Du scheinst weder Kinder zu haben, noch in deinem Leben irgendeinen Grund gehabt zu haben, stolz auf dich oder irgend wen sein zu können. Das finde ich sehr schade. Ich bin auch schon sehr oft stolz auf meine Kinder gewesen, das hat aber nichts damit zu tun, dass ich damit mein eigenes Ego anheben oder aufpolieren.Das wäre dann in meinen Augen sehr selbstsüchtig. Du scheinst dieses Gefühl "Stolz" nicht zu kennen, dann wüsstest Du, dass es in keinster Weise was mit Selbstsucht zu tun. Man ist ja schließlich stolz darauf, was ein anderer geleistet hat und nicht ich selbst.

Natürlich kann, darf und soll man auch Stolz auf seinen eigenen Leistung sein dürfen. Das hat dann nichts mit einer selbstverliebten Angeberei zu tun, oder zu zeigen was man kann und wer man ist, sondern es dient auch zum Erhalt des Selbstwertgefühls, was für einen Menschen sehr wichtig ist. Natürlich gibt es da auch Ausnahmen, aber die kann man wohl kaum mit allen anderen in eine Schublade stecken.

@Kätchen14: Du hast selber geschrieben, dass alles sich auf Hören Sagen beruht. Ich finde das immer sehr gefährlich, sich auf Hören Sagen, eine eigene Meinung bilden zu können. Natürlich wird da mit Sicherheit auch eine wenig Wahrheit drin stecken, aber das kann man nun mal erst wirklich sagen, wenn man wirklich alle Hintergründe kennt, und das von allen Seiten. Von Außen betrachtet, hört sich das nach einer Familie mit sehr zerrütteten Verhältnissen an, wo mit Sicherheit jeder seinen Teil dazu beiträgt. So kann der Vater sich vielleicht besser darstellen wollen als er eigentlich ist, aber andersherum, kann es genauso gut sein, dass die anderen Familienmitglieder, auch gut was dazu beitragen, dass die Situation so ist.

» Kodi » Beiträge: 599 » Talkpoints: 27,19 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Prinzipiell finde ich schon, dass man Stolz sein kann, auch wenn kein Kontakt mehr besteht. Wenn die Kinder etwas geleistet haben, dann kann man doch immer Stolz sein und als Gefühl finde ich das auch vollkommen okay. Immerhin ist man ja auch nicht unbeteiligt, weil es ohne einen die Kinder nicht geben würde. Ich kenne auch einen Mann, der sehr wenig Kontakt zu seinen Kindern hat, weil die mit der Mutter in Amerika wohnen und auch gar nicht so den Draht zu ihm haben. Es sind auch wirklich eher mütterlich geprägte Kinder, da er viel arbeiten war und da auch viel schiefgelaufen ist. Nun haben die Kinder ihren Abschluss geschafft und studieren und das erfüllt ihn schon mit Stolz, weil er sich einfach freut.

Wenn man nun aber so ein Bild nach außen entstehen lässt, obwohl es komplett anders ist, finde ich es wirklich schlimm. Das zeigt wie oberflächlich die Gesellschaft ist, wie viel Wert so ein Bild von sich im Internet hat und so weiter. Das finde ich alles sehr bedenklich. Würde alles richtig laufen, hätte man da nur Leute in der Freundesliste, die man kennt und bräuchte sich nicht besser darstellen und würde es zur Kommunikation nutzen, das ist aber nicht so. Das Ganze finde ich sehr bedenklich.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



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