Führt Frugalismus zu finanzieller Freiheit?

vom 27.02.2019, 13:55 Uhr

Der amerikanische Trend des frugalistischen Lebensstil kommt immer mehr auch zu uns. Man findet zur Zeit laufend Videos und Beiträge, wie man durch ein sparsames Leben zu finanzielle Freiheit kommt. Die Leute verzichten auf das Auto und Abos wie Netflix und Co., Kabel gibt es auch nicht mehr. Beim Essen achten sie doch auf Qualität, doch schauen sie zum Beispiel, dass alles aufgebraucht wird. Soweit so gut.

Man soll das Geld nicht nur sparen um seine Schulden zurückzuzahlen, sondern das Geld dann auch Anlegen. Ziel ist es soviel passives Einkommen zu generieren, dass man finanziell frei ist.

Klingt sehr vielversprechend. Seine Finanzen im Auge zu behalten ist sinnvoll und einige Tipps tun der Geldbörse generell gut. Doch führt dies wirklich zu finanzieller Freiheit? Was würdet ihr tun wenn ihr finanziell frei seid?

» TinaPe » Beiträge: 451 » Talkpoints: 13,09 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Die Menschen sind immer abhängiger von Konsum. Jedes Jahr am besten das neuste Smartphone oder wenn nicht wenigstens alle zwei bis drei Jahre. Andere brauchen unbedingt ein Auto. Andere wiederum wollen auf jenes nicht verzichten, dieses nicht, Netflix hier, Maxdome dort, Handyvertrag da drüben und wie wäre es noch mit Internet im Allgemeinen? Sky am besten noch usw.

Wenn man das Auto mal weniger nutzt, spart auch schon Geld. Wenn man vielleicht die Versicherung wechselt, ebenso. Wenn man statt Sky, Netflix, Maxdome usw schaut, wo man alles oder das Wichtigste hat, spart man Geld. Wieso ein privater Telefonanschluss, wenn der kaum genutzt wird und der Handyvertrag dann eher Flatrate genutzt wird? All sowas kommt zum sparen natürlich dazu.

Frugalismus ist aber natürlich mit mehr Verzicht verbunden, aber ich glaube schon, dass dann auch mal wieder mehr gespart werden kann und mehr Zwischenmenschlichkeit möglich ist. Das finde ich keineswegs eine schlechte Idee und würde es in jedem Fall auch empfehlen. Man darf mal nicht bedenken, was unsere zwischenmenschlichen Beziehungen seither und der Technologie gelitten haben.

Ich wäre echt mal bereit, solch ein Experiment zu machen. Vielleicht aber auch, weil ich sowieso zu wenig Konsum habe, als das es mich stören würde? Ich laufe viele Wege sowieso statt Auto zu nehmen. Handy habe ich ein uraltes wieder am Start, weil mich die Smartphones nerven und Telefon habe ich nicht, nur Internet und TV-Anschluss. Anrufe mache ich per Handy.

Es wäre mal ein richtigen Versuch wert, aber dann sollte ich da wirklich 6 Wochen Urlaub haben, damit ich auch schnell aus Auto verzichten darf/kann und das Handy etc.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


"Frugalismus"? Heilige Mutter Gottes, was ist denn an "Sparsamkeit" oder "Genügsamkeit" verkehrt? Oder wenn man es lieber auf Latein mag, kann man auch behaupten, Frugalität zu leben. Aber das klingt wohl erheblich unschicker als einfach zuzugeben, dass man sparen muss oder möchte.

Man merkt, ich finde nicht alles schick und nachahmenswert, wofür man einen schlecht eingedeutschten Anglizismus bemühen muss. Ich kenne auch Anekdoten von Amis, die im Restaurant Wasser und Zitronenschnitze bestellen, sich ihre Limo dann selber zusammen panschen und stolz darauf sind, 1,50 Dollar gespart zu haben.

Oder man kramt Omas Haushaltstipps von kurz nach dem Krieg hervor, als Seife noch Mangelware war und nennt das Ergebnis stolz Life Hack. Oft ist mir auch schon aufgefallen, dass das Verhältnis von Arbeitsaufwand zu Ersparnis in Cents zu messen ist, sodass gewisse Branchen an Frugalismus nur für die Leute in Frage kommen, die den ganzen Tag zu Hause hocken und schon aus purer Langeweile Zahnpasta selbst machen und Tampons aus aufgeribbelten Pullovern häkeln.

Ich selber halte schon aus persönlichen Gründen viel von der biederen preußischen Tugend der Sparsamkeit, wobei ich mich aber eher auf den völlig uncoolen gesunden Menschenverstand verlasse bzw. mir manche Dinge einfach verkneife, als dass ich sie mir mit "Frugalismus" schön rede.

» Gerbera » Beiträge: 11292 » Talkpoints: 42,29 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Ich glaube das Modell lässt sich nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen, weil die Ausgangssituation eine andere ist. Es ist in den USA ja fast schon normal, dass man Kreditkartenschulden im vier- oder fünfstelligen Bereich hat. Das kenne ich aus meinem Umfeld in Deutschland überhaupt nicht. Da nehmen die Leute eigentlich nur einen Kredit auf wenn sie etwas großes kaufen wollen, etwa ein Auto oder ein Haus.

Wenn ich jeden Monat meine Kreditkartenschulden zurück bezahlen muss ist es natürlich ein Gefühl von Freiheit wenn dieser Posten irgendwann weg fällt. Aber wenn ich gar keine Schulden habe, habe ich doch auch dieses Gefühl nicht. Und passives Einkommen klingt in der Theorie ganz toll, ist in der Praxis aber mit einem hohen Risiko verbunden wenn man einen nennenswerten Gewinn erzielen will.

Außerdem stellt sich doch die Frage, ob der Spaß am Leben bei so viel Sparsamkeit nicht auf der Strecke bleibt. Natürlich ist ein bewusster Konsum richtig und wichtig, auch aus Umweltschutzgründen, aber wenn ich zum Beispiel Serien liebe tue ich mir doch keinen Gefallen wenn ich mein Netflix Abo kündige. Und wenn ich Lust auf ein Glas Wein zum Essen habe aber statt dessen das kostenlose Leitungswasser bestelle nehme ich mir die Freiheit ja praktisch selber.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Ich habe den Eindruck, dass die User hier so gar keine Ahnung haben, was die Kennzeichen von Frugalismus überhaupt sind. Das hat mit Sparsamkeit und Genügsamkeit nur bedingt zu tun. Sicherlich sind das zwei Aspekte, die bei Frugalisten auch eine Rolle spielen, aber das übergeordnete Ziel ist höher.

Frugalisten sind Menschen, die von ihrem Arbeits-Einkommen unabhängig sein wollen und die nicht "leben um zu arbeiten". Ziel ist es, ein passives Einkommen in Form von Anlagen und so weiter zu generieren, sodass man theoretisch schon mit 40 Jahren in "Rente" gehen und das Leben genießen könnte. Das hat primär mit Schuldenfreiheit gar nichts zu tun, denn selbst wenn man keine Schulden hat, hat man nicht unbedingt so viele Ersparnisse, dass man davon die nächsten 20 Jahre leben könnte ohne staatliche Gelder beziehen zu müssen. Die Ersparnisse werden dann angelegt in Aktien, Wertpapiere, von mir aus Kryptowährungen oder Edelmetalle. Vielleicht auch in Immobilien mit dem Ziel, daraus Mieteinnahmen zu generieren oder diese irgendwann mit Gewinn zu verkaufen. Manche investieren auch in Kunstobjekte, die mit der Zeit an Wert gewinnen.

Auch heißt es nicht, dass die Frugalisten auf alles verzichten müssen. Nur wird eben genau überlegt, was man braucht und was nicht. Muss es eine teure Wohnung sein, wo man mindestens zwei Vollzeit-Einkommen braucht (Panik vor Nachwuchs und Einkommensaufall!) um diese unterhalten zu können? Oder reicht auch eine schnucklige Wohnung in der Vorstadt, um viel Geld zu sparen? Muss es eine teure Protzer-Karre sein? Oder tut es auch ein schnuckliges kleines Auto?

Muss es ein teurer Handy-Vertrag sein oder reicht auch Prepaid? Ich zum Beispiel habe einen sehr günstigen (alten) Prepaid-Tarif bei einem großen Anbieter hier in Deutschland. Nachteile habe ich dadurch nicht, weil ich überall auf kostenlose Hotspots zugreifen kann, wenn ich unterwegs bin. Also brauche ich keinen Vertrag mit XXL-Datenvolumen, ich komme auch so zurecht. Warum sollte man bei so etwas also mehr Geld aus dem Fenster werfen als unbedingt nötig?

Nur weil man Frugalist ist, verzichtet man auf Netflix? Dass ich nicht lache. Ich finde solche Behauptungen lächerlich. Netflix wird immer unattraktiver, weil das Angebot abnimmt wegen der zunehmenden Konkurrenz. Nur weil man also nicht zig Abos parallel haben möchte, genießt man sein Leben nicht oder was? So denken doch nur Bekloppte, mal ehrlich.

Ob Frugalismus zu finanzieller Freiheit führt, weiß ich nicht. Denn ein Stück weit ist man ja davon abhängig, dass sich das angelegte Geld auch von selbst "vermehrt", wenn man so will. Aber ich denke, dass man so unbeschwerter lebt und bewusster konsumiert. Man fragt sich eben, ob man diesen ganzen Luxus wie ein teures Auto, eine teure Wohnung, Luxusurlaube und so weiter wirklich braucht oder ob nicht auch eine "abgespeckte" Variante ausreicht.

Die Extremisten verzichten dann natürlich komplett, aber das sind vermutlich eher die Ausnahmen als die Regel. Ich denke aber, dass Frugalisten (sofern sie Erfolg haben) freier und unbeschwerter sind, weil sie unabhängig von Arbeit sind auf lange Sicht betrachtet. Sie müssen also nicht fürchten, bei Arbeitslosigkeit plötzlich auf der Straße zu stehen und den Lebensstandard nicht halten zu können.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Cloudy24 hat geschrieben:Außerdem stellt sich doch die Frage, ob der Spaß am Leben bei so viel Sparsamkeit nicht auf der Strecke bleibt. Natürlich ist ein bewusster Konsum richtig und wichtig, auch aus Umweltschutzgründen, aber wenn ich zum Beispiel Serien liebe tue ich mir doch keinen Gefallen wenn ich mein Netflix Abo kündige. Und wenn ich Lust auf ein Glas Wein zum Essen habe aber statt dessen das kostenlose Leitungswasser bestelle nehme ich mir die Freiheit ja praktisch selber.

Genau dieser Abschnitt zeigt mir deutlich, dass du keine Ahnung von der Thematik hast. Frugalisten sind keine Geizhälse, die auf alles verzichten. Ziel ist es, maximal zu sparen und Rücklagen zu bilden bei maximaler Lebensqualität. Es wird trotzdem auf nichts verzichtet, was einem Freude macht. Es gibt doch abgesehen von Netflix oder einem Restaurantbesuch genug anderes Einsparpotential und das wüsstest du, wenn du dich näher mit der Thematik beschäftigt hättest. Ich kenne einige Frugalisten und sehe das ja mit eigenen Augen, wie die ticken und agieren.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Täubchen hat geschrieben:Ziel ist es, maximal zu sparen und Rücklagen zu bilden bei maximaler Lebensqualität.

Genau dieser Abschnitt zeigt mir deutlich, dass du keine Ahnung von der Lebensrealität vieler Menschen hast. DAS muss man sich nämlich erst mal leisten können und viele Menschen können das eben nicht. Für viele Menschen bedeutet "maximal sparen" zwangsläufig ein Verlust an Lebensqualität und nicht weil sie irgendwelche unnötigen Ausgaben haben sondern weil sie gerade so über die Runden kommen.

Ich habe mich sehr wohl mit dem Thema beschäftigt - in letzter Zeit wird man mit Videos ja geradezu gespamt, schwer das zu ignorieren - und habe gesehen, dass bei viele von "maximaler Lebensqualität" echt keine Rede sein kann. Verzicht auf Reisen und alle Freizeitaktivitäten, die Geld kosten, ist Standard, auch bei Leuten, die daran vorher sehr viel Spaß hatten. Soziale Kontakte leiden oft auch, klar, wenn man nur noch dann etwas mit den Freunden unternimmt wenn es nichts kostet. Und das sind nur zwei von vielen Beispielen.

Und in kritischeren Videos hört man dann auch, dass das Ziel mit 40 in Rente zu gehen für die Hälfte der deutschen Haushalte sowieso komplett unerreichbar ist. Die alleinerziehende Erzieherin kann sich halt blöderweise schon jetzt kein XXL-Datenvolumen leisten, auf das sie problemlos verzichten kann.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Für mich, so wie ich das Konzept in der Vergangenheit verstanden hatte, ist Frugalismus die Erreichung einer möglichst gut bezahlten Stelle nach der Ausbildung oder dem Studium, damit man dann zwanzig Jahre weiterhin auf studentischen Niveau lebt, um dann mit 40-45 Jahren in "Rente" zu gehen und den Rest seines Lebens weiter auf genau diesem Niveau leben zu müssen.

Für mich wäre das nicht erstrebenswert. Und die Frugalisten, von denen ich so gehört und gelesen habe, leben schon ein in meinen Augen recht asketisches Leben, alles in der Hoffnung, dass die 30 bis 50 Prozent, die man über die Jahrzehnte angespart hat, nicht im Nirwana eines etwaigen Börsen-Crashs verschwinden werden. Alleine das Risiko wäre es mir gar nicht wert. Meiner Ansicht nach gehen die Hardcore-Frugalisten auch von einigen falschen Voraussetzungen aus, und damit meine ich nicht nur ausbleibende Rendite. Das werden sie dann aber merken, wenn sie mal die 40 erreicht oder überschritten haben, denn so planbar wie man als junger Mensch naiv noch denken mag, ist das Leben irgendwann gar nicht mehr.

Dann hat man nämlich Kinder, denen man vielleicht eine Ausbildung oder einen besseren Lebensstandard als auf Hartz Vier Niveau bieten möchte oder man muss ältere Angehörige unterstützen. Von Tod, Beziehungsverlust, Krankheit und Arbeitslosigkeit gar nicht zu sprechen. Und mit 23 ist es ein Leichtes zwei oder drei Leute zum Schwänzen zu überreden und den Tag in der Sonne zu verbringen, das können sie ja gerne mal mit 43 versuchen. Da hat dann nämlich keiner Zeit.

Abgesehen davon, dass man mit Mitte 40 auch keine Lust mehr hat freiwillig auf einem studentischen Niveau zu leben und Urlaub im Zelt zu machen sowie ein Schrottauto zu fahren. Man kann die Verhältnisse und Vorstellungen, die man vom Leben mit Mitte 20 hat, nicht auf andere Lebensabschnitte übertragen. Das ist ein Punkt, an dem die Frugalisten aber noch gar nicht angekommen sind.

» Verbena » Beiträge: 4793 » Talkpoints: 0,57 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Verbena hat geschrieben:Für mich wäre das nicht erstrebenswert. Und die Frugalisten, von denen ich so gehört und gelesen habe, leben schon ein in meinen Augen recht asketisches Leben, alles in der Hoffnung, dass die 30 bis 50 Prozent, die man über die Jahrzehnte angespart hat, nicht im Nirwana eines etwaigen Börsen-Crashs verschwinden werden.

Das ist es. Du hast es nur gehört oder gelesen. Du kennst scheinbar gar keine Menschen, die wirklich danach leben (wollen). Dass es nur die Extremfälle in die Medien schaffen, auf die Idee scheint gar keiner zu kommen. Abgesehen davon gibt es sehr gute Methoden, die Risiken bezüglich Börsencrashs oder Inflation zu minimieren.

Ich kenne einige Frugalisten persönlich und kann das direkt beobachten wie die so leben und diskutiere auch häufig mit ihnen. Von einem Leben auf studentischem Niveau kann man da gar nicht reden. Ich kann sogar mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass ihr Lebensstandard als Student gar nicht haltbar und umsetzbar wäre. Es gibt dennoch diverse Methoden, die Ersparnisse zu maximieren ohne auf etwas verzichten zu müssen und damit an Lebensqualität zu verlieren. Es bringt aber nichts, mit Menschen darüber zu diskutieren, die in dieser Hinsicht eine absolut festgefahrene Meinung haben und gar nicht offen für neue Denkweisen sind.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Ohne extreme Sparrate ist aber eine Rente mit 40 rein rechnerisch schon nicht möglich. Wie viel müsste man verdienen, um nach nur teilweise 12 bis 15 Jahren Beruf schon von dem Angesparten für den Rest des Leben existieren zu können? Bei Spiegel gab es vor einiger Zeit dahingehende Rechenbeispiele und die waren schon arg. Wenn man 3000 verdient, warum sollte man dann von 1500 leben wollen, nur mit der geringen Chance, ab Mitte 40 ohne Arbeit da zu sitzen?

Nicht zu sprechen davon, wenn man mit Anfang 40 einfach mal tot umfällt. Kann sein, dass ich die falschen Leute kenne, aber niemand in meinem Umfeld verdient soviel, dass er ein richtig gutes Leben mit vernünftigem Auto, Wohneigentum oder Haus und schönem Urlaub sowie sonstigen Annehmlichkeiten hat und dann noch jeden Monat mindestens eine vierstellige Summe spart. Die Lebensumstände und Ansprüche ändern sich einfach ab einem gewissen Alter.

» Verbena » Beiträge: 4793 » Talkpoints: 0,57 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


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