Programm im Seniorenheim wie im Kindergarten

vom 04.10.2018, 15:10 Uhr

Bei uns am Ort ist ein Seniorenheim. Diese haben im Eingangsbereich auch ein Programm für die nächste Zeit hängen. Als ich eine alte Dame aus dem Haus besucht habe, habe ich mir das mal durchgelesen und fand das schon ziemlich grenzwertig. An dem einen Nachmittag soll Singen stattfinden. Das fand ich erst mal nicht so schlimm. Aber gleichzeitig lagen Liedertexte mit Noten aus. Alles Kinderlieder, die man aus dem Kindergarten kennt. Weiterhin stand auf dem Programm "Basteln mit Eicheln und Kastanien" und abgebildet waren Kastanienmännchen. An einem anderen Tag stand auf dem Programm Puzzeln, was ich auch nicht schlimm finde, wenn da nicht bei gestanden hätte, dass noch Holzpuzzle gesucht werden für diesen Nachmittag.

Das Programm habe ich dann auch als Gesprächsthema gehabt, als ich die Frau besucht habe und sie meinte, dass sie daran nicht teilnimmt, weil sie sich ziemlich veräppelt vorkommen würde, wenn sie da mitmacht. Sie meint, dass man durch so ein Programm irgendwie degradiert wird und sich wirklich vorkommt wie ein Kind. Sie findet, dass man mit älteren Menschen auch Sachen machen kann, die altersgerecht sind. Beispielsweise keine Kinderlieder sondern Volkslieder singen oder nicht mit Kastanien basteln, sondern mit anderen Sachen dem Alter entsprechend basteln oder eben auch mit "normalen" Puzzeln arbeiten. Auch wenn teilweise die Puzzleteile klein sind, kann man ja auch dementsprechend Papppuzzle mit größeren Teilen nehmen. Sie würde sich einen Tanznachmittag wünschen, aber der wird abgeblockt.

Denkt ihr, dass es richtig ist mit älteren Menschen Kinderspiele und Kinderlieder zu machen wie in einem Kindergarten? Sollte man sich da was anderes aussuchen? Was würdet ihr mit alten Menschen veranstalten um sie zu beschäftigen?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Ich habe mal ein Jahr ein FSJ in einem Behindertenheim für geistig behinderte Erwachsene gemacht. Dort mussten wir uns ebenfalls Dinge für die Beschäftigung aussuchen. Und wir hatten doch öfter das Problem, dass wir in den Kinderbereich abdrifteten, ohne es wirklich zu wollen. Das hatte da aber den Grund, dass viele Bewohner ein immer noch kindliches Gemüt hatten, oder aber dass sie Symptome ähnlich wie bei Alzheimer und Demenz zeigten und sich nur noch an ihre Kindheit erinnerten.

Wir haben dann aber Kompromisse gefunden. Beim Spielen haben wir etwa Kniffel gespielt, was ja nicht auf Kinder beschränkt ist und außerdem noch die geistigen Fähigkeiten trainiert. Beim Basteln waren es dann nicht die kindischen Kastanienmännchen, sondern beispielsweise ein herbstliches Gesteck, das man an die Tür hängen oder auf den Tisch legen kann.

Und beim Singen haben wir anfangs etwas vorgegeben, was keine Kinderlieder waren, sondern eben die bekannten Volkslieder, und dann die Bewohner vorschlagen lassen. Das war dann bunt gemischt. Gerade bei den Liedern gibt es ja so viele, dass man sich nicht auf Kinderlieder beschränken muss.

Und wenn ich unseren Nachbarn mit seinen 83 Jahren sehe, der letztes Jahr erst die Bedienung seines Smartphones gelernt hat und sich dabei besser angestellt hat als ich, und daran denke, dass ich auch schon Senioren gesehen habe, die an der Wii spielen, dann würde ich ihnen so etwas mal vorschlagen. Oder einfach auch die Senioren mal fragen! Die wissen meist sehr gut, was sie wollen und was nicht! Auf manches kommt man so gar nicht.

Und warum nicht tanzen? Es muss ja kein Tanzkurs mit Lehrer sein, sondern einfach eine freie Fläche und geeignete Musik. Sehr sinnvoll ist auch ein wenig Sport, vor allem um den Gleichgewichtssinn zu trainieren. Ich habe gehört, dass aber auch spezielles Krafttraining gut ist und Funktionen erhält.

» SonjaB » Beiträge: 2698 » Talkpoints: 0,98 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Das kommt doch ganz auf den körperlichen und geistigen Zustand der Teilnehmer an, oder? Mit einer sehr dementen Gruppe sind alte Kinderlieder und saisonal auch Weihnachtslieder super. Da singen Menschen mit, die sonst kaum noch an der Umwelt interessiert sind und fast nicht mehr sprechen. Wer noch fitter oder geistig noch voll auf der Höhe ist, der fühlt sich natürlich nicht wohl damit.

Bei Spielen ist es ähnlich. Wenn die Motorik sehr eingeschränkt ist, dann sind Puzzle aus Holz und große Steckspiele aus Holz wie "Mensch ärgere dich nicht" besser geeignet, weil die Spieler das Sehen und greifen können und nicht gleich alles fliegt, wenn die Hand nicht will, wie sie soll.

Das Angebot sollte einfach zur Zielgruppe passen. Damals, als in der Pflege schon massiv gespart wurde und es noch keine Sozialbetreuer gab, habe ich ehrenamtlich Senioren im Heim beschäftigt. Ich habe im Raucherraum Karten und Schnellschach gespielt. Ich habe mit dementen irgendwie Brettspiele mit Holzversionen und riesigen Würfeln gespielt.

Mit Menschen, deren Demenz fortgeschrittener war, habe ich Musik aus deren Jugend gehört. Wenn es noch schlimmer war, dann gab es Kinderlieder und Förmchen. Im Endstadium war nur noch Körperkontakt oder basale Stimulation möglich. Als Kontrastprogramm ging es mit geistig fitten im Rollstuhl zu Märkten und Ausstellungen oder einfach Einkaufen. Es gibt kein Programm für alle. Dazu sind Zustand und Interessen zu verschieden. Aber ein gutes Programm bietet für alle etwas.

» cooper75 » Beiträge: 13325 » Talkpoints: 497,57 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Ich denke, dass es auf den gesundheitlichen bzw. auch geistigen Zustand der Senioren ankommt. Wenn manche eben nicht mehr so auf der Höhe sind, ist ein einfaches Spiel sicherlich besser geeignet als "Mensch ärgere dich nicht". Ich denke, dass man da ein gemischtes Nachmittagsprogramm anbieten sollte. Man könnte ja die Senioren so an einen Tisch bringen, dass es vom Zustand und der Gesundheit passt. Dann könnten manche bei einem Spielenachmittag eben etwas anderes spielen als andere. Das aber unter einen Hut zu bringen, stelle ich mir nicht so leicht vor. Immerhin muss man da doch irgendwie allen gerecht werden. Ich könnte mir schon vorstellen, dass man durchaus mal ins Kinderprogramm abdriftet ohne es eigentlich zu wollen.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Es hängt doch ganz davon ab, wie gut die Senioren noch drauf sind, die da mitmachen. Diese Animationsprogramm wie ich es mal nennen will, soll doch überwiegend die motivieren, die von sich aus nichts machen. Und das dürften dann doch eher die vorgealterten Senioren sein. Wer mit 80 Jahren noch fit wie ein Turnschuh ist, der braucht keine Beschäftigung, der sucht sich selber etwas, was zu ihm passt.

Aber ich kenne eben auch wahnsinnig viele Senioren aus den Pflegeheimen, die wirklich gepflegt werden müssen und auch geistig nicht ganz auf der Höhe sind. Da kann man sich auch bei den Bewohnern schon vorkommen wie im Kindergarten. Natürlich können die nichts dafür, aber auch die sollten doch irgendwie noch beschäftigt werden. Und da kann es durchaus sein, dass man da mit so einem gefühlten Kindergartenprogramm besser ankommt als mit Feinmotorik.

Natürlich sollte man dann auch schauen, dass man verschieden Programmpunkte anbietet und eben auch für die noch fitteren etwas im Angebot hat. Aber unter Umständen gibt es vielleicht das Seniorenklientel einfach nicht her?

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


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