Inwiefern beeindruckt euch das Drama um Jan Ullrich?

vom 10.08.2018, 22:06 Uhr

Es vergeht ja kaum ein Tag, wo keine neuen Hiobsbotschaften über Jan Ullrich in den Medien verkündigt werden. Mal wird er festgenommen, dann wieder freigelassen, dann kommt ein reuiges Bekenntnis von Ullrich, sich einer Entziehungskur von Alkohol und Drogen zu unterziehen und prompt wird er wieder wegen angeblich versuchten Totschlags an einer Escort-Dame verhaftet. Habt ihr da noch Worte und Erklärungen dafür? Habt ihr noch irgendwelches Verständnis und Mitgefühl für Jan Ullrich oder ist dieses auch schon so langsam aufgebraucht?

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» mikado* » Beiträge: 3037 » Talkpoints: 1.002,67 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Ich glaube einfach, dass viele Leistungssportler große Probleme haben nach ihrer Karriere im "normalen" Leben anzukommen. Natürlich entspricht jetzt eine Finca auf Mallorca neben Til Schweiger vielleicht nicht unbedingt dem, was die meisten von uns als normales Leben ansehen würden. Aber während ihrer Karriere kriegen Leistungssportler ja in aller Regel ein All-Inclusive-Paket. Da gibt es Manger und Berater die sich im alles wichtige im Leben kümmern. Egal ob Wohnung, Versicherung, Essen oder sonstwas. Für alles findet sich irgendwer, der einem die Arbeit abnimmt.

Wenn man dann nach 20 Jahren irgendwie wieder selbst für sich sorgen muss, kann das schon für den ein oder anderen ein Kulturschock sein, mit dem sie nicht klar kommen. Daran können dann eben auch Beziehungen zerbrechen und Familien kaputt gehen. Und ich glaube schon, dass es auch bei den Nichtprominenten Menschen genug gibt, die nach so einem Familiendrama auch massiv von der Spur abkommen. Nur berichtet da halt keiner großartig drüber beziehungsweise wir nehmen sowas dann in der Zeitung nur als Randnotiz war.

Für den Menschen Jan UIlrich hoffe ich einfach, dass er sein Leben wieder auf die Reihe bekommt. Aber es zeigt eben auch, dass man vielleicht das System des Profisports doch irgendwie nochmal überdenken sollte. Er ist ja nun wahrlich keine Ausnahmeerscheinungen als Sportler, der den Einstieg ins normale Leben nicht hinbekommt. Vielleicht sollten da auch Manager und Berater mal darüber nachdenken, ob es nicht doch daran liegen könnte, dass sie ihre Schützlinge viel zu viel aus dem normalen Leben rausnehmen.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Wenig, Sommerloch. Außerdem kann ich mir vorstellen, dass man, um Radrennprofi zu werden, schon eine relativ "extreme" Psyche haben muss, um die hunderte und aberhunderte Kilometer auf dem Drahtesel weit jenseits von Sinn, Verstand und menschlicher Leistungsfähigkeit Jahr führ Jahr abreißen zu können. All das natürlich in dem Wissen, dass man den eigenen Körper kaputtmacht, ständig nur einen Unfall vom Karriere-Aus entfernt ist und sich keine Sau mehr interessiert, sobald man bei der Tour de France "nur" noch in den Top 100 angejapst kommt, obwohl selbst das schon eine übermenschliche Leistung ist.

Und wenn man so einen Gladiator dann vom Rad zerrt, bräuchte derjenige wohl erst mal eine Therapie um im wirklichen Leben anzukommen, aber dann wäre es ja endgültig vorbei mit dem Mythos. Und wovon soll man als Ex-Sportler denn sonst leben, wenn nicht von der Legende? "Verständnis und Mitgefühl" bringe ich trotzdem nicht auf, weil es genügend verkrachte Existenzen gibt, und der einzige Unterschied darin besteht, dass die Leute seinen Namen gerufen haben, als er noch auf dem Rad vorbeisausen konnte.

» Gerbera » Beiträge: 11289 » Talkpoints: 41,52 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Was soll man da noch an Verständnis oder Mitgefühl aufbringen, wenn jemand so aus der Rolle fällt? Ich habe nicht mal Lust, irgendwelche bemühten Erklärungen für einen Profi-Sportler zu finden, der nach seiner Karriere ins Sinn-Loch gefallen ist. Wenn man der Medienberichterstattung Glauben schenkt, dann hat dieser Mann eine Frau bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt, was muss man da noch mehr wissen?

Wäre er der gescheiterte Fliesenleger und Berufsalkoholiker Karsten aus Berlin-Neukölln, der die Gelegenheitsbekanntschaft und Studentin Elisabeth-Christine aus Hintertupfingen auf diese Art angegriffen hätte, würde der jetzt hinter schwedischen Gardinen sitzen und keiner würde sich Gedanken machen oder Mitleid mit ihm (!) haben, sondern ihn als rückgratloses Schwein, dem nicht mehr zu helfen ist, aburteilen. Warum sollte das anders sein, wenn ein angebliches Sport-Idol eine Escortdame auf die Art angreift? Weil er so prominent war, weil es das Berufsrisiko der Prostituierten ist?

Einem durchschnittlichem Bürger mit so einer Vita sind vielleicht noch sehr viel schlimmere Dinge widerfahren, um an diesem Tiefpunkt im Leben anzukommen als einem Prominenten, der schon länger der eigenen Hybris unterlegen ist. Der Mann wird genügend Geld haben oder gehabt haben, um sich die beste Hilfe zu erkaufen, die der Markt zur Vorbeugung psychischer Abstürze und zur Behandlung seines schon lange vorhandenen Alkoholproblems hergibt.

» Verbena » Beiträge: 4780 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Mich juckt das Drama ehrlich gesagt nicht die Bohne und ich verfolge das auch nicht wirklich, wenn ich ehrlich bin. Gescheiterte Existenzen gibt es überall und es gibt überall Menschen, die mit Drogen oder psychischen Problemen oder finanziellen Sorgen zu kämpfen haben. Er ist nicht der erste und einzige Mensch auf diesem Planeten mit einer "Baustelle" und diversen Problemen, die bewältigt werden müssen. Daher finde ich, dass man ihm auch nicht so viel Bedeutung beimessen sollte. Ich bin sicher, wenn wir nicht gerade Sommerloch hätten, würde die Presse sich nicht so auf ihn stürzen.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Wen juckt's wenn in China oder sonst wo ein Sack Reis umfällt? Niemanden! Denke mal, hab's gerade auch schon gesehen, das hitzige Sommerloch verleitet viele platt-denkende Manschen so etwas hochzuhängen.

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» Fuzzy! » Beiträge: 3 » Talkpoints: 0,63 »


Überhaupt nicht! Er ist ein erwachsener Mann, der sehr wohl weiß, was richtig und was falsch ist. Ich lasse das Argument auch nicht gelten, dass man von Ruhm nun gefallen ist. Damit muss auch jeder, der sich entsprechend verhält selber umgehen. Das wäre jetzt so, als wenn Boris Becker nun auch besoffen durch die Gegend torkelt, eine Prostituierte würgt usw. Läuft bei mir nicht. Ausreden suchen, da ist Herr Ulrich gut drin, statt die Fehler bei sich zu suchen.

Klar wirkt er auf den Zuschauer wie ein Schatten seiner selbst. Sowas sieht man vielleicht nicht immer. Ich schon. Ich kenne Menschen, die von 3.500 Euro Lohn ganz weit unten auf den Straßen gelandet sind, ich kenne Prostituierte, die eine Vergewaltigung nach der nächsten erlebt haben und abstumpfen, ich kenne Frauenschläger, Opfer und vieles mehr. Das ist mein täglicher Beruf und dadurch schockt mich natürlich auch der Herr Ulrich in seinem Delirium-Absturz nicht mehr wirklich. Es ist nur traurig, wie schnell so etwas gehen kann, aber das geht schneller, als es manch einem lieb sein könnte.

Eine Frau, die ich kenne, war vorher sehr gut situiert. Hatte einen Mann und 2 Kinder. Aufgrund eines Unfalls sind die drei liebsten Dinge in ihrem leben verstorben. Seither ist sie Alkoholikerin und obdachlos. Eine ganz liebe Seele, die auch immer mit sich selber kommuniziert. Sehr tragisch, aber es geht oftmals sehr schnell.

Er hat sich einfach nicht unter Kontrolle. Dann funktioniert es natürlich auch nicht mehr alles so, wie er gerne möchte. Früher hätte man da und da mal ein Auge zugedrückt usw. Kohle ist auch offenbar kaum welche da und fertig. So einfach geht der Sturz eines millionenschweren Radfahrers glanzvoll nach unten. Beeindruckt mich nicht.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



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