Literatur interpretieren - Biografie des Autors wichtig?

vom 29.09.2008, 21:27 Uhr

In der Literatur gilt es oft in der Interpretation sich dafür zu entscheiden, ob man den Lebenslauf des jeweiligen Autoren mit einbezieht oder ihn ausspart und sich dem Werk unvorbereitet und frisch nähert. Ich war lange der Meinung, zweitere Herangehensweise sei ergiebiger und frischer, aber seit ich die Entdeckung gemacht habe, wie sehr sich jedes eigene Leben in den Menschen einprägt, bin ich zu der strikten Überzeugung konvertiert, dass das Lebenswerk Interpretationsgrundlage sein muss.

Da ich also beide Seiten vertreten habe, hätte ich gerne noch ein paar weitere Meinungen. Also, lasst euch nicht lange bitten! Was denkt ihr?

» Sandro22 » Beiträge: 28 » Talkpoints: 0,16 »



In der Forschung sind beide Richtungen vertreten: die einen sagen, dass sich der Lebenslauf, die Umgebung und die Psychologie eines Autors stark in seinen Werken widerspiegelt; andere sagen, dass man auf keinen Fall den Autor und sein Umfeld in eine Interpretation einbeziehen soll.

Ich habe es immer so gehalten, dass ich erst einmal den Text unabhängig vom Umfeld und dem Lebenslauf des Autors versuche zu verstehen und zu interpretieren und dann in einem nächsten Schritt schaue, ob sich Parallelen zwischen markanten Dinge aus dem Umfeld des Autors und dem Text erkennen lassen.

Ich fände es nicht gut, wenn man einen Text nur danach interpretiert, was sich wie aus dem Leben das Autors wiederspiegelt, denn das ist sehr einseitig. Die richtige Mischung macht es praktisch aus ;-)

» hydrogirl » Beiträge: 305 » Talkpoints: 1,58 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Das ist eine sehr interessante Frage, Sandro, die so leicht auch nicht zu beantworten ist. Wenn man die Biografie des Autors oder auch die Umstände, unter denen das Werk entstanden ist, in seine Interpretation mit einbezieht oder sogar in deren Mittelpunkt rückt, spricht man von einem positivistischen Interpretationsansatz. Diese Herangehensweise an ein literarisches Werk wird im Schulunterricht oftmals von der älteren Lehrergeneration bevorzugt und ist an sich auch schon veraltet. Im Studium wird dieser Ansatz auch berücksichtigt, ist aber bei weitem nicht für eine sinnvolle Interpretation ausreichend. Oftmals etscheidet dann das zu interpretierende Werk darüber, wie stark man diesen Ansatz berücksichtigen sollte.

Sehr stark davon unterscheidet sich der werkimmanente Ansatz, der zeitgemäßer ist und bei dem sich der Interpretierende ausschlißlich auf den Text konzentriert. Dies ist normalerweise leichter, kann aber bei schwierigen Passagen aber auch unlösbar werden, da man sich diese nur unter Bezugnahme zu gewissen Zeitumständen oder Autoreninformationen entschlüsseln kann.

Neben diesen beiden Ansätzen gibt es noch eine Reihe anderer, teilweise sehr spezieller und nicht auf jedes beliebige Werk anwendbare Interpretationsansätze. Dazu gehören etwa der Leserpsychologische, Feministische oder verschiedene Poststrukturalistische Ansätze.

Wie Hydrogirl schon gesagt hat, ist es oftmals am sinnvollsten, eine Interpretation zu verfassen, in der - möglicherweise in verschiedene Abschnitte unterteilt - alle Interpretationsansätze an den geeigneten Stellen angewendet werden. Außer der Lehrer oder Dozent legt auf einen der Ansätze besonders großen Wert. Das sollte er dann aber vorher oder in der Aufgabenstellung ausdrücklich erwähnen.

» Charlie Brown » Beiträge: 707 » Talkpoints: 7,44 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich finde schon, dass die Biografie eines Autors sehr wichtig für die Interpretation seiner Werke ist. Das habe ich dabei erst wieder bei meiner Bachelorarbeit festgestellt. Da habe ich über ein Werk von Max Frisch geschrieben, wobei ich mich vorher auch mit seiner Biografie beschäftigt habe. Diese war dann letzten Ends einfach enorm wichtig für das ganze Stück und sonst hätte ich es einfach nicht richtig interpretieren können, zumal das, was ich herausgefunden habe, auch nicht in fertigen Interpretationen zu finden war.

Ich habe beispielsweise herausgefunden, dass Max Frisch sich sehr für den Psychologen Jung interessierte und auch in einigen Seminaren von ihm war, als Jung noch an der Uni unterrichtete. Auch wenn Frisch etwas anderes studierte, hatte er dennoch Interesse an den Ansichten Jungs. So war es dann nicht verwunderlich, dass ich dann Theorien Jungs in Frischs Werk gefunden habe, die sich auf ihn zurückführen ließen.

Frisch bekannte sich jedoch selbst nicht offen dazu, sich an Jung orientiert zu haben. Wissen konnte man das also nur, wenn man sich auch mit der Biografie beschäftigt hat und von daher würde ich das nun auch immer wieder so machen. Ich finde es wichtig, sich erst mit dem Leben eines Autors zu beschäftigen und dann zu schauen, ob es vielleicht irgendwelche Parallelen gibt.

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge



Es kommt meiner Meinung nach immer darauf an, ob die Biografie des Autors wichtig für das Werk ist. Ein wenig sollte man immer über ihn sagen, wenn sein Leben jedoch das Buch beeinflusst hat, dann muss man es auf jeden Fall miteinbeziehen. Wenn man zum Beispiel die Leiden des jungen Werthers interpretiert, ist es unmöglich, nichts über Goethes Leben zu schreiben.

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» Krisibub » Beiträge: 518 » Talkpoints: 2,81 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Kommt es nicht darauf an, wie tief man in die Materie eintauchen möchte? Wenn ich zum Beispiel an die Schulzeit und Oberstufe zurückdenke, dann wurde die Biografie des Autors eigentlich nie näher thematisiert. Da hat man die Werke und Dramen immer separat interpretiert und analysiert. Ich bin in dem Fall dann immer davon ausgegangen, dass die Biografie des Autors nicht so immens wichtig war, sonst hätte man das ja erwähnt oder thematisiert. Im Studium kann das aber natürlich anders aussehen, je nachdem, was man studiert. Für mein Studium war es bisher nie relevant, sich näher mit der Biografie von Autoren zu befassen. Das hätte bei den Thematiken auch gar nichts gebracht.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


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