Mut und Kraft nötig um unglücklich zu sein?

vom 22.05.2017, 12:01 Uhr

Ich habe neulich eine sehr interessante Aussage gehört. Es ging dabei um eine Freundin. Meine Freundin hatte einen Beruf erlernt, mit dem sie im Endeffekt nicht wirklich zufrieden war und der sie nicht glücklich gemacht hat. Zusätzlich war sie schon lange nicht mehr glücklich in ihrer Beziehung und es passte wohl einfach nicht mehr. Auch lebte sie in einer Gegend, die sie unglücklich machte. So war sie ihrem Partner zu Liebe aufs Land gezogen, obwohl sie eher Stadtmensch war. Sie mochte auch die Mentalität der Landmenschen und Nachbarn nicht und fühlte sich durch die permanente soziale Kontrolle nicht wohl. Sie war im Endeffekt also unglücklich und unzufrieden und wollte etwas ändern.

Sie hat dann auch hin und her überlegt und hat dann beschlossen, einen Schlussstrich zu ziehen und woanders komplett neu anzufangen. Sie trennte sich von ihrem Partner, sie zog in die Stadt, machte eine komplett andere Ausbildung und hat mittlerweile einen guten Job in der Stadt. Sie ist glücklich und zufrieden, auch wenn die Beziehung in die Brüche ging und sie aktuell Single ist. Sie sagt selbst, dass sie nicht die Kraft gehabt hätte, ihr Leben lang unglücklich zu sein. Ihrer Meinung nach würde es viel Kraft kosten, wenn man an einer unglücklichen und unzufriedenen Situation gar nichts ändern würde.

Ich finde diese Sichtweise schon interessant. Wenn ich so manche Menschen ansehe, dann habe ich eher den Eindruck, dass es genau anders herum ist. Also dass es viel mehr Kraft kosten würde, auszubrechen aus einer unglücklichen Situation und Dinge zu verändern. Dass man es auch anders sehen kann, war mir gar nicht bewusst. Wie seht ihr das? Kostet es eurer Meinung nach mehr Kraft, in einer unglücklichen und unzufriedenen Situation zu verharren oder auszubrechen, Dinge zu verändern, damit man doch noch glücklich ist?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Diese Sichtweise ist wirklich interessant und auch bewundernswert, dass deine Freundin diesen großen Schritt der Veränderung gemacht hat. Ich denke, dass viele vielleicht Angst vor diesem Schritt haben und deswegen lieber Jahre lang unglücklich leben. Diese betrachten es meist eher auf die übliche Weise und meinen, dass es sicherlich viel mehr Kraft kostet, wenn man eben alles umkrempelt und einen Neuanfang wagt.

Ich denke auch, dass es schwer ist, sich eben vorzustellen, dass ein solcher Schritt nur eine gewisse Zeit Kraft kostet und es einem danach deutlich besser gehen wird. Die Meisten werden da eher kurzfristig denken und nicht auf lange Sicht, was ihnen dann gut tun würde.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


Ich glaube zum Unglücklichsein braucht man keine Kraft. Man hält es einfach aus und zerbricht daran. Was soll daran mutig sein oder kräftig? Das ist einfach etwas, was man über sich ergehen lässt. Ich finde es toll, dass sie etwas geändert hat und das finde ich stark und mutig. Aus dieser Situation zu entfliehen war sicher nicht leicht, aber sie hat es gewagt. Einfach weitermachen wäre leicht gewesen, etwas ändern war schwer und stark.

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» Ramones » Beiträge: 47758 » Talkpoints: 8,52 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Welchen Mut und welche Kraft kostet es denn, wenn man einfach verharrt und sich hängen lässt? Das ist doch der bequemste Weg, der gern dann noch mit viel Jammer und die Schuld auf alle anderen schieben garniert wird. Es gibt allerdings noch einen anderen Weg, der dann tatsächlich Mut und Kraft kostet.

Das ist, wenn man nicht ausbricht und alles neu beginnt, sondern zu seiner Entscheidung steht und das beste daraus macht. Denn diesen Weg gibt es neben der Resignation und dem Ausbruch auch noch. Und der erfordert tatsächlich Mut und Kraft und Ausdauer, aber auch er kann sich lohnen.

» cooper75 » Beiträge: 13444 » Talkpoints: 523,22 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Dass es Kraft kostet und an der Psyche zerrt, dauerhaft in einer Situation auszuharren, die einen unglücklich macht und sich in dem vergeblichen Versuch aufzureiben, das "Beste" daraus zu machen, halte ich für nachvollziehbar. Aber das heißt ja nicht unbedingt, dass dafür ein großes Reservoir an Kraft und Seelenstärke vorhanden war, welches im Zustand der Unzufriedenheit allmählich leer läuft. Man kann auch mit einer sowieso schon schwächlichen Psyche ins Unglück geraten und darunter leiden, aber das heißt ja nicht, dass man pauschal über Seelenstärke verfügt, wenn man sie auch einbüßen kann.

Ich bin von daher der Ansicht, dass sowohl ein Leben, welches einen nicht glücklich oder zumindest zufrieden macht, an den Kräften zehrt, aber der Versuch, sein Leben wieder in erfolgreichere Bahnen zu lenken, nicht minder. Nicht jeder, der in einer nicht zufriedenstellenden Situation lebt, ist deswegen ein schwacher Mensch. Manchmal muss man sich tatsächlich arrangieren und ausharren, und kann den Krempel nicht einfach hinschmeißen. Und nicht jeder, der auf der Suche nach dem persönlichen Glück alle Brücken abbricht und es als C-Promi oder was auch immer versucht, ist automatisch ein mutigerer und stärkerer Mensch als jemand, der sich im Alltag versucht durchzubeißen. Ich finde daher, dass man von dem subjektiven Gefühl des Unglücklichseins prinzipiell nicht auf Charakterstärke oder Mangel derselben schließen kann.

» Gerbera » Beiträge: 11336 » Talkpoints: 53,95 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Ich denke, dass man nicht aktiv Kraft braucht, um unglücklich zu sein, sondern dass das Unglücklichsein einem einfach jegliche Kraft raubt. Man sitzt dann einfach nur noch wie ein Häufchen Elend da und es fehlt teilweise sogar die Kraft zum Aufstehen morgens. Was das ganze mit Mut zu tun hat, erschließt sich mir nicht.

Ich denke, den Mut und die Kraft hat Deine Freundin vor allem dazu gebraucht, um aus diesem Leben auszubrechen, wobei das Erkennen dessen, was sich ändern muss, auch die Fähigkeit zur Selbstreflektion voraussetzt. Viele sitzen ja nur da und sagen: "Alles ist doof!", ohne wirklich benennen zu können, was ihnen nicht gefällt und sie unglücklich macht.

» rasenderrolli » Beiträge: 1058 » Talkpoints: 16,66 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


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