Einführung von Notaufnahme Gebühr für euch sinnvoll?

vom 07.10.2016, 12:17 Uhr

Zitronengras hat geschrieben:Als ich in der Notaufnahme war, waren da nur wenige Leute und ich kam sofort dran. Ich hatte nicht den Eindruck, dass ich irgendwelchen gerade am Abnippeln begriffenen Personen den Arzt wegnehme. Und als ich mal jemanden in die Notaufnahme gebracht habe, da war die leer. Wir mussten aber dennoch lange warten, weil eine neue Schwester an der Anmeldung saß, die Probleme mit dem PC hatte.

Es reicht auch, wenn man dafür sorgt, das der Arzt bei einer 24 Stundenbereitschaft nach 20 Stunden wach sein immer noch nicht schlafen darf, weil jemand mit einer Lapalie kommt. Ich möchte dich gerne mal sehen, wenn du 20 Stunden am Stück wach bist und dazu noch nicht mal eine Pause zum essen machen durftest, wie gut du dich dann noch konzentrieren kannst. Aber ein Arzt muss auch dann noch zu jederzeit hellwach und konzentriert sein.

Übrigens woher weißt du, das eine Notaufnahme nur weil sie leer ist, nicht doch eine Menge zu tun hat? Die meisten Notaufnahmen die ich kenne, da bekommt man gar nicht mit, wenn jemand per Rettungswagen angeliefert wird, weil das über einen anderen Eingang und auch Gang erfolgt.

Deine Schilderung folgt einem Muster, was man öfters mal liest oder hört. Das geht in die Richtung von „Ich habe diese unglaublichen Anstrengungen auf mich genommen, weil ich so tapfer bin und dann sollen alle anderen, die nicht auch all das auf sich nehmen, sich ganz doll schämen“. Schön, wenn du die Zeit beim Arzt nachgearbeitet hast. Es ist dein Leben. Wenn du das so machen willst, dann kannst du das gerne tun. Aber ich hätte keine Lust dazu. Und nur weil du es so organisiert hast, kannst du nicht von anderen fordern, dass sie es auch so zu machen haben.

Das ist kein Muster und das sind auch keine unglaublichen Anstrengungen, das ist das wovon das Solidaritätsprinzip in dem wir leben überhaupt überleben kann und das was jeder Mensch zu leisten hat ohne sich dabei einen Zacken aus der Krone zu brechen und ich rede nicht davon, das ich das so machen will, sondern das ich das System nicht über Gebühr strapaziere. Und ja ich finde es schon bedauerlich, wie sehr du auf dein Recht beharrst und meinst du zuerst ohne Rücksicht auf Verluste.

Ja das ist halt sein Beruf, da habe ich jetzt kein Mitleid. Wenn ich für irgendwo anders Schlafen 35 Euro in der Stunde bekäme, würde ich das gerne machen. Da würde ich das jede Nacht machen. Wenn es dem Arzt nicht gefällt, hätte er halt einen anderen Job machen müssen. Dafür kann er dann am Ende des Monats auf ein stattliches Gehalt schauen, da müssen wir jetzt keine Mitleids-Jammertüte für die Ärzte aufmachen.

Du wirst aber eben nicht fürs Schlafen bezahlt, sondern eben auch dafür das du unter Umständen 24 Stunden am Stück wach bist, keine Zeit zum Essen hast und mit viel Glück dir mal einen Kaffee im Gehen reinziehst. Ich finde da sind 35 Euro die Stunde massiv unterbezahlt.

Und ich bin ehrlich, ich möchte weder Arzt sein der im Monat seine 250-300 Stunden arbeitet inklusive Nachtschichten, Wochenend- und Feiertagsdiensten für das Gehalt was ein Arzt oder Assistenzarzt bekommt, noch möchte ich ein Krankenhaus leiten und versuchen dies wirtschaftlich zu führen, denn nichts anderes ist ein Krankenhaus ein Wirtschaftsunternehmen.

Ständig wird gemeckert, dass es zu wenig Ärzte, zu wenig Pflegepersonal etc. gibt, nun die wollen aber auch alle bezahlt werden und es gibt eben in Krankenhäusern Abteilungen die immer nur im Minus wirtschaften, unter anderem die Notaufnahme, die müssen nun mal über andere Abteilungen aufgefangen werden und da muss dann eben geschaut werden, wo gespart werden kann um die finanziellen Löcher wieder auszugleichen.

Wenn das nicht gelingt, dann droht im schlimmsten Fall die Schließung eines Krankenhauses und ja auch sowas gibt es, ich selber kenne zwei Kliniken die geschlossen wurden, weil sie die Defizite nicht mehr auffangen konnten. Ehrlich gesagt finde ich das viel schlimmer, wenn man dann bei einem wirklich Notfall erst noch 20-30 km zurücklegen muss und jeder weiß die Zeit kann über Leben und Tod entscheiden oder ob ich vorher meine Arztbesuche etwas anders plane ohne nur auf meine eigene Bequemlichkeit zu schauen.

Also ich weiß nicht, was du für „gut ausgebildete Akademiker“ kennst, aber ich würde mich auch als gut ausgebildeten Akademiker bezeichnen und ich bekomme als Angestellte keine 35 Euro in der Stunde und ich kenne auch keinen Akademiker, der so viel verdient.

Ich kenne einige die bei einer normalen 37,5 bis 40 Stunden Woche ohne Schicht oder Wochenendarbeit einen Stundenlohn von 35 und mehr Euro aufweisen können (ohne Überstunden gerechnet) und da sind sogar vereinzelt Personen zwischen, die kein Studium absolviert haben. Es kommt nun mal immer auch auf die Branche an in der man arbeitet.

Der Arzt hat außerdem mit mir noch ein Schwätzchen über Sitzbezüge im Auto gehalten und mir erzählt, was er sich neulich so alles online bestellt hat, da habe ich nicht den Eindruck gehabt, dass er dringende andere Patienten gehabt hätte. Du kannst aber gerne weiter an das Märchen vom ständig vielbeschäftigten Arzt glauben, wenn du möchtest.

Nur weil du jetzt einmal das Glück hattest einen Arzt erwischt zu haben, der vielleicht mal 15 Minuten Zeit hatte, heißt das im Umkehrschluss aber nicht, das deswegen alle Ärzte unendlich viel Zeit hatten. Aber scheinbar ist bei dir ja alles anders, Notaufnahme ist leer, die Ärzte haben unendlich viel Zeit.

Die Krankenkasse macht mit mir also ein fettes Plus. Was machen die mit dem Geld, wofür wird denn das verpulvert? Das ist ein sehr sehr schlechtes Preis-Leistungsverhältnis für alle, die nicht ständig irgendwas haben.

Nein, ist es eben nicht, denn im Endeffekt schaffst du dir jetzt ein Plus das du in späteren Jahren sicherlich auch in Anspruch nehmen wirst genauso wie du mit deinen Beiträgen auch diejenigen mitfinanzierst, die keine Beiträge einzahlen, aber eben auch Anspruch auf medizinische Versorgung haben.

Das Modell das jeder sein Geld selber an die Seite legt und dann bezahlt wenn er etwas hat, gibt es in Deutschland nun mal nicht, denn dann hätten wir eine Zweiklassengesellschaft, nämlich diejenigen die sich alles leisten können und diejenigen die sich gar keinen Arzttermin leisten können, egal um was es geht.

» StarChild » Beiträge: 1405 » Talkpoints: 36,05 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Es reicht auch, wenn man dafür sorgt, das der Arzt bei einer 24 Stundenbereitschaft nach 20 Stunden wach sein immer noch nicht schlafen darf, weil jemand mit einer Lapalie kommt.

Egal, was man schreibt, du findest immer noch einen Grund, drauf herumzuhacken oder? Erst hat man anderen Patienten den Arzt weggenommen und wenn man das widerlegt, dann ist man der böse Patient, der den Arzt wachhält. Was kommt denn als nächstes? Hab ich dem Arzt vielleicht noch den Appetit verdorben oder ihn bei philosophischen Gedankengängen gestört und darum am Erhalt des Nobelpreises gehindert?

Ich möchte dich gerne mal sehen, wenn du 20 Stunden am Stück wach bist und dazu noch nicht mal eine Pause zum essen machen durftest, wie gut du dich dann noch konzentrieren kannst. Aber ein Arzt muss auch dann noch zu jederzeit hellwach und konzentriert sein.

Da kannst du mich gerne sehen, da gibt es nichts Besonders zu sehen; ich habe auch schon Nächte durchgemacht und bin am nächsten Tag ohne zu schlafen arbeiten gefahren. Das mag nicht angenehm sein, aber die Welt geht deswegen auch nicht unter.

Nur weil du jetzt einmal das Glück hattest einen Arzt erwischt zu haben, der vielleicht mal 15 Minuten Zeit hatte, heißt das im Umkehrschluss aber nicht, das deswegen alle Ärzte unendlich viel Zeit hatten. Aber scheinbar ist bei dir ja alles anders, Notaufnahme ist leer, die Ärzte haben unendlich viel Zeit.

Ich hab nicht gesagt, dass Ärzte immer viel Zeit haben und Notaufnahmen immer leer sind. Aber ständig beschäftigt und kurz vorm Kollaps sind sie halt auch nicht. Es mag bei Ärzten, genauso wie in allen anderen Berufen auch, mal stressige Phasen geben. Aber ich gehe nicht konform damit, dass manche so tun, als wäre das Dauerzustand und dann noch großartiges Mitleid fordern.

Das Modell das jeder sein Geld selber an die Seite legt und dann bezahlt wenn er etwas hat, gibt es in Deutschland nun mal nicht, denn dann hätten wir eine Zweiklassengesellschaft, nämlich diejenigen die sich alles leisten können und diejenigen die sich gar keinen Arzttermin leisten können, egal um was es geht.

Also ich fände es am besten, wenn das subventioniert wird. Wenn wir einen geringeren Krankenkassensatz hätten, sodass nicht so viel vom Lohn dafür drauf geht, was ja besonders ärgerlich ist, wenn man das gar nicht nutzt. Sondern wenn der Staat da was dazu geben würde und dafür andere, sinnlose Ausgaben weglassen würde. Da hätten wir dennoch einen Sozialstaat und dennoch müssten wir nicht so viel Geld für die Krankenversicherung ausgeben.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Talkmaster am 09.10.2016, 23:48, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen

Zitronengras hat geschrieben:Ich hab nicht gesagt, dass Ärzte immer viel Zeit haben und Notaufnahmen immer leer sind. Aber ständig beschäftigt und kurz vorm Kollaps sind sie halt auch nicht. Es mag bei Ärzten, genauso wie in allen anderen Berufen auch, mal stressige Phasen geben. Aber ich gehe nicht konform damit, dass manche so tun, als wäre das Dauerzustand und dann noch großartiges Mitleid fordern.

Zum einen sagt ja keiner, dass es immer und überall so ist. Es ist aber die Regel, dass formaler Bereitschaftsdienst kein echter Bereitschaftsdienst ist. Hier geht es aber um den Grundsatz, dass die echte Notfallversorgung zunehmend unter Bagatellkranken leidet. Natürlich muss keiner wegen dir länger warten, wenn du ganze Notaufnahme leer ist. Aber das ist ja nicht immer so. Es kommt ja auch oft vor, dass Bagatellkranke und Notfälle zusammenkommen. Aber schon allein um das fundiert auseinander zu halten, muss man zumindest versuchen zunächst jeden Patienten zeitnah zu sichten. Und das kann dann eben auch mal dazu führen, dass in Stoßzeiten Notfallpatienten länger warten müssen.

Desweiteren sind die 35 Euro die ich hier veranschlagt habe für den Großteil der dienstleistender Ärzteschaft das obere Ende der Fahnenstange, viele gehen für 25-28 Euro brutto die Stunde für 24 Stunden arbeiten. Wenn ich jetzt den öffentlichen Dienst mal als Vergleichsgruppe nehme, entspricht der Arzt mindestens der Stufe 13, da Hochschulabschluss. Da werden umgerechnet auch circa 21-22 Euro die Stunde für den Anfänger aufgerufen. Also soviel weniger ist das jetzt nicht. Von Banken, Autofirmen oder anderen Privatunternehmen mal ganz zu schweigen.

Natürlich verdienen Ärzte am Monatsende gut, aber einen nicht unerheblichen Teil dieses guten Verdienstes erwirtschaften sie schlichtweg indem sie 1,5-2 mal soviel arbeiten wie der Großteil der Bevölkerung.

Auch dein HNO-Beispiel wird nicht besser. Auch wenn du tagsüber da warst, hast du grundsätzlich den Stationsarzt davon abgehalten, seine Stationsarbeit zu erledigen für die er eigentlich da war. In deinem Fall hast du scheinbar Glück gehabt, dass entweder wenig auf Station los war oder du einen fähigen Arzt hattest, der seine Station soweit im Griff hatte, dass er sogar für ein Schwätzchen mit dir Zeit hatte. Aber nichts desto trotz, macht er die Notfallpatienten nebenbei, neben seiner eigentlichen Tätigkeit. Die Realität in deutschen Krankenhäusern zeigt aber, dass ohne dass die Menschen wirklich kränker geworden sind, sich die Zahl der Notaufnahmepatienten in vielen Krankenhäuser in den letzten 10 Jahren verdoppelt hat.

Das Problem an sich kann man nur auf zwei Arten lösen. Das erste wäre grundsätzlich mehr Ärzte einzustellen, entweder im ambulanten Bereich um die Patienten aus den Notaufnahmen fern zu halten oder im stationären Bereich um das Aufkommen besser managen zu können. Das wird aber schon allein daran scheitern, dass es dafür nicht genügend Ärzte gibt oder nicht genügend ausgebildet sind. Wie auch immer de facto sind sie nicht da.

Das zweite wäre eben mehr Gesundheitserziehung. Patientenberatung und mehr Eigenverantwortung. Es kann nicht sein, dass man als Notfallpatient kommt und dann Samstag Abend erzählt, man habe seit 4 Wochen Rückenschmerzen oder seit 1 Woche Sodbrennen und solche Späße. Und genau das ist leider Realität in deutschen Krankenhäusern, genauso wie der Missbrauch des Rettungsdienstes als rotweißes Taxiunternehmen. Und ich glaube nur, wenn man solche Sachen ordentlich in Rechnung stellt, wird sich hier etwas ändern können. Dafür werden ab 10 oder 20 Euro nicht reichen.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Ich finde eine solche Gebühr sehr gut. Nachteile sehe ich keine. Man müsste allerdings abklären, wie es sich bei Nicht-Deutschen verhält. Diesen kann man ja schlecht eine Rechnung nach Moskau oder New York schicken.

» Sternenbande » Beiträge: 1860 » Talkpoints: 70,16 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Zum einen sagt ja keiner, dass es immer und überall so ist. Es ist aber die Regel, dass formaler Bereitschaftsdienst kein echter Bereitschaftsdienst ist. Hier geht es aber um den Grundsatz, dass die echte Notfallversorgung zunehmend unter Bagatellkranken leidet.

Das streite ich ja nicht ab. Aber ich finde, man sollte dann nicht versuchen, die „Bagatellkranken“ davon abzuhalten. Ich würde mal vermuten, dass diese „Bagatellkranken“ sich wirklich ernsthafte Sorgen um ihre Gesundheit machen und deswegen zur Notaufnahme gehen. Und da sollte man sich lieber Gedanken machen, wie man den Menschen helfen kann, wie man diese besser begleiten kann, anstatt sie mit Strafgebühren abzuschrecken.

Es muss ja ein Bedürfnis geben, was dahinter steht, wenn Menschen in die Notaufnahme gehen. Dann sind diese Leute offenbar mit den anderen möglichen Behandlungsoptionen nicht zufrieden oder fühlen sich da nicht gut genug aufgehoben. Das wäre für mich der Ansatzpunkt. Was kann man an den anderen Optionen verbessern, sodass Menschen sich dort besser aufgehoben fühlen?

Ein Punkt kann eben sein, dass Ärzte problematische Sprechzeiten haben, die manche beruflich nicht wahrnehmen können. Was könnte man da tun, um das zu ändern? Manche Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern Karenztage. Da brauchen sie keine Krankmeldung bringen und können einfach so mal krank machen, das kann man beispielsweise für einen Arztbesuch nutzen. Das wäre etwa eine Option. Da hätte ich mir dann beispielsweise einen solchen Karenztag genommen und mir einen HNO-Arzt gesucht, anstatt dass ich trotz Beschwerden auf Arbeit gegangen wäre und dann in der Mittagspause zur Notaufnahme gegangen wäre.

Man könnte beispielsweise gesetzlich festlegen, dass jeder Mitarbeiter im Jahr drei Tage hat, die er für Arzttermine auch kurzfristig frei machen kann. Vielleicht noch mit Nachweis, dass man wirklich beim Arzt war. Das wäre in meiner Situation wirklich hilfreich gewesen, da hätte ich nicht zur Notaufnahme gehen müssen. Man könnte genauso gesetzlich festlegen, dass Unternehmen ab einer bestimmten Größe eine Betriebsschwester haben müssen. Das würde bestimmt auch manchmal helfen, wenn man Beschwerden hat und deswegen nicht gleich zum Arzt gehen will oder kann.

Oder man könnte Ärzte, die eine Praxis haben, dazu zwingen, dass sie einmal im Monat einen Tag im Krankenhaus arbeiten, in der Notaufnahme vielleicht oder jeden Arzt zwingen, dass er in einem bestimmten Abschnitt seiner Berufskarriere in der Notaufnahme arbeiten muss. Solche ähnlichen Regelungen sind ja bei anderen Berufsgruppen auch vorhanden. Ich weiß beispielsweise von einer Bekannten, dass eine Ergotherapeutin sich erst dann mit einer Praxis selbstständig machen darf, wenn sie mindestens zwei Jahre in einer Klinik gearbeitet hat.

Man könnte Gemeindeschwestern einstellen, die man bei Problemen anrufen kann und die dann zu einem kommen. Meine Mutter war auch früher Gemeindeschwester. Warum gibt es das heute nicht mehr? Das war doch eine sehr sinnvolle Einrichtung.

Desweiteren sind die 35 Euro die ich hier veranschlagt habe für den Großteil der dienstleistender Ärzteschaft das obere Ende der Fahnenstange, viele gehen für 25-28 Euro brutto die Stunde für 24 Stunden arbeiten. Wenn ich jetzt den öffentlichen Dienst mal als Vergleichsgruppe nehme, entspricht der Arzt mindestens der Stufe 13, da Hochschulabschluss. Da werden umgerechnet auch circa 21-22 Euro die Stunde für den Anfänger aufgerufen. Also soviel weniger ist das jetzt nicht. Von Banken, Autofirmen oder anderen Privatunternehmen mal ganz zu schweigen.

Ich habe mal in der Tariftabelle nachgeschaut. Das sind in Stufe 13 am Anfang 3200 Euro brutto im Monat. Das mag jetzt nicht üppig viel sein. Aber es ist auch nicht wenig. Und man rutscht mit längerer Beschäftigungsdauer auch in den Stufen höher. Zudem hat der Arzt das in seiner Klinik von Anfang an. Bei anderen Studienfächern hat man am Anfang beim Berufseinstieg Glück, wenn man überhaupt in die Nähe dessen kommt. Bei meinem Berufseinstieg war es beispielsweise über ein Tausender weniger.

Natürlich verdienen Ärzte am Monatsende gut, aber einen nicht unerheblichen Teil dieses guten Verdienstes erwirtschaften sie schlichtweg indem sie 1,5-2 mal soviel arbeiten wie der Großteil der Bevölkerung.

Ja, aber das wissen sie halt vorher. Ich finde es mühsig, wenn man sich darüber beschwert, dass Ärzte mehr arbeiten als andere. Die haben sich den Job ausgesucht und können auch dessen Annehmlichkeiten genießen. Vielleicht gäbe es auch in andern Jobs Menschen, die gerne viele Überstunden machen würden, weil sie gern viel verdienen, aber die können die Überstunden gar nicht leisten, weil das die Tätigkeit nicht hergibt. Ich hätte beispielsweise nach Abschluss meines Studiums kein Problem damit gehabt, jeden Tag noch Überstunden zu machen und dafür die Überstundenzuschläge zu kassieren. Aber das konnte ich nicht, das war nicht vorgesehen.

Auch dein HNO-Beispiel wird nicht besser. Auch wenn du tagsüber da warst, hast du grundsätzlich den Stationsarzt davon abgehalten, seine Stationsarbeit zu erledigen für die er eigentlich da war. In deinem Fall hast du scheinbar Glück gehabt, dass entweder wenig auf Station los war oder du einen fähigen Arzt hattest, der seine Station soweit im Griff hatte, dass er sogar für ein Schwätzchen mit dir Zeit hatte.

Wir wissen aber nicht, wie die Situation des Arztes war. Mein Orthopäde hat auch manchmal solche Lücken zwischendurch, dass er sich mit einem Buch in seinen Raum setzt und liest. Das habe ich schon öfters gesehen, wenn ich da klopfe. Da sitzt er und liest. Es kann also auch Ärzte geben, die nichts zu tun haben. Und ob das bei dem HNO-Arzt so war oder nicht, wissen wir nicht.

Das zweite wäre eben mehr Gesundheitserziehung. Patientenberatung und mehr Eigenverantwortung. Es kann nicht sein, dass man als Notfallpatient kommt und dann Samstag Abend erzählt, man habe seit 4 Wochen Rückenschmerzen oder seit 1 Woche Sodbrennen und solche Späße. Und genau das ist leider Realität in deutschen Krankenhäusern, genauso wie der Missbrauch des Rettungsdienstes als rotweißes Taxiunternehmen. Und ich glaube nur, wenn man solche Sachen ordentlich in Rechnung stellt, wird sich hier etwas ändern können. Dafür werden ab 10 oder 20 Euro nicht reichen.

Ich finde es falsch, wenn aus Krankenhäusern Wirtschaftsunternehmen werden. Ich finde, Krankenhäuser sind öffentliche Einrichtungen und da sollten sie nicht privatisiert sein, sondern öffentliches Gut und demzufolge auch Minus machen dürfen, etwa weil sie mehr Ärzte einstellen, und das sollte dann durch die Stadt, das Land oder den Bund ausgeglichen werden. Dann wäre es auch nicht schlimm, wenn Menschen in die Notaufnahme gehen, die nicht gerade am Abnippen sind. Dann wäre es egal, denn dann müsste das Krankenhaus nicht so auf Wirtschaftlichkeit achten.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Zitronengras hat geschrieben:Ich finde es falsch, wenn aus Krankenhäusern Wirtschaftsunternehmen werden. Ich finde, Krankenhäuser sind öffentliche Einrichtungen und da sollten sie nicht privatisiert sein, sondern öffentliches Gut und demzufolge auch Minus machen dürfen, etwa weil sie mehr Ärzte einstellen, und das sollte dann durch die Stadt, das Land oder den Bund ausgeglichen werden. Dann wäre es auch nicht schlimm, wenn Menschen in die Notaufnahme gehen, die nicht gerade am Abnippen sind. Dann wäre es egal, denn dann müsste das Krankenhaus nicht so auf Wirtschaftlichkeit achten.

Aber genau hier beißt sich die Katze ja in den Schwanz. Das Problem ist ja überwiegend nicht, dass die Krankenhäuser keine Ärzte einstellen wollen. Viele Kliniken würden das liebend gerne tun. Aber diese Ärzte gibt es schlichtweg nicht. Zwar werden rein formal mehr Ärzte als früher ausgebildet und es praktizieren auch mehr Ärzte als vor 10 Jahren, aber die Arbeitszeiten haben sich eben auch geändert. So gab es früher durchaus sogar noch 48 Stunden Dienste und mehr beziehungsweise gab es auch viele Vorsorgeuntersuchungen nicht, die jetzt mit angeboten werden. Dadurch fällt zunehmend mehr Arbeit an und die reale Wochenarbeitszeit verkürzt sich von früher gerne über 100 Stunden auf heute 60-70 Stunden.

In meiner Region kenne ich kein einziges Krankenhaus, dass keine freie Stellen hat. Auch die hier in der Region zwischenzeitlich von defizitären Häusern verhängten Einstellungsstopps wurden allesamt aufgehoben. Also den Krankenhäuser, völlig egal ob privat oder kommunal kannst du es eigentlich nicht vorwerfen, dass es nicht genügend Ärzte in den Notaufnahmen gibt.

Auch verstehe ich nicht so ganz, warum man jetzt zwangsläufig niedergelassene Ärzte verdonnern soll in der Notaufnahme zu arbeiten oder extravagante Sprechzeiten einzurichten. Es ist doch eigentlich so, dass der kranke Patient etwas will und dann sollte er sich doch eher nach dem Arzt richten und nicht anders herum. Mein Bürgerbüro hat auch nicht am Sonntag offen und Samstags nur mit Termin. Und trotzdem funktioniert das irgendwie. Auch kann ich mein Auto nicht Samstag Abend um 10 Uhr in der Werkstatt abgeben. Das muss ich halt auch irgendwie einrichten.

Genauso ist es eigentlich keine Argumentation, wenn man sagt, der Arzt weiß ja vorher, dass er viel arbeiten muss. Warum weiß er das denn vorher? Rein formal findet man in allen Kliniken in den Tarifverträgen eine 40-42 Stundenwoche als Grundlage und rein formal steht auch überall dass völlig gesetzeskonform das Leisten von Überstunden nur durch eine freiwillige Opt-Out-Regelung erfolgen kann. Das heißt im Klartext, dass man sich freiwillig bereit erklärt, dass die durchschnittliche Wochenarbeitszeit auf 52 bzw. 60 Stunden erhöht werden kann. Aber alles freiwillig. Das Problem an der Nummer ist jedoch, dass einem erst bei Einstellung gesagt wird, dass man solche Regelungen nicht unterschreiben muss, aber dann auch keinen Arbeitsvertrag bekommt.

Wie gesagt, das System lebt davon, dass noch der Großteil der Ärzte dazu bereit ist, solche Spiele mitzumachen. Aber ich kenne immer mehr Ärzte, die gerade von der Notfallversorgung auf gut Deutsch die Schnauze voll haben, weil es sowohl physisch als auch psychisch an den Kräften zerrt bei 5-6 24 Stundendiensten jeden zweiten Dienst regelrecht durchzuarbeiten. Und wenn die Stimmung da kippt und großflächig die Opt-Out-Regelungen gekündigt werden, dann bricht in Deutschland die Notfallversorgung flächendeckend zusammen, da zur Monatsmitte alle ihre monatliche Arbeitszeit abgeleistet haben.

Und das geht ja nicht nur den Ärzten so, sondern auch den Rettungsdiensten, die im Gegensatz zu den Ärzten auch noch überwiegend schlecht bezahlt werden. Auch viele Krankenpfleger und -schwestern werden zunehmend frustrierter, weil sie sich unter Notaufnahmetätigkeit oftmals doch etwas anderes vorgestellt haben und dann statt Notfälle irgendwelche Lappalien versorgen.

Also schlussendlich hat es der Patient mehr oder weniger selbst in der Hand, dafür zu sorgen, dass die Notfallversorgung zu bezahlbaren Preisen auf hohem Niveau bestehen bleibt.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Auch verstehe ich nicht so ganz, warum man jetzt zwangsläufig niedergelassene Ärzte verdonnern soll in der Notaufnahme zu arbeiten oder extravagante Sprechzeiten einzurichten. Es ist doch eigentlich so, dass der kranke Patient etwas will und dann sollte er sich doch eher nach dem Arzt richten und nicht anders herum. Mein Bürgerbüro hat auch nicht am Sonntag offen und Samstags nur mit Termin. Und trotzdem funktioniert das irgendwie. Auch kann ich mein Auto nicht Samstag Abend um 10 Uhr in der Werkstatt abgeben. Das muss ich halt auch irgendwie einrichten.

Na ja, wenn es einen Ärztemangel gibt, kann man ja fragen, wie der beseitigt werden könnte und ich fände es eine Option, dass man da ein wenig mit Zwang nachhilft. War doch in der DDR auch so und hat funktioniert und heute trauern alle der tollen Gesundheitsversorgung in der DDR nach. Scheint also nicht so zu funktionieren, wenn man immer alles auf Freiwilligkeit setzt.

Dass sich ein kranker Mensch noch nach anderen richten muss, finde ich zu viel verlangt. Er ist ja schließlich krank, dem geht es nicht gut. Der will nicht nur eine neue Frisur, einen Termin im Bürgeramt, neue Reifen oder anderen verzichtbaren Schnickschnack, sondern Gesundheit und das ist so etwas Elementares, dass sich meiner Meinung nach der Staat darum kümmern sollte, dass das auch einfach verfügbar ist.

Genauso ist es eigentlich keine Argumentation, wenn man sagt, der Arzt weiß ja vorher, dass er viel arbeiten muss. Warum weiß er das denn vorher? Rein formal findet man in allen Kliniken in den Tarifverträgen eine 40-42 Stundenwoche als Grundlage und rein formal steht auch überall dass völlig gesetzeskonform das Leisten von Überstunden nur durch eine freiwillige Opt-Out-Regelung erfolgen kann.

Ich würde mal sagen, das weiß er vorher, weil es das Image des Berufes ist. Wenn man sich mit 18 für ein Studium entscheidet, da liest man ja nicht irgendwelche Tarifverträge oder kennt gar solche Regelungen, sondern man hat ein Bild von dem Beruf, orientiert sich an dem Image und das Image des Arztberufes ist es nicht, dass der Arzt um 15 Uhr alles fallen lassen und nach Hause gehen kann.

Wie gesagt, das System lebt davon, dass noch der Großteil der Ärzte dazu bereit ist, solche Spiele mitzumachen. Aber ich kenne immer mehr Ärzte, die gerade von der Notfallversorgung auf gut Deutsch die Schnauze voll haben, weil es sowohl physisch als auch psychisch an den Kräften zerrt bei 5-6 24 Stundendiensten jeden zweiten Dienst regelrecht durchzuarbeiten. Und wenn die Stimmung da kippt und großflächig die Opt-Out-Regelungen gekündigt werden, dann bricht in Deutschland die Notfallversorgung flächendeckend zusammen, da zur Monatsmitte alle ihre monatliche Arbeitszeit abgeleistet haben.

Wenn man jeden Arzt dazu zwingen würde, ein paar Jahre in der Notaufnahme zu arbeiten und dann kann er was anderes machen, dann gäbe es das Problem nicht. Da wüsste der Arzt, dass er die Jahre überstehen muss und dann wechseln kann und das motiviert ihn vielleicht und es gäbe eben Nachschub an Ärzten, die den Dienst wahrnehmen, weil sie müssen. Ich fände das ein gutes Modell. Mir ist schon klar, dass das nicht passieren wird, aber gut fände ich es durchaus.

Und das geht ja nicht nur den Ärzten so, sondern auch den Rettungsdiensten, die im Gegensatz zu den Ärzten auch noch überwiegend schlecht bezahlt werden. Auch viele Krankenpfleger und -schwestern werden zunehmend frustrierter, weil sie sich unter Notaufnahmetätigkeit oftmals doch etwas anderes vorgestellt haben und dann statt Notfälle irgendwelche Lapalien versorgen.

Das weißt du ja nicht. Ich könnte mir genauso vorstellen, dass es einer Schwester ganz recht ist, lieber ein paar Kleinigkeiten zu versorgen als große schlimme Notfälle. Was jemand im konkreten Fall will oder nicht will, ist immer Spekulation.

Also schlussendlich hat es der Patient mehr oder weniger selbst in der Hand, dafür zu sorgen, dass die Notfallversorgung zu bezahlbaren Preisen auf hohem Niveau bestehen bleibt.

Dieses Prinzip funktioniert nirgends. In keinem Kontext, in dem Leute angeblich irgendwas selbst in der Hand haben, geht das gut. Warum sollte das also ausgerechnet bei der Gesundheitsfürsorge klappen? Jeder wird bestrebt sein, das Beste für sich herauszuholen. Da kann man gar niemandem einen Vorwurf machen.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Zitronengras hat geschrieben:Na ja, wenn es einen Ärztemangel gibt, kann man ja fragen, wie der beseitigt werden könnte und ich fände es eine Option, dass man da ein wenig mit Zwang nachhilft. War doch in der DDR auch so und hat funktioniert und heute trauern alle der tollen Gesundheitsversorgung in der DDR nach. Scheint also nicht so zu funktionieren, wenn man immer alles auf Freiwilligkeit setzt.

Das kann man überhaupt nicht vergleichen. Das System war ja keineswegs besser, es war nur anders. Natürlich wurde es da staatlich mehr gesteuert, was für Ärzte ausgebildet werden, aber das ist ja nicht das Problem. Es geht ja nicht darum, dass es irgendwo in Deutschland 10.000 Ärzte gibt, die Däumchen drehen und in einer anderen Region ist keiner da. Das Problem ist, dass einfach in ganz Deutschland nicht genug Ärzte da sind. Sicher gibt es Regionen die weniger Probleme oder keine haben, aber eine reine Umverteilung reicht da nicht aus. Es müssten ganz einfach mehr Ärzte ausgebildet werden. Hier hat die Politik schlichtweg verkannt, dass der Anteil an angehenden Ärzten, die noch bereit sind ohne Murren 60-70 Stunden zu arbeiten immer weiter abnimmt.

Dass sich ein kranker Mensch noch nach anderen richten muss, finde ich zu viel verlangt. Er ist ja schließlich krank, dem geht es nicht gut. Der will nicht nur eine neue Frisur, einen Termin im Bürgeramt, neue Reifen oder anderen verzichtbaren Schnickschnack, sondern Gesundheit und das ist so etwas Elementares, dass sich meiner Meinung nach der Staat darum kümmern sollte, dass das auch einfach verfügbar ist.

Da es ja nicht um tatsächlich real schwer Kranke geht, sondern nur um gefühlt schwer Kranke, finde ich das nicht zu viel verlangt. Warum muss man für jemanden Abends um 20 Uhr die Praxis aufmachen, wenn er es vier Wochen lang nicht schafft, sich mal irgendwo einen Vormittag freizunehmen. Wenn er tatsächlich so krank ist, dann wäre er auch bereit dafür einen Tag unbezahlten Urlaub zu nehmen.

Wie gesagt, bei der ganzen Debatte geht es ja nicht um denjenigen der am Sonntag plötzlich Schmerzen im Brustkorb verspürt und glaubt einen Herzinfarkt zu haben oder irgendeinen Unfall. Dafür ist die Notaufnahme da. Aber eben nicht für Patienten, die bloß keinen Termin beim Facharzt bekommen.

Wenn man jeden Arzt dazu zwingen würde, ein paar Jahre in der Notaufnahme zu arbeiten und dann kann er was anderes machen, dann gäbe es das Problem nicht. Da wüsste der Arzt, dass er die Jahre überstehen muss und dann wechseln kann und das motiviert ihn vielleicht und es gäbe eben Nachschub an Ärzten, die den Dienst wahrnehmen, weil sie müssen. Ich fände das ein gutes Modell. Mir ist schon klar, dass das nicht passieren wird, aber gut fände ich es durchaus.

Ob du es jetzt glaubst oder nicht, aber der Großteil der Ärzte durchläuft zu Beginn ihrer Karriere irgendwann einmal die Notaufnahme. Es gibt nur wenige Ärzte, die dort nicht einmal gesessen haben. In der Praxis heißt das also, dass dein ach so gutes Modell nicht wirklich funktioniert.

Das weißt du ja nicht. Ich könnte mir genauso vorstellen, dass es einer Schwester ganz recht ist, lieber ein paar Kleinigkeiten zu versorgen als große schlimme Notfälle. Was jemand im konkreten Fall will oder nicht will, ist immer Spekulation.

Ich würde jetzt einfach mal behaupten, dass ich das sehr wohl weiß. Im Gegensatz zu vielen Theoretikern hier komme ich bei diesem Thema direkt von der Front und bin tagtäglich damit konfrontiert.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Zitronengras hat geschrieben:Na ja, wenn es einen Ärztemangel gibt, kann man ja fragen, wie der beseitigt werden könnte und ich fände es eine Option, dass man da ein wenig mit Zwang nachhilft. War doch in der DDR auch so und hat funktioniert und heute trauern alle der tollen Gesundheitsversorgung in der DDR nach. Scheint also nicht so zu funktionieren, wenn man immer alles auf Freiwilligkeit setzt.

Was hat denn da bitte funktioniert? Eklatanter Mangel an Ärzten, fehlende Medikamente, vollkommen veraltete Technik, kein Zugriff auf Forschungsergebnisse aus westlichen Ländern und unterbezahlte Krankenschwestern sind wirklich ein Zeichen für ein funktionierendes System gewesen.

Das führte zu einer geringeren Lebenserwartung. Auch wiederholt benutzte Kanülen, Eingriffe ohne Betäubung und das Beschaffen von nicht lieferbaren Medikamenten aus dem Westen sprechen eine deutliche Sprache. Gerade du hast bestimmt die Impfpflicht, die verpflichtenden Reihenuntersuchungen und die Zwangsbehandlung geschätzt.

» cooper75 » Beiträge: 13332 » Talkpoints: 499,09 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Das kann man überhaupt nicht vergleichen. Das System war ja keineswegs besser, es war nur anders. Natürlich wurde es da staatlich mehr gesteuert, was für Ärzte ausgebildet werden, aber das ist ja nicht das Problem. Es geht ja nicht darum, dass es irgendwo in Deutschland 10.000 Ärzte gibt, die Däumchen drehen und in einer anderen Region ist keiner da. Das Problem ist, dass einfach in ganz Deutschland nicht genug Ärzte da sind. Sicher gibt es Regionen die weniger Probleme oder keine haben, aber eine reine Umverteilung reicht da nicht aus. Es müssten ganz einfach mehr Ärzte ausgebildet werden. Hier hat die Politik schlichtweg verkannt, dass der Anteil an angehenden Ärzten, die noch bereit sind ohne Murren 60-70 Stunden zu arbeiten immer weiter abnimmt.

Nein, Däumchen dreht da keiner. Aber Medizin ist ja eigentlich ein NC-Fach. D.h. es bewerben sich mehr für das Studium als tatsächlich zugelassen werden und die Unis selektieren. Es gibt also eigentlich ganz viele, die offenbar Arzt werden wollen und zwar so viele, dass die gar nicht alle das Fach studieren können und dann werden durch den NC Grenzen gesetzt und beispielsweise nur die mit dem besten Abitur zugelassen.

Trotz der höheren Arbeitsbelastungen der Ärzte scheint das also ein hoch attraktiver Beruf für viele zu sein. Warum lässt man da nicht mehr Abiturienten zum Medizinstudium zu? In der DDR wurde ja das Studium auch gesteuert, da wurde nach dem Bedarf ausgebildet und dann der erste Job nach dem Studium zugewiesen. Das finde ich nicht schlecht. Das hätte ich Fall der Medizin auch heute nicht geschadet. Das hätte mir bei meinem Fach übrigens auch gefallen, da ich es total schwer fand, nach dem Studium einen ersten Job zu finden. Es haben also beide Seiten was davon.

Da es ja nicht um tatsächlich real schwer Kranke geht, sondern nur um gefühlt schwer Kranke, finde ich das nicht zu viel verlangt. Warum muss man für jemanden Abends um 20 Uhr die Praxis aufmachen, wenn er es vier Wochen lang nicht schafft, sich mal irgendwo einen Vormittag freizunehmen. Wenn er tatsächlich so krank ist, dann wäre er auch bereit dafür einen Tag unbezahlten Urlaub zu nehmen.

Weil das halt in manchen Fällen sehr kompliziert ist, sich am Vormittag frei zu nehmen, gerade wenn man auswärts oder auf Montage arbeitet und der Arzt in der Heimat sitzt. Das Problem der Unvereinbarkeit von Arbeitszeiten und möglichen Arztterminen haben doch viele. Warum gibt es keine Ärzte, die früh zulassen und dafür ab nachmittags bis 20 Uhr öffnen? Das wäre doch ein schönes Entgegenkommen. Wenn ich Arzt wäre, dann würde mir das auch entgegenkommen. Früh ausschlafen, Praxis ab 15 Uhr aufmachen und dann bis später am Abend offen lassen, damit auch Berufstätige - und der Durchschnittspatient ist ja berufstätig - die Termine nutzen können.

Ich war vorgestern beim Zahnarzt, dafür war ich krank geschrieben. Ich muss aber nochmal hin und nochmal wollen die mich nicht krankschreiben. Es gibt in der Woche nur einen einzigen Tag, wo ich so spät anfange, dass ich früh zum Zahnarzt kann. Den nächsten Termin habe ich deswegen aber erst in 14 Tagen bekommen. Allerdings habe ich Schmerzen. Nun muss ich also deswegen 14 Tage lang mit Zahnschmerzen herumlaufen?

Unbezahlten Urlaub kann man auch nicht so einfach nehmen, das ist bei uns in der Arbeit nicht üblich. Zudem verdrehen die auch die Augen, wenn man dann wieder ausfällt, weil dann alles umgeplant werden muss. Am liebsten wäre es mir gewesen, dass ich einfach zwei Tage hintereinander krank geschrieben werde und da wird dann alles abgearbeitet. Das wollten die aber nicht machen und da hatten sie keine Termine frei.

So, was soll ich jetzt machen? Ich bin am Überlegen, ob ich, wenn die Schmerzen zu schlimm werden, zum Zahnarztnotdienst gehe. Eine andere Möglichkeit sehe ich da nicht, denn wenn ich abends Feierabend habe, haben die Praxen schon wieder geschlossen, eh ich zu Hause angekommen bin.

Ich würde jetzt einfach mal behaupten, dass ich das sehr wohl weiß. Im Gegensatz zu vielen Theoretikern hier komme ich bei diesem Thema direkt von der Front und bin tagtäglich damit konfrontiert.

Ich bin auch nicht bloßer Theoretiker, da ich früher auch mal eine medizinische Ausbildung gemacht habe und mehrere Verwandte von mir Krankenschwestern sind, einen Arzt habe ich auch in der Familie. Der Arzt hat früher im Landambulatorium in meinem Heimatort gearbeitet - so eine Art kleine Polyklinik. Das gibt es heute nicht mehr. Meine Mutter ist Krankenschwester und hat in verschiedenen Krankenhäusern und Rehakliniken gearbeitet. Die gibt es heute auch teilweise nicht mehr. Sie war auch als ich klein war Gemeindeschwester und Betriebsschwester. Diese Berufe gibt es heute gar nicht mehr.

Wenn heute ältere Leute bei irgendwas medizinische Hilfe brauchen, können sie höchstens einen Pflegedienst beauftragen. Bei dem müssen sie teilweise zuzahlen und der hat auch genaue zeitliche Vorgaben, wie lang was dauern soll. Auch nicht toll, aber es soll ja immer alles wirtschaftlich sein. Als Gemeindeschwester konnte sich meine Mutter so viel Zeit nehmen wie sie wollte und hat mich als Kind mitgenommen. Da haben mir die alten Leutchen denen sie die Insulinspritzen verpasst hat Schokolade zugesteckt. Das wäre heute undenkbar, dass eine Altenpflegerin sowas machen kann.

In der benachbarten Kreisstadt gab es früher drei Krankenhäuser. Vielleicht waren das nicht die modernsten und schönsten. Aber sie waren da und Patienten hatten genug Möglichkeiten, sich behandeln zu lassen. Heute gibt es nur noch ein Krankenhaus und die niedergelassenen Ärzte sind überlaufen. Wir hatten früher im Ort mehrere Hausärzte und Fachärzte sowie Zahnärzte. Heute gibt es noch einen Zahnarzt und einen Hausarzt, das wars. Daher finde ich schon, wenn ich die Zustände vergleiche, dass es früher besser war.

Das führte zu einer geringeren Lebenserwartung. Auch wiederholt benutzte Kanülen, Eingriffe ohne Betäubung und das Beschaffen von nicht lieferbaren Medikamenten aus dem Westen sprechen eine deutliche Sprache. Gerade du hast bestimmt die Impfpflicht, die verpflichtenden Reihenuntersuchungen und die Zwangsbehandlung geschätzt.

Ich finde, dass jemand, der gar nicht dabei war und der wo ganz anders gelebt hat, sich aber meint, sein vorurteilsbelastetes Bild anhand von gehörten Geschichten bilden zu müssen, kann da gar nicht mitreden. Es muss nicht immer das Tollste und Schönste und Modernste sein. Es kommt darauf an, dass Menschen ohne große Hürden versorgt sind. Was ich schätze oder nicht kannst du ebenso wenig beurteilen. Ich wurde als Kind auch „zwangsgeimpft“ - na und? Dass sich Kinder nicht darüber freuen, ist nun klar. Aber rückblickend betrachtet ist das sinnvoll.

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