Ist es unhöflich, Menschen auf Religion anzusprechen?

vom 02.06.2016, 16:36 Uhr

Ein Bekannter von mir kommt aus dem Iran und er ist erst wenige Monate in Deutschland und lernt noch die Sprache. Er versucht sich auch kulturell hier zurechtzufinden und ihm ist vieles hier fremd, was man auch verstehen kann. Er ist auch nur für das Studium hier und möchte anschließend wieder in die Heimat um das Unternehmen seines Vaters zu leiten.

Er ist schon sehr neugierig, was die deutsche Kultur angeht, aber er möchte auch nicht in irgendwelche Fettnäpfchen treten oder unhöflich und respektlos erscheinen. So fragte er mich neulich, ob er Fragen über die Religion hier in Deutschland stellen dürfte, sofern es nicht unhöflich sei. Ich fand die Frage aber gar nicht unhöflich oder so. Ich finde es gut, wenn man Fragen stellt, wenn man etwas nicht versteht. Nur durch Fragen kann man klug werden.

Ich habe ihm dann auch versucht zu erklären welche Unterschiede die katholische und die evangelische Kirche ausmachen und dass die Kirchen sich hier eben auch engagieren und zum Beispiel Altenpflegeheime, Kindergärten oder Krankenhäuser betreiben. Im Gegenzug habe ich mich dann auch getraut, ihm Fragen über den Islam zu stellen. So wollte ich zum Beispiel schon immer wissen, wo die genauen Unterschiede zwischen Sunniten und Schiiten sind, sodass meine Wissenslücke mittlerweile auch geschlossen ist. Findet ihr es unhöflich, Menschen auf Religion im Allgemeinen anzusprechen?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Ich finde es überhaupt nicht unhöflich, wenn dein iranischer Kumpel nach der Religion fragt. Man darf ja auch eines nicht vergessen. Die muslimische Bevölkerung ist in aller Regel sehr gläubig. Die Auslegung in manchen Ländern bedarf zwar der Kritik, aber ansonsten sind eigentlich alle Moslems gläubig. Das gilt eben auch für einen Iraner.

Gerade dann möchte man doch wissen, wie ist es mit den Deutschen. Sind sie auch gläubig? Woran glauben sie? Was sagt die gläubige Richtung der Religion in Deutschland aus? Hat sie Ähnlichkeiten zu dem muslimischen Glauben? Ich kann also schon nachvollziehen, dass es wissbegierig ist.

Sehen wir es doch einmal anders herum. Kaum ein Deutscher hat ein Problem, ständig einen optisch ausländisch wirkenden Menschen zu fragen, wo er her kommt und welcher Landsmann er ist. Dann kann man wohl sagen, dass auch im Gegenzug die Frage erlaubt sein sollte, woran glaubt ihr Deutsche eigentlich?

Ich jedenfalls würde die Frage nicht doof oder unangebracht finden. Doch er sollte das bei Menschen tun, die er kennt oder kennenlernt. Nicht einfach auf die Straße jeden ansprechen, weil das sicher zu Missverständnissen führen wird.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


Ich finde es ebenfalls nicht unhöflich, im Gegenteil, es zeugt doch von Interesse und Anteilnahme, wenn man Fragen zu fremden Kulturen und Religionen stellt. Noch gut kann ich mich daran erinnern, wie wir in der höheren Schule für eine Projektarbeit eine Weltreligion "erforschen" mussten.

Dort habe ich mich für den Islam entschieden und eine Schulfreundin aus der Hauptschule hat mich mit ganz vielen Wissensschätzen versorgt. Sie war sehr engagiert, erklärte mir alles, suchte mir Unterlagen zusammen und interviewte ihre Eltern, um selber noch mehr über den Islam zu erfahren. Es war sehr interessant und wir hatten beide viel Spaß.

Meine Freundin, weil ich großes Interesse an ihrer Religion zeigte, und ich, weil ich Dinge erfahren hatte, die ich noch nicht über den Islam gewusst hatte. Dies erzählte ich auch meinen Eltern, die mich schon als Kind offen erzogen hatten und mir einiges über andere Religionen erzählt hatten. Aber auch bei ihnen schlossen sich dann manche Wissenslücken oder widerlegten sich manche Annahmen, die weit verbreitet, aber wissenschaftlich nicht unterlegt sind.

Deshalb denke ich, dass dein Bekannter bei den meisten Einheimischen Glück haben wird, da diese dem auch sehr offen gegenüber stehen werden. Sie werden sich freuen, dass jemand aus einer fremden Kultur sich für die eigene Religion interessiert und vielleicht auch Interesse an seiner Religion zeigen, was ihn vielleicht auch freuen wird.

Ich denke nicht, dass man das falsch verstehen oder als unhöflich empfinden könnte. Ansonsten sollte er sich eben mit Bekannten wie dir zusammen tun oder du kannst ihm vielleicht Bekannte von dir empfehlen, die ihm bei seiner wissenschaftlichen Reise weiter helfen können.

» nordseekrabbe » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Im allgemeinen gilt es schon als unhöflich jemanden nach seiner Religion zu frage, genauso wie man auch eher nicht nach der Höhe des Gehalts fragen würde oder wen man in der letzten Wahl gewählt hat. Beim Thema Religion im allgemeinen, also ohne persönlich zu werden, muss man halt bedenken, dass es bei uns recht viele Leute gibt, die sich dafür einfach nicht interessieren. Die wurden mehr oder weniger religiös erzogen, gehen an Weihnachten in die Kirchen und ignorieren das Thema ansonsten, wenn nicht gerade mal wieder ein Priester Kinder missbraucht hat oder sich sonst wie daneben benimmt.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Es kommt sicherlich darauf an, was man wie fragt. Wenn man zum Beispiel eine Frau mit dunklen Haaren sieht und sie dann gleich fragt, ob sie muslimisch ist, finde ich das dreist und unangebracht, aber wenn man jemanden seinen Glauben ansieht oder eben in dem Land ein Glauben weit verbreitet ist und man dazu generelle Fragen hat, dann kann man die doch ruhig stellen.

Ich meine nur so können ja auch Vorurteile beseitigt werden, indem man eben im Gespräch bleibt und Fragen stellt, die man hat. Ein paar Fragen ergeben sich ja vielleicht auch im Alltag. Natürlich sollte man nun niemanden bedrängen mit den Fragen, der diese nicht gestellt bekommen möchte, aber wenn man freundlich nachfragt, ist das sicherlich kein Problem.

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» Ramones » Beiträge: 47758 » Talkpoints: 8,52 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Ich gehe auch davon aus, dass es darauf wie und wonach man dabei fragt. Wenn es wirklich nur reines Interesse an Informationen über eine andere Religion ist, sollte ihm das wohl niemand übel nehmen. Wäre die Frage allein schon abwertend, dann ist das nicht mehr nur ein Fettnäpfchen, sondern eine Frechheit.

Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass auch Muslime sich darüber freuen, wenn man ehrlich Interesse an ihrer Religion zeigt. Ich hatte Anfang des Jahres in zwei Kursen für Asylbewerber Deutsch unterrichtet. Über Aussprache der Worte Kirche und Kirsche sind wir dann auch auf Feiertage der Christen gekommen.

Auch der Ramadan wurde dann Thema und ich habe mir erklären lassen, wie die jährliche Verschiebung berechnet wird. Die Teilnehmer haben sich gefreut, dass sie nicht immer nur Erklärungen bekamen, sondern auch mal erklären durften. Zumal sie ja auch erkannt haben, dass ich da ehrliches Interesse habe.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Ob man eine Frage als höflich oder unhöflich empfindet, ist natürlich eine hoch subjektive Aussage. Was der eine brüskiert zurückweist, gehört für den anderen zum Alltag und umgekehrt.

Wenn es in einem Gespräch ernsthaft um Fragen der Religion und der Kultur geht, ist es meiner Ansicht nach natürlich kein Problem, Fragen zu stellen und Parallelen und Unterschiede heraus zu arbeiten. Mir geht es hier also eher um Small Talk mit der Nachbarin oder beim Abholen der Kinder vom Kindergarten.

In diesem Zusammenhang bin ich jedoch der Meinung, dass es anzuraten ist, bei Fragen nach der Religion zumindest nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen und im Zweifelsfall eher davon abzusehen, wenn es nicht gerade um das Eintreiben der Kirchensteuer geht. In meinen Augen (wie gesagt, hier wird es subjektiv) ist Religion eine Privatsache, und sollte im Gespräch etwa mit soviel Takt und Diskretion behandelt werden wie beispielsweise die Frage nach der sexuellen Orientierung oder irgendwelcher körperlicher Auffälligkeiten oder Gebrechen.

Konkret: Wenn man jemanden erst seit zehn Minuten kennt, würde ich es schon als leicht aufdringlich empfinden, wenn man mich nach meinem Glauben fragt, etwa so, als würde jemand gleich nach dem Hallo und "Ich heiße..." mit "Sind Sie hetero oder lesbisch?" oder "Sind sie verheiratet?" ankommen. Das würde mich durchaus irritieren, auch wenn es ja eigentlich nichts "Schlimmes" ist, wenn man hetero, Christ, Muslim oder keins von alledem ist. Es gibt zumindest für mich eben Dinge, die man nicht jedem flüchtigen Bekannten gleich auf die Nase binden muss. Andere Leute sind hier bestimmt offener.

Auch auf das "Wie" kommt es natürlich an. Mein etwas braunhäutiger Freund wurde schon oft in barschem Tonfall gefragt: "Sind Sie überhaupt Deutscher?" Kann man fragen, ist auch kein Geheimnis, aber auch der Tonfall und der Zusammenhang spielen eine Rolle. Ich persönlich empfinde es als höflicher und taktvoller, wenn jemand zum Beispiel beiläufig erwähnt, dass er oder sie Sonntag Vormittag keine Zeit zum Brunch hat, weil da Kirche ist, oder sich erkundigt, ob es in der Gemeinde eine Moschee gibt oder was auch immer.

Zusammenfassend finde ich daher, dass das Thema Religion oder Mangel derselben zumindest meiner Meinung nach mit ein bisschen Takt und Diskretion behandelt werden sollte. Dies ist natürlich ein anspruchsvolles Unterfangen, wenn man noch nicht ewig mit Land und Leuten vertraut ist, und bevor ich ins Fettnäpfchen trete, würde ich das Thema lieber aussparen.

» Gerbera » Beiträge: 11336 » Talkpoints: 53,95 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Ich finde so eine Frage auch überhaupt nicht schlimm. Ich meine, jeder Mensch, der religiös ist, glaubt mit Überzeugung an die Religion und keiner braucht sich dafür zu schämen oder Sonstiges. Ich bin Muslime und ich werde oft darauf angesprochen, da ich nicht wirklich so danach aussehe. Ich habe so eine Frage aber nie als unhöflich oder Ähnliches aufgefasst.

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» turkeyboii » Beiträge: 601 » Talkpoints: 3,94 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Ich denke auch, dass es darauf ankommt, wie man die Frage formuliert und ob man direkt mit der Tür ins Haus fällt und nach der Religionszugehörigkeit der Person fragt, mit der man spricht, oder ob man es allgemein formuliert. Ich schätze, dass es eher nicht so gerne gesehen wird, wenn man direkt gefragt wird, welcher Religion man angehört. Das fände ich zwar nun auch nicht schlimm, aber es sollte einfach nicht die erste Frage sein.

Wenn man allgemeine Fragen nach den Religionen in einem Land stellt und dann auch das Thema darauf kommt, welcher Religion man selber angehört und was diese Religion vielleicht von anderen Religionen unterscheidet, dann finde ich es aber absolut nicht unhöflich und ich finde es sehr nett, dass dein Bekannter die Frage so vorsichtig formuliert hat, um niemanden zu beleidigen.

Es ist schon richtig, dass man fragen sollte, um die Dinge zu verstehen und dazu gehören für mich dann auch so grundlegende Dinge, wie die Religion. Sicher interessiert sich nicht jeder dafür und auch getaufte Menschen sind nicht zwingend gläubig, aber das kann man dann ja auch erklären, wenn einem eine Frage gestellt wird, die man vielleicht nicht beantworten kann. Wenn solche Fragen also allgemeiner formuliert werden und nicht zu persönlich, dann finde ich sie nicht unhöflich.

» Barbara Ann » Beiträge: 28945 » Talkpoints: 58,57 » Auszeichnung für 28000 Beiträge


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