Welchen Sinn haben Pyramidengedichte?

Die Nichte meiner Nachbarin nimmt zurzeit an einem Schreib- Workshop teil. Nun lässt sie uns immer ihre Werke lesen. Gerade wird wohl das Thema Pyramidengedicht behandelt. Ein Pyramidengedicht besteht an sich nur aus Wörtern. In der ersten Zeile nur ein Wort, in der zweiten Zeile zwei Worte, in der dritten Zeile drei Worte und so weiter. Bis man in der letzten Zeile den ganzen Satz hat. Wobei man halt in der zweiten Zeile das Wort aus der ersten Zeile übernimmt und in der dritten Zeile die zwei Wörter aus der zweiten Zeile und so weiter. Das Gedicht entspricht sonst nicht den typischen Gedichtmerkmalen. Unter anderem reimt es sich nicht.

Ich kann den Sinn solcher Gedichte aber so gar nicht verstehen. Habt ihr vielleicht eine Idee, welchem Sinn und Zweck solche Pyramidengedichte dienen?

Auch wenn das einem im Schulunterricht oft so eingehämmert wird: Gedichte müssen sich nicht reimen. Zumindest moderne Gedichte nicht. Hat man das der Teilnehmerin in dem Workshop so nicht erklärt? Dann frage ich mich, was der Workshop bringen soll.

Zur Zeit von Goethe zum Beispiel hat man Gedichte noch ganz anders konzipiert. Aber mittlerweile ist man da ewig weit weg. Gedichte können durch Rhythmus entstehen oder durch Layout (wie in dem Fall) oder eben einfach durch Klangbilder, die nicht unbedingt Reim sein müssen.

Jede Schreibübung hat irgendwo einen Sinn. Und wenn es nur darum geht, die Funktion von Literatur direkter erlebbar zu machen, als wenn man nur Theorie liest. Ob aber das Schreiben moderner Gedichte jemandem hilft, der Romane schreiben will, nur so als Beispiel, weiß ich auch nicht.

Und noch ein Beispiel von Gedichten, die einen ganz strengen Aufbau haben und sich nicht reimen: Das japanische Haiku. Die werden mittlerweile auch gerne in der Grundschule eingesetzt. Die Ergebnisse solcher Gedichte strahlen halt etwas ganz anderes aus, als wenn man sieht, dass der Schreibende krampfhaft nach einem Reim gesucht hat und nichts besseres als zum Beispiel hinten und finden als Reim gefunden hat. Da kann man sich eben besser auf den Inhalt der Worte konzentrieren, wenn man vom Reim nicht abgelenkt wird.