Wie lebt man seinen Glauben ohne Kirche?
Ich bin immer wieder verwundert, wenn Leute äußern, sie brauchen keine Kirchen, um an Gott zu glauben. Für mich ist das mittlerweile ein bisschen so, als würde man sagen, man braucht keine Wissenschaft, um an den Urknall zu glauben. Beides gehört doch irgendwie zusammen. Diskussionen sind oft schwierig, da manche Menschen schnell an ihre Grenzen zu stoßen scheinen.
Oftmals wird argumentiert, man könne Nächstenliebe auch ohne Kirche leben und ein guter Mensch sein, der sich an die 10 Gebote hält. Meistens habe ich den Eindruck, diese Menschen kennen die 10 Gebote jedoch gar nicht vollständig. Und wenn doch, so kommen diese doch von den Kirchen und man hat sie nicht selbst aufgestellt. Zudem sind manche der Gebote direkt mit der Kirche verbunden, zum Beispiel das Sonntagebot, dass man diesen Tag des Herrn heiligen soll. Da ebenso verlangt wird, neben Gott keine anderen Götter zu haben, ist eine Heiligung von Fußball, Superstars oder Fernsehgöttern nicht vorgesehen.
Auch war das Christentum und so ist es sicherlich in den allermeisten Religionen, doch immer eine Religion der Gemeinschaft. So heißt es "Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. (Matthäus 18,20)". Und schon in der Bibel kamen die Menschen zusammen, um ihren Glauben zu leben. Wie kann es dann heute funktionieren seinen Glauben individuell allein daheim zu leben? Wie macht ihr das?
Man braucht wahrlich die Kirche nicht um an Gott zu glauben. Und die Gebote kommen nicht von der Kirche. Zumindest die 10 Gebote kommen aus der Bibel und nicht von der Kirche. Wenn du so gläubig bist und die Kirche einrennst, dann kennst du sicherlich den Unterschied zwischen den 5 Kirchengeboten und den 10 Geboten.
Die 5 Kirchengebote haben mit den 10 Geboten, die man nach christlichem Glauben leben soll, nichts zu tun. Die 5 Kirchengebote lauten in etwa so:
- Man soll Sonntags und an kirchlichen Feiertagen in die Kirche gehen und die heilige Messe mitfeiern und keine Arbeiten verrichten.
- Einmal im Jahr soll man mindestens beichten gehen und das Sakrament der Vergebung empfangen zur Vergebung der Sünden.
- An Ostern oder in Todesgefahr soll man die heilige Kommunion empfangen
- Man soll sich an die Fastenzeit halten
- Man soll zur Kirche stehen und ihren Erfordernissen beistehen
Das alles brauche ich nicht um an Gott zu glauben. Ich glaube an Gott. Aber ich glaube nicht an das Bodenpersonal von Gott. Erst Recht nicht nach den ganzen Missbrauchsvorwürfen in der Kirche. Beten kann ich für mich alleine. Dazu brauche ich nicht die Gemeinschaft.
Ich bin katholisch erzogen und bin auch viele viele Jahre in die Kirche gegangen, weil ich es nicht anders kannte. Meine Kinder sind katholisch getauft und haben die Sakramente bis zur Firmung alle empfangen. Aber irgendwann habe ich mich gefragt, warum ich in die Kirche gehe. Geht es mir mit der Kirche besser? Nein, wahrlich nicht. Geht es mir ohne Kirche besser? Nein, auch nicht. Also kann ich den Kirchgang auch sein lassen. Die meisten, die in die Kirche rennen machen es, um von anderen gesehen zu werden. Meine Mutter war da das beste Beispiel. Sie ist nicht nur sonntags in die Kirche gerannt aber von Nächstenliebe spürte man nichts.
Ich kann auch den Glauben ausleben ohne dass ich jeden Sonntag in die Kirche renne. Dem Priester muss ich auch meine Sünden nicht erzählen. Um Vergebung kann ich, wenn ich das will auch in einem Gebet an Gott bitten. Da brauche ich kein Bodenpersonal. Wie kann ich zu einem Menschen Vertrauen haben, den ich nur einmal die Woche sehe wenn er die Messe hält?
Die 10 Gebote kommen nicht von der Kirche. Wer hat dir das denn gesagt? Ich lebe auch, so gut ich kann, nach den 10 Geboten, weil ich so erzogen bin. Aber das mache ich nicht, weil ich die Gebote im Kopf habe, sondern weil es für mich selbstverständlich ist.
Dass ich keinen anderen Gott neben mir haben soll heißt doch nicht, dass ich kein Fan von einem Fußballer sein darf oder von einem Sänger. Dass ich den Namen Gottes nicht missbrauche hat auch mit der Kirche nur im Entferntesten zu tun. Ich kann auch Feiertage heiligen ohne dass ich in die Kirche gehen muss. Das sagt das Gebot bestimmt nicht. Ob ich Vater und Mutter ehre hat auch was mit dem Verhalten der Eltern zu tun. Ich töte keine Menschen und habe es auch noch nicht vorgehabt und auch nicht vor zu tun. Die Ehe habe ich auch noch nie gebrochen, obwohl ich zweimal geschieden bin. Und gestohlen habe ich auch noch nie.
Und mal ehrlich, wer hat noch nie eine kleine Notlüge benutzt. Dieses Gebot, dass man kein falsches Zeugnis reden soll wider deines Nächsten hat wohl schon jeder mal gebrochen. Auch die, die die Kirche einrennen. Und das Gebot, dass man sich nicht gelüsten soll deines nächsten Weibes ist schon diskriminierend. Darf ich dann als Frau einen anderen Mann begehren? Ich darf nicht meines nächsten Haus, Hof, Vieh und alles was ihm gehört begehren. Wer hat noch nie mal zu jemanden hingeschaut und hat gedacht, dass es schön wäre, wenn man es sein Eigen nennen könnte?
Natürlich sündigen Menschen, seien sie nun gläubig oder nicht. Das bestreitet doch weder die Kirche, noch die Bibel. Ebenso sind Kirchenbesucher und Amtsträger keine besseren Menschen. Mag sein, dass manche früher in der Kirche gesehen werden wollten - heute ist dies kaum mehr möglich, da die Kirchen relativ leer sind. Mir liegt es auch fern Kirchen einzurennen.
Intention dieses Threads sollte es nicht sein die 10 Gebote oder darüber hinausgehenden Kirchengebote zu diskutieren. Da habe ich mich vielleicht missverständlich ausgedrückt. Natürlich kann man sich menschlich korrekt verhalten ohne jemals eine Kirche betreten zu haben und die Gebote zu kennen. Glauben kann man vermutlich auch ohne irgendwas zu tun. Meine Frage zielte aber vielmehr darauf ab, wie man seinen Glauben außerhalb der Kirche lebt?
Dabei geht es mir gar nicht darum, irgendwas zu verurteilen, sondern ich möchte verstehen, was mir bisher unbekannt ist. Oftmals hörte ich schon, dass Kirchenferne Menschen sagen, dass man überall beten kann, sei es daheim oder im Wald und dafür keine Kirche brauchen. Diese Erfahrung habe ich durchaus auch schon gemacht, jedoch orientiere ich mich dabei meist an den Gebeten der Kirche. Viele Leute geben auf Nachfrage aber auch ehrlich zu, dass sie selbst nicht regelmäßig beten. Und an Feiertagen eher Stars oder Sportler geheiligt werden, als Gott.
Dein Thema hört sich, wenn man es liest aber so an, dass du bezweifelst, dass man ohne Kirche überhaupt glauben kann. Ich für meinen Teil kann sogar besser ohne Kirche glauben, weil für mich die Institution Kirche reine Geldschneiderei ist und für mich persönlich einer Sekte gleicht. Schon, dass die Kirche einem Gebote aufdrängt, die mit der Bibel nichts zu tun haben.
Ich kann auch außerhalb der Kirche meinen Glauben leben. Ich muss nicht jeden Tag beten. Aber dennoch kann ich glauben, dass es einen Gott gibt. Warum denkst du denn, muss man dafür die Kirche brauchen?
Diamante hat geschrieben:Ich kann auch außerhalb der Kirche meinen Glauben leben.
Das wollte ich auch gar nicht bestreiten, sondern lediglich verstehen, wie der gelebte Glaube dann aussieht, wenn man nicht in die Kirche geht, betet, in der Bibel liest, sich nicht mit anderen Gläubigen austauscht und Gott im Alltag nicht präsent zu sein scheint? Dass man sich an geltende Gesetze hält unterscheidet einen gläubigen Christen doch nicht von jemanden anderer Religionsgemeinschaften oder Atheisten.
Ich finde die Annahme, dass nur weil jemand nicht in die Kirche geht, der Glaube im Alltag nicht präsent ist, ziemlich überheblich. In der Bibel liest man doch sowieso eher in den eigenen vier Wänden und christliche Grundsätze sollten einen Gläubigen doch sowieso jederzeit durch den Alltag begleiten, oder?
Ich meine, was heißt Glauben? Zuerst einmal die Gewissheit zu haben, dass es einen Glauben gibt. Und anzunehmen, dass zwischen Gott und dem Menschen eine persönliche Beziehung besteht. Das klappt ohne Kirche und ohne Bibel. Klar, die Gemeinschaft stärkt den Glauben, erklärt die Religion und rückt die Ansichten gerade. Aber der Glaube ist ohne dieses Angebot doch nicht automatisch schwächer oder weniger präsent.
@Trisa, wie soll man denn den Glauben außerhalb der Kirche leben? Denkst du, dass man dann nicht glauben kann? Man kann in den eigenen 4 Wänden, ohne jemanden der dabei ist auch beten. Man muss doch nicht darüber reden. Wenn du die Suche hier im Forum benutzt hättest, dann hättest du dieses Thema Echter Glaube nur als Mitglied der Kirche möglich? gefunden, wo ich auch schon darüber geschrieben habe, dass man auch ohne Mitglied in der Kirche den Glauben leben kann. Dafür brauche ich die Sekte Kirche nicht. Denn für mich ist das nichts anderes als Manipulation und Gehirnwäsche was die Kirche macht.
Ich möchte niemanden den Glauben absprechen. Und natürlich kann man auch in den eigenen vier Wänden alleine beten. Das mache ich auch, allerdings erst seitdem ich den Weg auch über die Kirche zum Glauben fand. Doch Sätze wie "Beten kann ich überall, die Bibel für mich selbst lesen, meine Sünden Gott alleine erzählen" führen bei genauem Nachfragen oft eher zu Ausreden- so meine bisherige Erfahrung. Dann heißt es plötzlich, man selbst habe dazu keine Zeit, wegen Arbeit, Kindern, Problemen, aber prinzipiell sei das möglich. Natürlich ist niemand verpflichtet sich hier auszutauschen und von sich zu erzählen.
@cooper75: Ich denke, dass jeder irgendwas glaubt. Unabhängig von Religionszugehörigkeit oder auch dessen Ablehnung. Wer nicht an Gott glaubt, glaubt irgendwas anderes, was unsere Entstehung, Entwicklung, Wissenschaft oder den Alltag betrifft. Du erwähntest die persönliche Beziehung zu Gott. Darauf zielt meine Frage ab- wie lebt man diese?
Trisa, ich glaube nicht. Aber ich bin in einem sehr katholisch geprägten Umfeld groß geworden. Und dort habe ich die Erfahrung gemacht, dass für die meisten Gläubigen die wirkliche Auseinandersetzung mit Gott eine sehr private Angelegenheit ist.
Nehmen wir als Beispiel eine Nonne, deren Interesse und Freundschaft ich über 30 Jahre genießen durfte. Diese Frau wurde vor fast 100 Jahren als siebte Tochter eines westfälischen Bauern geboren. Mangels Mitgift und Bewerber landete die junge Frau, fast noch ein Mädchen, im Kloster. Das war nicht ihr Wunsch, die hatte keinen Ruf gehört.
Bis über 40 hat sie schwer daran zu knabbern gehabt, dass ihr eine Familie verwehrt bleibt. Und sicherlich hat ihr auch die Gemeinschaft geholfen. Aber so richtig ihren Weg finden und den Glauben behalten und stärken, das musste sie ganz allein mit Gott ausmachen. Und dieser Weg war nicht leicht.
Ich kenne das so, dass echte Christen tatsächlich eine persönliche Beziehung zu Gott pflegen. Soll heißen, es wird dann jeden Morgen und jeden Abend etwas in der Bibel gelesen, wobei die Textstellen selbst ausgesucht werden und nicht vorgegeben sind. Davor und danach wird gebetet. Nach dem Lesen macht man sich Gedanken darüber, was Gott einem durch diese Textstelle sagen wollen würde.
Ansonsten ist der Alltag geprägt von christlicher Nächstenliebe. Vor den Mahlzeiten wird gebetet und Gott für die Mahlzeit gedankt. Ich kenne das auch so, dass man sich dann zu Hauskreisen privat trifft. Soll heißen, es treffen sich mehrere Christen privat, lesen, singen und beten zusammen und amüsieren sich. Oft wird auch zusammen etwas unternommen wie beispielsweise zusammen kochen und essen davor oder nach der Andacht.
Die Christen, die ich kenne, fahren dann auch mal zu älteren Menschen aus der Nachbarschaft und dem Bekanntenkreis und leisten dort Gesellschaft, damit diese (gläubigen) Menschen nicht mehr so einsam sind. Da wird dann auch wieder zusammen in der Bibel gelesen, sich ausgetauscht, zusammen gebetet und gesungen. Dafür braucht man dann keine Institution Kirche, das klappt auch privat ganz gut.
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