Wann geht für euch Trauer zu weit?

vom 17.06.2019, 09:58 Uhr

Bekannte haben vor fast einem Jahr einen geliebten Menschen verloren. Dort ist es so, dass oftmals an die Verstorbenen gedacht wird, da die Familie sehr gläubig ist. So wird dann auch am Todestag an den Verstorbenen gedacht und die Familie besucht dann auch eine Messe in der Kirche.

Eine Freundin findet das vollkommen übertrieben und meint, dass es doch auch irgendwann mal gut sein muss, um einen Menschen zu trauern. Sie meint, dass die Familie so doch nie zur Ruhe kommen würde und meint, dass man es mit der Trauer auch übertreiben kann. Sie meinte sogar, dass es sie nicht wundern würde, wenn die Familie für den Verstorbenen auch einen Altar aufstellen würde. Das fand ich schon respektlos und daneben und bin froh, dass es aus der Familie niemand gehört hat.

Wann geht Trauer für euch zu weit? Habt ihr auch schon Menschen erlebt, die nicht aus der Trauer heraus kamen und nicht wieder ins Leben zurück gefunden haben? Meint ihr, dass man sich in Trauer auch hineinsteigern kann?

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Trauer zu einem Menschen, der einem sehr nahe war kann nicht zu weit gehen. Ich bin bei meiner Schwiegermutter, als sie verstorben ist in wirklich tiefe Trauer gefallen und das hat auch Monate angehalten und auch heute noch trauere ich um sie, weil sie mir einfach unheimlich fehlt und nicht da ist um mit ihr zu quatschen oder sie einfach abzuholen um irgendwo hin zu fahren, sie besuchen zu gehen usw.

Ich habe sie einfach nicht lange genug kennenlernen dürfen und das kurze Jahr indem ich sie kennengelernt habe war für mich ein sehr inniges Jahr mit ihr. Die Trauer saß und sitzt tief und ging auch sehr weit und ich denke, dass man da keinem vorschreiben kann, wie lange und wie tief man trauern darf, wenn der Mensch einem sehr nahe war.

Ich kenne auch eine Frau, die ihr Kind durch plötzlichen Kindstod verloren hat. Das ist jetzt fast 10 Jahre her und sie hat ein kleines Gedenk-Altärchen aufgebaut. Bilder, eine Kerze und ein Kreuz stehen auf diesem Schränkchen und sie braucht diese Stelle auch um mit dem Tod fertig zu werden. Es war das erste und einzige Kind von ihr und sie konnte danach keine Kinder mehr bekommen. Warum sollte man das als "zu viel" oder "zu weit" ansehen. Jeder muss selbst wissen, wie er mit dem Tod eines geliebten Menschen umgeht.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


Wie schon an anderer Stelle erwähnt, wäre ich vorsichtig, öffentliches Gedenken oder sonstige Trauerbekundungen mit Trauer als Gefühls- und Seelenzustand gleichzusetzen.

Nur weil jemand aus den unterschiedlichsten Gründen diverse Traditionen pflegt, heißt das ja nicht, dass sich die Person in irgend etwas "hineinsteigert" und sich vor lauter Trauer krank macht. Je nach Region und Religion sind beispielsweise Jahrmessen gang und gäbe, und ich habe eher den Eindruck, dass die Hinterbliebenen mit dem Tod besser zurechtkommen, wenn er nicht sofort weggedrängt und totgeschwiegen wird, sondern selbstverständlich dazugehört.

Generell finde ich, dass mit Menschen in Trauer in unserer Gesellschaft oft recht kritisch und ungnädig umgegangen wird. Wenn man irgendein Gefühl zeigt, gilt man schnell als hysterisch, wenn man stoisch am Grab steht, als gefühlskalt, und wenn man nach ein paar Wochen oder Monaten noch nicht über den entsprechenden Schicksalsschlag "hinweg" ist und wieder perfekt funktioniert, ist man defekt oder "steigert sich hinein". Am liebsten wäre es manchen Kritikern wohl, wenn Totengedenken, religiös oder säkular, komplett abgeschafft wird, damit es einfacher ist, die lästige Vergänglichkeit zu verdrängen.

» Gerbera » Beiträge: 11289 » Talkpoints: 41,52 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Als "zu weit" würde ich es wahrscheinlich bezeichnen, wenn jemand sein eigenes Leben über einen längeren Zeitraum hinweg überhaupt nicht mehr auf die Reihe bekommt

Das hat ja nichts mit der Akzeptanz in der Gesellschaft oder sonstigen externen Faktoren und Meinungen zu tun sondern einfach mit der Tatsache, dass die betreffende Person selber wahrscheinlich sehr leidet und eventuell professionelle Hilfe gebrauchen könnte. Reaktive Depressionen existieren und je schneller man so etwas abklären lässt desto besser.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Trauer ist ein Ausdruck von Liebe, von Gefühlen und in gewisser Weise auch Ausdruck der eigenen Seele. Niemand sollte zu irgendetwas gezwungen werden, aber wenn solche Rituale wichtig für einen sind, dann ist das auch wichtig um dies zu verarbeiten und dieser Prozess muss stattfinden, damit man auch weiter leben kann. Deswegen kann Trauer nicht zu weit gehen, denn jeder Mensch muss seinen Weg finden um das Erlebte zu verarbeiten um auch selber zu überleben.

Niemand sollte einem anderen Menschen etwas aufzwingen, aber gerade bei Trauer finde ich auch, dass es kein richtiges oder falsches Trauern gibt. Natürlich kann man das von außen für sich bewerten, aber man kann nicht Vorschriften machen. Man sollte die Trauer von anderen Menschen einfach anerkennen und diese machen lassen, was sie für richtig befinden.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Cloudy24 hat geschrieben:Als "zu weit" würde ich es wahrscheinlich bezeichnen, wenn jemand sein eigenes Leben über einen längeren Zeitraum hinweg überhaupt nicht mehr auf die Reihe bekommt

Das sehe ich genauso und daher würde ich genau dort die Grenze ziehen. Sicherlich hat Trauer viele Gesichter und wenn manche Menschen deshalb besondere Gedenkstätten oder Gedenkrituale haben wollen, dann ist das eben so. Solange sie trotzdem selbstständig und unabhängig ihren Alltag bestreiten können, spricht doch nichts dagegen.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


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