Urteil des Europäischen Gerichtshofes mit Signalwirkung?

vom 11.01.2017, 14:39 Uhr

In der Schweiz hatte eine türkisch stämmige Familie geklagt, weil sie nicht wollten, dass die Tochter am Schwimmkurs teilnehme. Der Grund ist, weil dort sowohl Jungen, als auch Mädchen zusammen schwimmen würden. Die Familie lehnte es ab und hatte deswegen wohl auch die Klage eingereicht, weil es natürlich zu internen schulischen Disziplinarmaßnahmen gekommen ist.

Für all jene, die nun glauben, dass es sich um eine integrationsverweigernde Familie handel sei gesagt, dass die Familie aus der Türkei stammt und mittlerweile sogar den Schweizer Pass besitzt. Man muss also schon sagen, dass dort wohl schon eine jahrelang vorhandene Integration gegeben war, was aber den Fall jetzt nicht unterm Tisch kehren würde, wenn man dann wieder so verbohrt denkt.

Der europäische Gerichtshof hat jedoch, wie in diesem Artikel zu sehen ein Urteil verfügt, dass die Tochter teilnehmen muss, weil es der sozialen Integration zugute kommt.

Dieses Urteil wurde auf Facebook von Focus, der WAZ & Co übernommen und darunter waren circa 90 Prozent der Kommentare, auch ausländischer Natur eindeutig. Alle befürworteten das Urteil und empfanden es als Signalwirkung gegen weitere Klagen, was solche Themen angehen würde, die ja noch immer auch in DE ein heißes Eisen sind.

Jetzt wüsste ich daher gerne, ob ihr denkt, dass dieses Urteil eine Signalwirkung haben wird? Kann das, was der europäische Gerichtshof überhaupt als Urteil gegeben hat, europaweit auch als Begründung der Sachlage gesehen werden oder muss mit weiteren Klagen gerechnet werden? Wie wichtig ist das Urteil eurem Empfinden nach?

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Eine "Signalwirkung" kann und soll so was nicht haben, weil ja so ein Gericht immer den Einzelfall prüfen muss. In dem speziellen Fall finde ich es aber sehr bemerkenswert, dass das Gericht explizit anerkannt hat, dass es im Vorliegenden Fall nicht darum geht, dass die Mädchen schwimmen lernen. Denn das wollte der Vater den Töchtern wohl durch Privatstunden beibringen lassen. Vielmehr geht es um den weit gefassten Bildungsauftrag der Schule. Und dazu gehört eben der gemeinsame Sport- und Schwimmunterricht.

Hier lernen die Kinder den gleichberechtigten (sie lernen nicht, dass alle gleich sind - denn das behauptet ja auch keiner!) Umgang mit anderen Menschen. Ganz gleich welcher Nationalität oder Religion sie angehören bzw. welches Geschlecht sie haben. Und genau dies wiegt höher als die "Religionsausübung" - wobei aus meiner Sicht die Religionsfreiheit nicht betroffen ist. Denn den Vater kann niemand zwingen, mit seinen Kindern ins Freibad zu gehen oder "fremde" Jungen zu den Geburtstagsfeiern seiner Töchter zu dulden.

So sehr das Urteil auch zu begrüßen ist, so sehr wundere ich mich darüber, dass das überhaupt Erwähnung findet. Denn wenn tatsächlich in dem Sinn "Rücksicht" auf die "religiöse Befindlichkeit" genommen werden würde, dann könnte der Lehrplan stark gekürzt werden. Evolutionstheorie, Fortpflanzung, andere Religionen und vieles mehr dürfte dann ja nicht unterrichtet werden. Auch "Aufklärung" bzgl. Homosexualität usw. wäre tabu. Aber genau das sind ja nicht die Werte, bei denen am Ende eine Gesellschaft herauskommt, die ein freies Nebeneinander von unterschiedlichen Religionen vorsieht.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


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