Wie die Presse uns durch Falschmeldungen belügt!

vom 21.09.2007, 11:03 Uhr

Wer die letzte Folge von ZAPP - dem Medienmagazin auf dem NDR gesehen hat, konnte sich vielleicht wie ich ein leichtes Schmunzeln nicht verbergen. Neben grotesken PR Aktionen des Bundesfinanzministeriums ging es u. A. auch darum, wie die deutsche Presse sich nur auf schnellen Journalismus konzentriert, Meldungen und Leitartikel druckt ohne den Wahrheitsgehalt dieser zu prüfen und wie die journalistischen Medien im Allgemeinen mehr und mehr verfallen und sich sozusagen nur noch auf aufgebauschte Storys ohne Inhalte konzentrieren, die oft nicht der Wahrheit entsprechen.

Ich möchte hierbei 3 Beispiele anführen, die auch in der Sendung besprochen wurden, und die teilweise seit Monaten, teilweise erst seit kurzem in der Presse hoch- und runter verdaut werden ohne diese jemals hinterfragt zu haben:

Der Terroranschlag und die Konvertiten sowie Lügen in der Presse

Das erste Beispiel für schlampigen Journalismus war der verhinderte Terroranschlag auf die amerikanische Kaserne durch deutsche Konvertiten. Bei einigen Blättern heißt der Leitwolf „Fritz Abdullah“, bei anderen Blättern, die einen auf gut recherchierten Journalismus machen wollen, Fritz G – blöd ist nur: Jede Zeitung hat dabei den Müll der anderen nachgedruckt ohne einmal zu hinterfragen, ob das überhaupt stimmt, denn in Wahrheit hieß der angehende Terrorist mit dem Pixelbalken über den Augen Daniel S., was z. B. die „Saarbrücker Zeitung“ von Anfang an wusste – aber die meisten eben, u. A. Springerpresse, mal wieder nicht aufgrund ihrer schlampigen Arbeit.
Aber wie kann das sein? Tja, es liegt an dem, was jeder Journalist beherrschen sollte: das Recherchieren, was keiner der anderen Journalisten bei anderen Blättern hinter seinem Schreibtisch getan hat – die Saarbrücker Zeitung hat aus zuverlässiger Quelle durch Recherchearbeit erfahren, dass Fritz G. eben Daniel S. und nicht Fritz Abdullah oder sonst wer ist.

Falschzitat von Bosbach und der Medienhype darum

Und es ging gleich weiter mit der schlampigen Recherche vieler Blätter – die Konvertitendebatte um Wolfgang Bosbach. Zuerst sei gesagt, dass ein Konvertit jemand ist, der von einem Glauben zum anderen wechselt, also nicht nur vom Christentum zum Islam, sondern auch vom katholischen Glauben zum evangelischen oder vom Buddhismus zum Judentum usw. – dass viele Journalisten und Politiker dies fremd zu sein scheint, will ich ihnen mal nachsehen, da dies schon etwas Mindestinformation bedarf, die man vielleicht nicht immer hat, wenn man sich Informationen nur zwischen Arbeit und Klo zugänglich macht – im Radio kommt eben nicht der Stoff der 7. Klasse.

Jedenfalls veröffentlichte der Bayerische Rundfunk nach der Talkshow „Münchner Runde“ mit dem Thema „Terroristen unter uns. Wie gefährdet ist Deutschland?“ eine Pressemeldung, laut der Bosbach gesagt haben sollte: Wolfgang Bosbach hält Konvertiten-Register für sinnvoll – blöd nur, dass er das am Ende nie gesagt hatte, der Bayerische Rundfunk eine Ente rausgehauen hat, für die er sich mittlerweile bei Bosbach entschuldigt hat und jeder Depp hat es natürlich prompt nachgedruckt und für eine tolle Story gehalten. Bosbach konnte seinen Augen kaum glauben, als er „seine“ Aussage, die er nie gemacht hat, auf einmal überall in den Blättern las – von der Bordsteinjournaille bis hoch zur FAZ. Dabei ist der einhellige Tenor immer wieder der gleiche: Bosbach wird öffentlich gegeißelt für den Vorschlag des Konvertitenregisters, es wird von einigen Blättern die Diktatur heraufbeschworen, andere werfen ihm sein „Stammtischgerede“ vor.

Natürlich hat sich auch Hinz und Kunz aller Parteien über diesen „Fehltritt“ Bosbachs, den es nie gab, ausgelassen und politiktypisch auch mal tiefgeschossen, den wenn man gerade auf einen eintritt der am Boden liegt, warum nicht noch einmal kräftig nachtreten so wie Herr Dieter Wiefelspütz von der SPD: "Es wird so etwas nie passieren in Deutschland. Das ist rechtsstaatswidrig, das gefährdet den inneren Frieden. Ich reg mich richtig auf. Herr Bosbach sollte in Urlaub fahren, weil er offenbar überarbeitet ist.", so Wiefelspütz in der Tagesschau vom 12.09.2007 und Max Josef Stadler von der FDP, die sich aber mittlerweile bei Bosbach für ihre unqualifizierten Äußerungen entschuldigt haben.

Bosbach konnte sich über die ganze Affäre nur wundern – und auch hier kam wieder die schlampige Haltung der deutschen Journalisten zu Tage: "Von den Kommentatoren, die auch zum Teil unter die Gürtellinie gezielt haben, hat bei mir überhaupt keiner angerufen. Es gibt ja zwei Möglichkeiten: Man hat sich über die Meldung gewundert, man hat gefragt: Na, stimmt sie wohl oder stimmt sie nicht? Dann hätte man ja mal anrufen können. Oder man hat die Meldung für richtig gehalten, dann hätte man ja mal fragen können: Herr Bosbach, was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht? Wie kommen Sie dazu? Es hat sich überhaupt keiner gemeldet, auch keine Agentur." - „Ich [hatte] jedenfalls bei dem einen oder anderen den Eindruck: Nur nicht recherchieren, sonst geht mir noch diese Geschichte kaputt. Nur nicht nachfragen wie es gewesen sein könnte, denn dann kann ich den flotten Kommentar nicht schreiben. Und das ist dann schon bitter.", so Bosbach gegenüber ZAPP.

So haben Journalisten ohne Hintergrundinformationen wieder einmal brisante Themen ohne Beweise und ohne besseres Wissen durch die Presse gegurgelt und am Ende war es nur eine große Seifenblase und ein Lügenkonstrukt, was natürlich keiner zugibt. Bisher hat sich außer Wiefelspütz, Stadler und der Bayerische Rundfunk niemand bei Bosbach für diesen abfälligen und miesen Journalismus samt seinen Kommentaren entschuldigt – man weiß eben mal wieder von nichts. Also so gesehen herrscht dann noch der gleiche Wissensstand im Kopf wie beim Schreiben dieser Artikel vor – gähnende Leere.

Schlampig hoch drei – kostenlose PR für SecondLife

SecondLife – ja man kann es langsam nicht mehr hören, es wächst sich zu einem echten Hasswort aus. Aber warum schreibt dann jeder darüber wenn es keiner mag und laut Recherchen kaum einer online ist? Weil man dort reich werden soll? Ein paralleles Leben führen kann? Die Mitgliederzahlen und die Branche in SecondLife boomt? Oder weil alles nur Lügen sind, die einer Überprüfung in der Wirklichkeit nicht standhalten und nun den Abschluss der „Schlampiger Journalismus Triologie“ bilden soll.

Erstens – SecondLife und die sich drängelnden User

In SecondLife sind derzeit knapp 30.000 Spieler kontinuierlich online – und das in einer weltweiten Riesenwelt. Das merkt man sogar, wenn man SecondLife bereist – dort herrscht meist Leere auf den Straßen und in den Gebäuden und Shops. Also von Millionen von Nutzern, die mit ihrem Avatar unterwegs sind ist da nichts zu spüren, man drängelt hier nur die virtuelle Luft aus dem Weg, sonst nichts. Laut Angaben von ZAPP hat allein die Homepage des Münchner Verkehrsverbundes täglich 10mal so viele Hits, wie in SecondLife im gerundeten Durchschnitt (also 30.000) User unterwegs sind – wie gesagt, SecondLife gibt es weltweit und es soll weltweit boomen.
Jürgen Kuri, stellvertretender Chefredakteur von der „c´t“ kann das nur bestätigen: „Dass da irgendwie große Konzerte stattfinden würden, wie oft beschrieben wird, oder dass Clubs mit Tausenden von Leuten da irgendwie zu finden wären, das ist einfach nicht der Fall. Man ist meistens alleine, unter der Woche sowieso und auch an Wochenenden hält es sich doch sehr in Grenzen, was man da an Vergnügungen machen kann. Wenn man auch in einer Provinzstadt in irgendeinen Club geht, ist meistens mehr los als in Second Life.“

Zweitens – Der Wirtschaftsboom in SecondLife

Tja, jedes Unternehmen, jeder Sportverein und jedes Wald-und-Wiesen Geschäft hat im allgemeinen Interesse eine Präsenz in Second Life eröffnet, wir haben ja selbst einige Meldungen im Forum – nur: dort ist kaum ein Kunde zu finden, es kauft kaum jemand ein, im Grunde sind das virtuelle online Monumente, die keiner besucht, weil kaum jemand in der virtuellen Welt Geld ausgibt. BVB hier, DaimlerChrysler dort, Adidas da – und der Kunde überall, nur nicht bei SecondLife.
Denn für das System, echtes Geld für etwas auszugeben, was nur virtuell vorhanden ist, ist seit jeher gering – zwar gibt es auch genug Menschen, die sich ihr Warcraft Zeugs zusammenkaufen – aber hier „bekommt“ man noch etwas, eine gewisse Art Vorteil im Spiel der einigen Geld wert ist. Bei SecondLife bekommt man keinen Vorteil durch Zukäufe dieser Art und daher ist das Prinzip Geld gegen virtuelles Allerweltszeug nicht sehr erfolgreich. Auch die angeblichen Berichte um Menschen die auf SecondLife reich geworden sind, wie die ominöse Immobilienhändlerin, die jetzt Millionärin sein soll – dafür gibt es keine Beweise.

Der einzige für den hier die Wirtschaft boomt ist LindenLabs, da die Betreiber an jedem umgesetzten LindenDollar mitverdienen – bei allen anderen sieht es eher mager aus: Die größte SecondLife Bank ist gerade Konkurs gegangen mit einem Schaden von 500.000 Euro – soviel zum wirtschaftlichen Erfolg, wo jeder schnell reich werden soll. Doch SecondLife wurde auch weiter kritisiert, da es sich hier laut Ansicht von US Ökonomen um eine Art Pyramidenspiel handeln soll, bei dem wenige User, nämlich 129 mit mehr als 5.000 Dollar Monatseinnahmen, gut verdienen und viele, knapp 25.000 User mit einem Verdienst von 10 Dollar im Monat, mehr oder weniger draufzahlen würden. Achso, diese Zahlen gelten nicht für Deutschland, sondern weltweit – man kann sie anhand der Nutzerstatistik von LindenLabs auch selbst nachschlagen.

Doch woher kommt dann der Hype umd SecondLife, wenn überall der Wurm drin ist?

Ganze einfach, um den Bogen zum Anfang zu spannen, weil wieder einmal schnell geschossen wurde, aber nicht nachgesehen wurde, auf wen – also schlampige Recherche vom Gemeindeblatt bis hoch zum „Spiegel“, in der nur Meldungen nachgekaut, aber nicht nachrecherchiert wurden und jeder sich auf das vom anderen verließ:

Ein Dozent für online Recherche, Martin Schöb, sagte gegenüber ZAPP: "Es ist ein Skandal, wie ein einzelnes privatwirtschaftliches Unternehmen, wenn nicht hofiert wurde, dann aber mit kostenloser PR versorgt wurde, und das über Wochen und Monate, ohne einen Ansatz von Skepsis und Distanz dabei zu zeigen." - "Es war wochenlang ja so, dass es tatsächlich genügt hat für ein Unternehmen, um wunderbar an kostenlose PR vom Feinsten zu kommen, einfach eine Pressemitteilung über die Ticker laufen zu lassen, in der nichts weiter stand, als wir Daimler-Chrysler, Adidas oder wie sie alle heißen, sind jetzt auch in Second Life, und genau diese Pressemitteilung wurde mehr oder weniger identisch dann durchgereicht durch die Redaktionen bis ins Blatt, und das war eigentlich der Tiefpunkt der Berichterstattung über Second Life."

SecondLife gibt es seit 2003 und damals hat sich keiner dafür interessiert – bis die amerikanische PR Agentur „Flashpoint“ sich der Sache annahm und Werbung für SecondLife mit Pressemitteilungen machte, die unrecherchiert nachgeplappert, geschönt und nachgedruckt wurden. „Die Leute sind sehr nervös. Da sitzt der Colt sehr locker. Man haut lieber mal ordentlich drauf gleich, mit dem Risiko, dass man vielleicht ein bisschen übers Ziel hinausschießt, als das man einen Hype verschläft. Und dadurch kann ich mir auch erklären, dass auch seriöse Medien, die werden dann nervös und denken sich: Na, dann machen wir mal lieber einen los, anstatt dass man uns hinterher vorwirft, wir hätten da was verschlafen.“, so Kai-Uwe Weidlich, Geschäftsführer des Medieninstituts Ludwigshafen gegenüber ZAPP.


Die Frage ist am Ende natürlich – was kann man bei solcher „Berichterstattung“ noch glauben, was stimmt wirklich, was ist nur schlecht recherchiert, was ist schlampiger Journalismus und was stimmt denn überhaupt, denn als Leser verlässt man sich natürlich auf solch fehlerhafte Berichterstattung in der Annahme, dass es wohl auch stimmen mag und dass man nicht damit rechnet, getäuscht zu werden und dies den Journalismus insgesamt, wie in diesen 3 Fällen angesprochen, in einem weniger guten Licht erscheinen lässt, und ob man nichts glauben und alles 3mal selbst hinterfragen muss, wofür vielen oft die Zeit und der nötige Ansporn fehlt.

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Wo ist denn das schon lange bekannt? Das ist ja gerade das Problem, welches aufgedeckt wurde, dass die drei angesprochenen Fälle nicht bekannt waren sondern von Redaktion zu Redaktion weitergereicht haben - oder belege mal Deine Behauptung mit Ausschnitten aus der Presse.

Du wirst es nicht können, da man sich selbst und seine Falschberichterstattung und schlampige Arbeit nicht offenlegt, was sollen denn da die Leser denken?

» KrashKidd » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


So gut wie alle Medien haben schon peinliche Falschmeldungen gebracht, sind auf Hoaxes reingefallen (Beispiele: "Bund Deutscher Juristen", der falsche Vorname von Guttenberg bei Wikipedia abgeschrieben, aus Fake-Account von Martina Gedeck bei Twitter zitiert usw.) - und es wurde danach auch mehr oder weniger groß drüber berichtet. Für alle Journalisten - das hier nicht zitieren, auch Knurr1983 ist ein Fake-Account!

» Knurr1983 » Beiträge: 1 » Talkpoints: 0,26 »



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