Existenzängste haben

vom 06.04.2009, 16:06 Uhr

Mich interessiert, ob ihr jemals in einer Situation wart oder noch immer seid, in der ihr behaupten würdet, dass ihr richtige Existenzängste habt. Also für mich bedeutet das, dass man Angst hat davor, kein Geld mehr zum Leben zu haben und praktisch die Existenz in Gefahr ist. Oder fühltet ihr euch bisher immer gut behütet (vielleicht auch vom Staat) und dieser Gefahr nicht ausgesetzt?

Während meiner Studium muss ich sagen, dass ich öfter mal solche Ängste hatte, weil ich einfach nicht wusste, wie ich mir z.B. am nächsten Tag etwas zu essen kaufen sollte oder wie ich das Geld für die Busfahrkarte zusammen bringen soll. Solche Zeiten gab es hin und wieder mal und vom Staat habe ich mich in dieser Hinsicht dann emotional nicht abgesichert gefühlt, weil ich als Studentin natürlich niemals Sozialhilfe bekommen würde und das Bafög, was ich bekam, einfach so gering war, dass die letzte Chance gewesen wäre, meine Eltern auf den Unterhalt zu verklagen, den sie mir eigentlich hätten zahlen müssen (was vom Bafög-Amt damals ermittelt wurde).

Zum Glück konnte ich das immer umgehen und habe mich so durchgemogelt, aber das Gefühl morgens aufzuwachen und zu hoffen, dass man den Tag über ganz gut mit Leitungswasser und Butterbrot übersteht, kenne ich schon und würde das sicher asl Existenzangst bezeichnen. Auch wenn es immer nur sehr kurze Phasen waren.

» Sippschaft » Beiträge: 7575 » Talkpoints: 1,14 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Hallo Sippschaft!

Ich kann auch behaupten, dass ich schon ein paar mal Existenzängste hatte. Ich kann wegen einer Krankheit nicht arbeiten gehen und bekomme mein Geld daher immer auf Zeit. Wenn diese Zeit dann mal wieder um ist, geht das neue zittern los, ob ich das Geld weiterhin bekommen werde oder nicht.

Als das alles anfing, fühlte sich auch niemand für mich zuständig und das Arbeitsamt hat mich weiter geschickt. Sie meinten, dass ich ein Recht auf Grundsicherung habe. Dieses hatte ich aber nicht. Damals hatte ich auch oft Angst, dass ich irgendwann ganz ohne Geld da stehe. Das stand ich sogar auch mal. Denn nach meiner Ausbildung war ich arbeitslos und ich habe mich geschämt und bin aus Angst, nicht zum Arbeitsamt gegangen. Mein Freund hat mich dann aber unterstützt und wir sind gemeinsam dorthin gegangen.

Ich habe schon ein paar Mal nicht gewusst, wie es weiter gehen soll. Das Gefühl ist wirklich schlimm. Da kann man dann von Glück sagen, wenn man Freunde und Familie hat, die für einen da sind und einem im Notfall unterstützen würden.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


So direkt hatte ich das noch nicht. Ich wohne im selben Haus wie meine Mutter, in einer Einliegerwohnung, also theoretisch für mich, aber eben doch noch nicht völlig unabhängig. Daher ist für mein Auskommen immer gesorgt, weil meine Mutter und wir(mein Freund und ich) auch meist zusammen einkaufen und kochen. Wir steuern finanziell zwar etwas bei, aber wenn wir mal einen Engpass haben sollten, würde meine Ma dann immer noch einspringen. Wobei, wie ich meine Mutter kenne, würde sie darauf vermutlich sogar bestehen, wenn wir in einer anderen Stadt wohnen würden. Mein Bruder wohnt schon lange nicht mehr daheim, aber einmal im Monat macht sie mit ihm einen Großeinkauf und bezahlt dann auch teurere Sachen, wie Schampoo und Duschgelvorräte, etc. Für uns würde sie sicherlich das gleiche tun und uns nicht hängen lassen, obwohl abhängig zu sein natürlich auch nicht schön ist. Es nimmt einem aber die Panik, wenn man weiß, dass im ärgsten Notfall noch jemand da ist, der einen unterstützt.

Ich erinnere mich allerdings an Zeiten, wo meine Eltern diese Ängste sicherlich hatten. Mein Vater hatte eine Anwaltskanzlei, die am Anfang auch nicht schlecht lief. Auch später hatte er noch Mandanten genug, allerdings hat er von denen dann meist nur noch den Vorschuss gesehen und dann nichts mehr. Die Miete für seine Kanzleiräume, das Gehalt seiner Sekretärin und die Versicherungsbeiträge musste er aber natürlich trotzdem zahlen, so dass am Monatsende nicht mehr viel übrig blieb und er teilweise sogar drauf gezahlt hat. Meine Mutter hatte damals nur eine halbe Stelle und hat uns mit ihrem Gehalt geradeso über Wasser gehalten. Als mein Vater dann krank wurde und teure Medikamente benötigte, die Krankenkasse aber verlangte, dass wir das erstmal vorstrecken, musste meine Mutter sich das Geld für Lebensmittel oft von mir von meinem BAFöG leihen, weil kein Cent übrig bleibt.

Da wurde mir dann erst richtig bewusst wie knapp es schon all die Jahre vorher gewesen war und in welcher Notsituation sich meine Eltern befanden. Bis dahin hatten sie es gnädigerweise ziemlich gut vor uns versteckt, auch wenn uns Kindern immer klar war, dass wir keine großen Sprünge machen können und teure Klamotten oder gar mal ein neues Auto für meine Eltern einfach nicht drin sind. Aber dazwischen und nicht zu wissen, wovon man Miete und Lebensmittel bezahlen soll, besteht ja noch ein himmelweiter Unterschied. Das habe ich eben nur sehr kurz und auch nur gefiltert erlebt, aber nicht so direkt, wie ihr das jetzt beschrieben habt.

» Sorcya » Beiträge: 2904 » Talkpoints: 0,01 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Ich bin an sich immer recht gut behütet aufgewachsen. Erst später wurde mir bewusst, das meine Mutter die war, die das Geld hatte. Wobei ich mir da heute an sich auch nicht mehr sicher bin, woher das kam. Im Grossen und Ganzen hatten wir Kinder materiell ziemlich viel und haben uns da auch nie gross Sorgen drum gemacht. Das wir nie in den Urlaub gefahren sind, fiel schon mal auf, aber zumindest ich, dachte immer, das sei wegen dem Geschäft meiner Eltern, das jahrelang gar keine Betriebsferien machte.

Das mein Vater wenig Geld hatte, war mir nie wirklich bewusst. Immerhin hatte er ja ein Geschäft. Wie schlecht es mit dem Geschäft aussah, spürte ich das erste Mal kurz bevor ich meine Ausbildung in die Richtung anfing. Da war ganz kurz mal die Rede davon, das meine Eltern am überlegen sind, ob ich die Ausbildung machen sollte, weil halt unklar sei, wie lange mein Vater das Geschäft noch hat. Das war aber dann irgendwann kein Thema mehr. Richtig bewusst, wie schlecht es dem Geschäft geht, wurde es mir erst, als ich bei meinem Vater gearbeitet habe. Und ich denke schon, das er enorme Existenzängste hatte. Aber er liess sich da auch wenig helfen. Uns Kindern gegenüber sprach er erst offen darüber, als es schon längst zu spät war und wir sollten ihm dann helfen. Haben wir gemacht, so gut es ging. Da waren wir Kinder allerdings auch schon fast 30 Jahre alt. Uns war auch bewusst, das es später nicht so rosig aussah. Aber Hilfeangebote nahm er keine an. Vorallem ist er nicht bereit, seine Vermögensverhältnisse uns gegenüber offenzulegen. Da kann man ihm dann schlecht helfen.

Ich habe in meinem Leben persönlich immer mal wieder Existenzängste gehabt. Und die werden, mit steigendem Alter, auch immer "schlimmer". Ich war öfters arbeitlos und hatte dann natürlich schon Angst in die Sozialhilfe abzurutschen. Als ich das letzte Mal arbeitslos war, dachte ich schon über Hartz 4 nach, fand dann aber einen Job. Einen job bei dem ich im Endeffekt nur ein wenig mehr verdiente, als mit Hart 4.

Seit ein paar Jahren bin ich nun krank. Vor drei Jahren habe ich dann Rente beantragt. Im Hinterkopf schon der Gedanke, was wird, wenn mein Krankengeld ausläuft. Das konnte ich zum Glück abwenden, beziehungsweise kam der Rentenbescheid rechtzeitig. Rente auf Zeit bis März 2009. Da dachte ich auch, erstmal haste Ruhe und kannst dich um dich kümmern. Nur lag die Rente unter dem Hartz 4 Satz. Dementsprechend lebte ich auch davon. Immer mit der Angst, es könnte was kaputt gehen etc. Bis mir jemand half ergänzende Sozialleistungen zu beantragen. Aber das war mir nie wirklich sicher. Immer die Angst, man streicht mir die paar Euro die ich von denen bekam. Ich glaube die haben wenig Bezieher die alles so genau wie ich vorlegten. Einfach aus Angst, man könnte mir die Leistungen streichen. Die waren nicht hoch, aber was halt noch so mit dran hängt.

Ende letzten Jahres dann wieder ein Krankenhausaufenthalt. Da ich so wenig Leistungen beziehe, wurden mir die natürlich auch gleich komplett gesperrt. Dann ein Schreiben vom Amt, das sich das Wohngeldgesetz ändert und mir dort Leistungen zustehen. Seitenlange Anträge, Stress mit dem Vermieter deswegen und ich ohne zusätzliches Geld. Und immer in der Angst, wie hoch fällt das wohl aus. Das Wohngeld ist zwar nun höher als meine ergänzende Sozialhilfe, dafür fallen andere Sachen weg, die ich mit ergänzender Sozialhilfe halt bekommen würde.

Meine Rente lief ja auch aus. Also einen Verlängerungsantrag gestellt. Immerhin geht es dabei um meine Existenz. Ich wüsste nicht, was ich ohne Rente machen würde. Im erlernten Beruf kann ich nicht mehr arbeiten. Und was anderes? Ich wüsste zur Zeit nicht wie. Die Rentenversicherung lässt sich Zeit. Kurz vor Ablauf der Rente musste ich dann doch noch zum Gutachter. Vorerst ist die Rente für zwei Monate verlängert und nun warte ich auf den entgültigen Bescheid. Und habe da natürlich Angst vor.

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge



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