Philosophie 101 - Das moralische Dilemma

vom 14.10.2008, 13:05 Uhr

Stellt euch einmal vor, ihr läuft an einem Fluss entlang und seht, wie zwei Kinder am ertrinken sind. Beide Kinder sind gleich weit von euch entfernt und gleichen sich sonst in allen Dingen (Alter, Größe, Gewicht, Aussehen, etc.). Ihr habt aber nur genug Zeit, eins der beiden Kinder zu retten. Wie entscheidet ihr euch, welches Kind ihr rettet? Kind A oder Kind B?

Dies dürfte das Paradebeispiel für ein Dilemma sein. In der Philosophie erzeugt dieses Thema häufig heftige Diskussionen. Mich würde hierzu mal eure Meinung interessieren. Anbei mal noch zwei philosophische Definitionen zum moralischen Dilemma.

Sinnott-Armstong:

Schwache moralische Dilemma: Sind dann gegeben, wenn die Handelnde Person nicht darum herum kommt, eine moralische Pflicht (z.B. nicht zu töten, stehlen, ...) zu verletzen. Bei den schwachen moralischen Dilemma gibt es verschiedene Gewichtungen. So kann eine moralische Pflicht eine andere übertrumpfen. Beispielsweise Kind retten, oder Kind nicht retten. Da das Kind zu retten wichtiger ist, als das Kind nicht zu retten, ist klar, dass das Dilemma, auch wenn hier ein armseliges Beispiel, lösbar ist. Man kann in diesem Fall nicht wirklich von einem Dilemma sprechen.

Starke moralische Dilemma: Diese Art von Dilemma kann es nicht geben, da sie dahingehend definiert sind, dass eine übertrumpfende Pflicht übertrumpft werden muss. Nach der Definition von übertrumpfenden Pflichten (s.o.) ist diese Art von Dilemma nicht möglich und wird hier nur der Vollständigkeit wegen erwähnt.

Moderate moralische Dilemma: Sind die eigentlich weitläufig bekannten Dilemma Situationen. Man kommt nicht umher, eine nicht überwiegende Pflicht zu verletzen. Wie anhand des obigen Beispieles mit den beiden Kindern gezeigt. Beide Kinder in diesem Beispiel sind mit nicht überwiegenden Pflichten zu vergleichen. Da beide exakt die gleichen Prämissen besitzen.

Dies sind die von Sinnott-Armstrong gegebenen Definitionen der einzelnen Dilemma Situationen. Nach seiner Ansicht lässt sich keine allgemein gültige Handlungsart erreichen und es liegt bei den einzelnen Personen, die Situation nach ihrem Gewissen zu lösen.

Ein anderer Vertreter, den ich hier als Gegenstück noch erwähnen möchte ist Simon Blackburn. Blackburn betrachtet das Phänomen des Dilemmas auf eine etwas andere Weise.

Zunächst schlüsselt er es ebenfalls in drei verschiedene Kategorien auf.

Das objektive Dilemma: Bei dieser Art gibt es keinerlei Indikatoren, welche bei der Entscheidungsfindung als hilfreich angesehen werden können.

Das subjektive Dilemma: Hier erscheint[ es der handelnden Person so, als das es keine Lösungsmöglichkeit gibt. Jedoch ist diese lediglich unbekannt.

Stabile Dilemma: Die handelnde Person hat keine Möglichkeit etwaige Lösungsmöglichkeiten für ein Problem, auch wenn es diese gibt, für sich selbst nutzbar zu machen.

Wie zu sehen ist, stehen bei Blackburns definitionen in etwa die gleichen Gedankengänge wie bei Sinnott-Armstong im Hintergrund. Das stabile Dilemma ist mit dem moderaten Dilemma Sinnott-Armstongs in etwa gleichzusetzen. Jedoch mit dem gewaltigen Unterschied, dass Blackburn hierfür einen Lösungsweg angibt.

Seiner Meinung nach, liegt die einzige Möglichkeit, bei einem Dilemma das unlösbar ist, richtig zu handeln darin, jeden rationalen Lösungsversuch abzulegen und den Zufall entscheiden zu lassen.

Ich persönlich würde den Zufall entscheiden lassen, welches Kind gerettet wird, da dies meiner Meinung nach die einzige Option ist, die beiden Kindern die gleichen Chancen in Aussicht stellt. Wahrscheinlich würde ich hierfür einfach eine Münze werfen.

so long

» JohnDoe » Beiträge: 72 » Talkpoints: 0,16 »



Ich denke es gibt ja nur zwei Handlungsalternativen. Die erste ist, garnichts zu tun, um nicht in einem Dilemma zu enden :lol: Die zweite umfasst halt eine Folgeentscheidung, nämlich welches Kind zu retten ist. Diese ist im konstruierten Beispiel ja denkbar einfach, da es keine "Rangfolgemerkmale" unter den zu rettenden gibt. Viel interessanter als das beispiel sind doch die Abwandlungen!

Was ist, wenn das eine mein Kind ist, sagen wir 10 Jahre und das Andere ein kleineres Kind ist? Rette ich dann mein Kind, das sich vielleicht noch etwas länger über Wasser halten kann oder erst das Andere und habe so eine Chance mein Kind zu retten? Was ist wenn ich beide Kinder kenne, das eine ist meines und das Andere das meiner Schwester? Was ist, wenn die Annahmen aus dem Beispiel wieder gelten, aber ein Kind schwarz/asiatisch/türkisch/etc. und das Andere Deutsch?

Also das Modell ist ja interessant, in dieser Konstellation aber eher langweilig, viel spannender finde ich, was die Rangfolgekriterien bzw Auswahlkriterien sein könnten!

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» Herr Lehmann » Beiträge: 558 » Talkpoints: 5,56 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Was ist, wenn das eine mein Kind ist, sagen wir 10 Jahre und das Andere ein kleineres Kind ist? Rette ich dann mein Kind, das sich vielleicht noch etwas länger über Wasser halten kann oder erst das Andere und habe so eine Chance mein Kind zu retten? Was ist wenn ich beide Kinder kenne, das eine ist meines und das Andere das meiner Schwester? Was ist, wenn die Annahmen aus dem Beispiel wieder gelten, aber ein Kind schwarz/asiatisch/türkisch/etc. und das Andere Deutsch?

Das Problem, dass man bekommt, wenn man jedem Kind eigene charakteristische Eigenschaften zuordnet ist, dass es sich dann im eigentlichen Sinne um kein Dilemma mehr handelt. Denn sicherlich wird jeder Vater zuerst sein eigenes Kind retten, bevor er versucht, ein fremdes Kind zu retten.

Ebenso dürfte klar sein, dass man bei unterschiedlich alten Kindern zuerst das jüngere rettet (es sei denn beide sind unter 4 Jahren, denn dann hat sich die Altersunterscheidung beim schwimmen ziemlich erledigt), denn man geht im allgemeinen davon aus, dass das ältere Kind besser schwimmen kann und man somit darauf spekuliert, genug Zeit zu haben, beide Kinder zu retten. Oder dass man davon ausgeht, dass das jüngere Kind länger zu leben hat, als das ältere.

Bei solchen hinzugefügten Spezifikationen dreht sich die Diskussion weniger um die moralische Implikation, sondern vielmehr um den gesellschaftlichen Hintergrund, der rettenden Person (Rassist, Familienvater, Rettungsschwimmer, etc.).

Bei einem klassischen Dilemma hingegen, dass selbstverständlich in der oben genannten Ausführung rein hypothetisch ist, tritt der gesellschaftliche Hintergrund ins Abseits und die moralischen Werte des einzelnen werden auf die Probe gestellt, ohne durch seine gesellschaftliche Stellung beeinträchtigt zu sein.

Daher wird ein solches Beispiel gewählt, da es zeigt, wie der einzelne reagieren würde. Entscheidet man sich eher dazu zu sagen, dass man an diesem Punkt sowieso keinen Einfluss mehr hat und überlässt es dem Zufall, oder versucht man sich eine rationale Erklärung zu liefern, welches Kind wohl am ehesten zu retten wäre und sich dabei bewusst ist, sich den Rest seines Lebens mit etwaigen Schuldgefühlen befassen zu müssen.

so long

» JohnDoe » Beiträge: 72 » Talkpoints: 0,16 »



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