Ein Europa der Lobbyisten

vom 17.06.2008, 16:10 Uhr

Wir werden von gewählten Politikern regiert? Falsch. Längst haben Lobbyisten das Sagen, nicht nur in deutschen Politik, sondern vor allem die EU in fest in den Händen der Lobbyisten. Gerade die Wirtschaftslobbyisten sind besonders erfolgreich, sie beraten als Experten die entsprechenden Gremien und nehmen ganz direkt Einfluss auf die Gesetzgebung. Auf jeden der 758 Abgeordneten im Europaparlament kommen fast zwanzig Lobbyisten. Zeit, die Reißleine zu ziehen. Eu-Kommission und europäisches Parlament haben beschlossen ein Lobbyregister einzuführen und damit mehr Transparenz zu schaffen.

Beispiel gefällig: Die EU-Chemikalienrichtlinie REACH. Ziel dieses Projektes war es die Folgenabschätzungen der Chemieproduzenten für ihre Produkte detailliert zu dokumentieren. Der Haken an der Sache: rund 10.000 alte Chemikalien müssten neu untersucht werden, obwohl sie seit Jahrzehnten im Einsatz sind und das obwohl für sie keine Risikobewertung vorliegt. Federführend wurde diese Richtlinie von einem Mitarbeiter erstellt, der ab 2001 in Brüssel, ab 2004 in Berlin dafür zuständig war. Nur stand genau dieser Mitarbeiter auch bei BASF auf der Gehaltsliste. Dies war zwar ein besonders akuter Fall und ein besonders dreister dazu, aber auch andere Unternehmen machen nicht halt vor ähnlichen Aktionen.

Exxon gründet einen Think-Tank zum Thema Klimawandel. Die Ergebnisse sollen zwar Unabhängigkeit vorgaukeln, nur wer weiß, wer dahinter steckt kann die Ergebnisse aber auch deuten. Aventis gründet eine eigene Patientenorganisation. Man schiebt "bezahlte" Verbraucher vor, um im Parlament eigene Interessen durchzusetzen.

Nicht mal eine räumliche Trennung besteht mehr. "European Business an Parlament Scheme, eine Wirtschaftsvereinigung mit Firmen wie Unilever, Microsoft, British Tobacco, zieht im Parlamentsgebäude ein - kostenlos. Der Organisation werden Büros kostenlos zur Verfügung gestellt und sogar die Kommunikation läuft über Emails des Parlamentes. Das wäre so, als würden deutsche Interessen wie der BDI, die IHK oder Gewerkschaften direkt im Parlament vertreten sein. Wir leben leider in einer Lobbykratie, einzige Abhilfe: Aufklärung!

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» betty » Beiträge: 1460 » Talkpoints: 0,13 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



So weit ich weiß, handelt es sich bei "European Business and Parliament Scheme" um Repräsentanten (und damit Unternehmen) verschiedener Wirtschaftszweige, die die Zusammenarbeit von Politik und Wirtschaft in Europa fördern soll. Man mag dies natürlich skeptisch sehen, prinzipiell handelt es sich hierbei aber um eine offizielle und keineswegs intransparente "Veranstaltung", über die sich jeder auf der Website der Europäischen Union informieren kann.

Die Schlussfolgerung, dass dies so ist, als würden einzelne Unternehmen im deutschen Parlament sitzen würden, hinkt natürlich, denn die angesprochenen Unternehmen sitzen ja nicht im Europäischen Parlament.

Allgemein kann ich zu diesem Thema nur sagen: Kritik am Einfluss der Wirtschaft auf die Politik ist in Einzelfällen schön, gut und in einer Demokratie auch notwendig, ich halte allerdings nichts davon, jedem Politiker amoralisches Verhalten zu unterstellen, nur weil er mal einem Wirtschaftsboss die Hand geschüttelt hat. Hilfe, ich klinge schon wie Westerwelle. :D

» Morphelia » Beiträge: 29 » Talkpoints: 0,15 »


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