Unternehmensberatung - Segen oder Fluch?

vom 19.04.2008, 19:40 Uhr

Ich befinde mich am Ende meines Studiums und stehe nun bald (im Sommer) vor der Wahl in welche Branche ich einsteigen möchte.

Ich habe Wirtschaftsinformatik studiert und wie mein Prof. schon im ersten Semester sagte "85% von Ihnen werden nach erfolgreichem Studium bei einer Unternehmensberatung landen" fühle ich mich im Moment auch.

Ein wenig zum Hintergrund: Ich habe schon mehrere Praktika bei recht großen deutschen Industrieunternehmen gemacht. Dort hat mir jedes mal die wiss. theoretische Basis gefehlt. Was gemacht werden sollte, wurde irgendwie angepackt, keiner wusste genau wie..aber am Ende kam schon irgendwas bei raus (Qualität mal dahin gestellt). Mit der Hoffnung bei einer Unternehmensberatung etwas wiss. an die Sache herangehen zu können, habe ich meine Diplomarbeit bei einer mittelgroßen Unternehmensberatung geschrieben. Dies gefiel mir eigentlich bisher ganz gut, da eben genau meine Hoffnungen zum größten Teil erfüllt wurden. Das Unternehmen ist offen für neue Sachen und versucht diese dann auch wiss. zu fundieren. Allerdings konnte ich in der Zeit ein wenig in das Beraterleben reinschnuppern.

Das zukünftige Beraterleben sieht eher so aus, dass man eine 40-80h-Woche hat und eigentlich nur vom Projekt zu Projekt reist. Eigentlichen Heimatort hat man da nicht mehr. Die meisten Stellenausschreibungen beinhalten daher auch meistens als Einsatzort "bundesweit". Versteht mich nicht falsch, ich bin ein sehr reise freudiger Mensch und würde sehr gerne an interessanten Projekten in unterschiedlichen Städten (oder Ausland) arbeiten wollen, nur will ich dafür auch zum Ausgleich eine Phase wo ich ein Privatleben haben darf und genau das fehlt mir bisher bei den ausgeschriebenen Stellen.

Ich möchte eine vernünftige Life-Work-Balance in meinem Job haben. Bin bereit durchaus mal mehrere Monate ununterbrochen zu arbeiten und zu reisen, möchte jedoch auch dafür mal mehrere Monate normale Bürotage haben, wo ich in der Nähe dieser sein kann, die mir wichtig sind.

Die Vorteile bei einer Unternehmensberatung zu arbeiten will ich auch nicht abstreiten. Man bekommt in der Regel ein sehr gutes hohes Einstiegsgehalt, meist sogar mit einigen Extras etc. Auch ist man dort sehr flexibel. Mit einem Notebook kann man eigentlich arbeiten wo man will, im Büro, beim Kunden, zu Hause usw. Ich habe das bei meiner Diplomarbeit sehr geschätzt, wenn das Büro mal voller war, bin ich einfach zu Hause geblieben und habe dann dort meist effektiver meine DA schreiben können.

Im Moment stehe ich daher in der Zwickmühle: Lieber hohes Einstiegsgehalt, viel Arbeiten, wenig Freizeit und kein Zuhause oder eben niedrigeres Einstiegsgehalt, geregelter Arbeitstag in der Industrie und eine Privatleben.
Dazu muss ich sagen, dass die Projekte und Jobs mich in der UB mehr reizen als die Aufgaben in der Industrie. In meinen Praktika war ich dort oft unterfordert und gelangweilt von den veralteten Ansichten der Unternehmen.

Wie steht ihr dazu? Würdet ihr "eure Seele" verkaufen und in die Beratung gehen, wenn ihr die Chance dazu hättet, oder lieber in die Industrie und dafür eine geregelten Arbeitstag mit Privatleben und Zuhause zu haben?

» Ditschi » Beiträge: 321 » Talkpoints: 0,39 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Na dann gehöre ich wohl eindeutig zu den Seelenverkäufern und daher ist mein Rat auch eher subjektiv von diesem Standpunkt geprägt. Ich bin übrigens auch in einer Unternehmensberatung im IT Bereich tätig - ich sag natürlich nicht welche, aber aufgrund meiner politischen Überzeugungen gerate ich da auch oft in Gewissenskonflikte da ich im Grunde in keinem Punkt mit meinem Arbeitgeber hier etwas gemeinsam habe.

Jedoch bin ich bereit, meine "Seele" temporär auf dem Markt feilzubieten, allerdings nur wie bei Dir, unter der Bedingung dass es sich lohnt / lohnen könnte, da ich kein Interesse habe, mit 40 / 45 noch zu arbeiten. Daher reiß ich mir lieber jetzt den Hintern auf und opfere fast meine gesamte Zeit und Freizeit um dieses Ziel früstmöglich, am besten mit 38, zu erreichen. Ich weiß, Gier treibt einen dann meist doch weiter, nur ist mein Ziel seit Jahren soundsoviel zu erreichen und dann auszusteigen - ich will mir diesen Luxus jedoch absichern und definitiv leisten können und nicht 10 Jahre später wieder davon Abstand nehmen.

Also meine Life-Work Balance geht daher in die Richtung: Jetzt soviel schaffen wie möglich um später davon lange zu zehren.Meine Vorstellung von einem erfüllten Leben ist es nicht, ein Leben lang arbeiten zu müssen eingebunden im Trott eines 8 - 10 Stunden Tages.

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Da sprichst du wahre Worte. Diese Gedanken habe ich mir auch schon mal gemacht. Eigentlich war das meine ursprüngliche Idee. Nach dem Studium so richtig schön den Arsch aufreißen, arbeiten ohne Ende und dann schön viel Kohle auf dem Konto haben. Inzwischen hat sich jedoch dieses Ziel leicht verändert. Kohle ist mir nicht mehr so wichtig. Vorallem wenn ich sehe, dass ich bei Industrieunternehmen ca. nur 5-10k€ im Jahr weniger verdiene, dafür aber einen geregelten Arbeitswerktag habe.

Ich denke ich werde es so machen, dass ich jetzt erst einmal in eine Unternehmensberatung gehen werde und da mir den Arsch für 2 Jahre und länger aufreißen werde. Wenn meine Freundin dann mit Studium fertig ist werde ich mich nach Stellen mit weniger Zeitaufwand umschauen. Nach dem Motto wieso in 5 jahren Burnout-Syndrom haben, wenn man auch es auch lockerer (gute Work-Life-Balance) haben könnte. Soweit zur Theorie, ob ich dann später wirklich den Mut habe alles hinzuschmeißen und mir was neues zu suchen, wird sich zeigen.

Eins muss man der aktuellen Situation lassen: Durch den Mangel an IT-Fachkräften kann man sich sehr gut aussuchen was und wo man was für wieviel machen will. Und darüber bin ich ganz froh. Wer weiß wie das in 2 Jahren aussieht.

» Ditschi » Beiträge: 321 » Talkpoints: 0,39 » Auszeichnung für 100 Beiträge



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