Warum kann man Menschen durch Ignoranz wirklich treffen?

vom 28.08.2012, 22:51 Uhr

Ich bin ein Mensch, den man mit Ignoranz wirklich treffen kann und der sehr darunter leidet, wenn man mich ignoriert. Wenn mich nach einem Streit jemand ignoriert, leide ich wie ein geprügelter Hund. Mein erster Mann konnte das gut, dass er einfach ging und mich ignorierte. Oft habe ich mir gedacht, dass es mir lieber wäre, wenn er mir eine Ohrfeige geben würde, als dass er mich ignoriert.

Ich frage mich, warum man einen Menschen durch Ignoranz wirklich so treffen kann. Liegt es vielleicht an der Kindheit? Oder empfindet einfach jeder Mensch so, dass die Ignoranz die Höchststrafe ist? Kommt ihr gut damit klar, wenn euch jemand völlig ignoriert, auch wenn ihr ihn ansprecht? Oder leidet ihr dann auch darunter? Bei mir könnte ich mir vorstellen, dass es von meiner Kindheit her kommt, weil ich durch meine Mutter oft mit Liebesentzug bestraft wurde und auch oft den Tag im Zimmer verbringen musste.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Das ist ein ziemlich interessantes Thema. Meine Mutter hat das früher immer gemacht. Wenn wir uns gestritten haben, hat sie manchmal ein paar Tage nicht mehr mit mir gesprochen. Es war unwichtig, ob sie im Recht war oder nicht. Ich bezeichne so etwas immer als Psycho-Terror. Und dennoch hatte ich immer das Gefühl, die Schuldige zu sein. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum es einem so mies geht, wenn man ignoriert wird. Man redet sich Sachen ein, die nicht stimmen und macht sich unnötig Vorwürfe.

Mütter und Väter bestrafen schon ganz kleine Kinder, indem sie nicht mehr mit ihnen reden. Ich denke, das kann erhebliche psychische Auswirkungen und einen Einfluss auf das spätere Sozialverhalten haben. Auch gibt es diese Form von Bestrafung nicht selten in einer Partnerschaft.

Ich mache mir nicht mehr so viele Gedanken darüber, wenn man versucht, mich auf diese Weise zu verletzen. Ich habe irgendwann einmal für mich beschlossen, dass die Menschen, die das machen einfach nur Probleme mit sich selbst haben. Vielleicht kommen sie nicht mit ihren eigenen Gefühlen klar, vielleicht sind ihnen die Argumente ausgegangen und sie wollen nicht als der Schuldige dastehen. Solange ich weiß, dass alles wieder gut wird, geht man sich halt ein paar Tage aus dem Weg. Eine dickere Haut kriegt man auf jedem Fall.

» Märie » Beiträge: 459 » Talkpoints: 15,45 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Das Ignorieren eines Menschen ist eine sehr große Strafe. Der Mensch ist ein soziales Wesen, und es ist für ihn überlebenswichtig, in der Gesellschaft seinen anerkannten Platz zu haben. Das Ignorieren nimmt ihm seine Würde und Menschlichkeit. Früher hat man es als schlimme Strafe angesehen, jemanden auszustoßen. Man war ab diesem Moment kein Mitglied der Gesellschaft und damit kein Mensch mehr.

Als Strafe für Kinder finde ich es ganz schlimm, es ist seelische Gewalt, da sind wirklich Ohrfeigen, obwohl ich die natürlich nicht befürworte, fast noch harmloser. Es kann gut sein, dass man als Erwachsener darauf besonders empfindlich reagiert, wenn man als Kind schlimme Erfahrungen mit einer solchen Verhaltensweise der Eltern gemacht hat, vor allen Dingen, wenn das Ignorieren über längere Zeit geht. Vielleicht ist es als Strafe für zehn Minuten in Ordnung, weil man als Eltern in gewissen Situationen ja auch erst mal Abstand halten muss. Aber wenn es länger andauert, ist es wahrscheinlich die schlimmste Strafe, die ein Kind bekommen kann.

Man muss als Erwachsener versuchen das zu überwinden, weiß allerdings auch nicht, wie, wahrscheinlich indem man sein komplettes Selbstbewusstsein neu aufbaut. Eine psychologische Behandlung ist natürlich wünschenswert, aber ich glaube nicht, dass die Krankenversicherung das bezahlt.

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von ten points am 29.08.2012, 09:23, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen


Ich fand das früher auch ziemlich schlimm, aber ich habe dann irgendwann gelernt, damit umzugehen. Bei mir war es nicht die Mutter, die mich mit Liebesentzug gestraft hat, sondern zum einen die eigene Großmutter und zum anderen tatsächlich eine gute Freundin von mir. Bei der Oma dauerte sowas niemals lange, immer nur einige Stunden, aber es war natürlich dennoch sehr deprimierend, vor allem für ein junges Kind ist das auf jeden Fall sehr verletzend und muss eigentlich nicht sein. Es gibt andere und effektivere Wege der Problemlösung, ignorieren kann man vielleicht einen Hund, wenn man ihn erziehen möchte.

Ich hatte bei meiner Großmutter meistens dann auch kaum Rückzugmöglichkeiten, denn sie hat meinen Bruder in Beschlag genommen und den Opa gab es nicht mehr, ich war dann auch erstmal alleine und saß da mit meinem Frust. Bei der Freundin war das ähnlich, nur ignorierte diese mich meistens länger, dass lief teilweise über mehrere Tage hinweg und sie ignorierte mich dann auch in der Schule und setzte sich dann weg, was auch sehr verletzend war. Tatsächlich habe ich dann aber durch sie gelernt, die Sache mit Humor zu nehmen.

Irgendwann konnte ich dann nur noch darüber lachen und fand es auch witzig, wie sie schmollend neben mir saß, wenn sie keinen anderen Platz im Klassenraum gefunden hatte, an den sie sich setzen konnte. Es war auch sehr unterhaltsam sie dann anzusprechen und der Rest der Runde schaute sie interessiert an, als sie in eine andere Richtung blickte und mich ignorierte und weiter schmollte. Meistens konnte sie dass dann auch nicht sehr lange aushalten und hörte irgendwann damit auf, redete wieder normal mit mir, natürlich nicht, ohne mir vorher zu versichern wie unendlich sauer sie war.

Nachdem mich das eine Weile sehr mitgenommen hatte, ist mir einfach klar geworden, dass nicht ich der Mensch bin, der leiden sollte, es ist doch vielmehr das Gegenüber, welches es scheinbar nötig hat, auf kindische und unreife Methoden zurückzugreifen und Konflikte nicht vernünftig lösen kann. Da besteht ein wenig Nachholbedarf und vielleicht ein kleiner Crashkurs in Sachen Konfliktlösung. Irgendwann wurde mir klar, dass es doch sehr bemitleidenswert ist, wenn jemand ein solches Verhalten nötig hat und ich habe die Ignoranz quasi dann irgendwann auch ignoriert.

Das zeigte sich darin, dass ich normal mit der Person gesprochen habe, auch wenn mir nicht geantwortet wurde und manchmal zog ich das Verhalten einfach absichtlich ins Lächerliche. Wieso viele Menschen dennoch an der Ignoranz leiden, weiß ich nicht, ich denke, man muss sich einfach ins Bewusstsein rufen, dass es ein kindisches Verhaltens ist und an sich doch sehr armselig. Der Streit wird damit aber eben nicht gelöst, sondern in die Länge gezogen und man trägt das ungelöste Problem länger mit sich herum, als nötig gewesen wäre. Natürlich ist auch das ein Punkt, der einen belastet und man möchte, dass man sich wieder ausreden kann und sich die Komplikation löst.

Natürlich kann es auch verletzten, wenn man von seinen Eltern früher auch auf diese Weise bestraft worden ist. Besonders Kinder brauchen nun mal auch viel Bestätigung und Zuwendung und da ist es nicht unüblich, wenn diese dann Minderwertigkeitsgefühle entwickeln, wenn sie ignoriert werden. Es verletzt ihre Gefühle und sie fühlen sich einsam. Als Erwachsener ist das dann ähnlich, ich finde aber dennoch, dass man dann ein bisschen über den Dingen stehen muss und einfach einsehen muss, dass das kindisch ist. Verletzen tut mich dass dann nämlich auch nicht mehr.

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ignoranz wird ja meistens auch nur dann eingesetzt, wenn man sich nicht mehr anders zu helfen weiß. Zumindest habe ich nur dann nicht mehr mit anderen gesprochen, wenn ich wirklich sehr von ihnen enttäuscht war und auch den Eindruck hatte, dass es erst einmal nichts gibt, was das Vorangegangene wieder gut machen könnte. Das habe ich etwa dann getan, wenn ich mich mit meinem vorhergehenden Freund sehr gestritten hatte und der auch laut wurde. Dann bin ich manchmal einfach gegangen und hab nichts mehr gesagt.

Und wenn ich selbst ignoriert wurde, dann waren das meist Menschen, die ich ohnehin nicht so leiden konnte und wo es mir zwar nicht komplett egal war, aber wo mir die Kommunikation auch nicht so wichtig gewesen ist. Es hat jedoch letztlich fast immer einen Grund, wenn Ignoranz verwendet wird und auch wenn ich mal damit bestraft wurde, war ich ja nicht ganz unschuldig daran. Es ist wohl der beste Weg, es gar nicht so weit kommen zu lassen, dass andere oder auch man selbst keine andere Möglichkeit mehr sieht.

Wobei ich jetzt nicht, wie Crispin angesprochen hat, den Konflikt lösen wollte. Eigentlich wollte ich diejenigen eher generell loswerden. Also mal angenommen, es gab einen Streit und nachher redete man nicht mehr miteinander. Da hatte ich eigentlich nicht den Wunsch, einen Konflikt zu lösen, denn das Vorhandensein des Konflikts hat mir je gerade bewiesen, dass der andere und ich nicht miteinander können und scheinbar nicht zusammen passen. So wäre ich dann den Betreffenden lieber generell aus dem Weg gegangen und hätte mich nur mit Personen beschäftigt, mit denen ich keine solch ausufernden Streitigkeiten habe. Leider klappt das im Alltag nicht immer.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Ignoranz kann mich auch leicht treffen. Menschen, die mir wichtig sind, müssen mit mir reden, mit denen muss ich kommunizieren. Wenn sie mich ignorieren, um mich zu strafen, dann spüre ich die Strafe sehr intensiv, weil ich das Gefühl habe, dass ich ihnen egal bin, dass wir etwas kaputt machen und ich sie nicht mehr mit Worten erreichen kann, da sie ja schweigen.

Ich ignoriere meine Mitmenschen leider auch manchmal. Ich schmolle, ich rede nicht mehr, weil man mir weh getan hat oder ich einfach will, dass man auf mich zu kommt. Aber es ist für mich eine echte Höchststrafe, wenn man an mir vorbei guckt, durch mich hindurch sieht und mir keine Beachtung mehr schenkt. Ich habe das Gefühl, nichts dagegen tun zu können, obwohl die Worte den anderen ja trotzdem erreichen, nur dass er die Gefühle für eine Weile unterdrückt.

Ignoranz ist unglaublich hässlich, und man kann Menschen damit sehr weh tun.

» MissCuriosity » Beiträge: 566 » Talkpoints: 25,44 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Für mich ist das Ignorieren eines Menschen durchaus ein legitimes Mittel um zum Ausdruck zu bringen, dass das vorangehende Verhalten nicht gerechtfertigt bzw. falsch war. Der Grund warum Menschen das Ignorieren so schlimm finden ist, dass es sie einschüchtert und Angst auslöst. Der Mensch ist ein soziales Wesen, er will immer Anerkennung von der Gruppe.

Wenn ein Mensch ignoriert wird, dann kann er das Verhalten des Gegenüber nicht mehr deuten und er fühlt sich verunsichert. Er bekommt keine Anerkennung, er bekommt nicht mal Ablehnung. Durch diese Verunsicherung wird ein Gefühl von Angst ausgelöst. Diese Angst spüren wir nicht als Angst, sondern als ungutes Gefühl. Darum ist das Ignorieren so schlimm für uns.

» frankiskrank » Beiträge: 289 » Talkpoints: 15,61 » Auszeichnung für 100 Beiträge



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