Gehört ein Ausbildungsabbruch allmählich zum Alltag?

vom 05.07.2012, 22:36 Uhr

Ich denke nicht, dass in Nordrhein-Westfalen mehr Auszubildende ihre Ausbildung abbrechen als in anderen Bundesländern. Dass einige Leute ihre Ausbildung vorzeitig ohne Abschluss beenden, ist auch kein neues Phänomen, das hat es sicher immer gegeben. An sich ist das auch kein Problem. Ich denke zum Beispiel auch, dass es viel sinnvoller und insgesamt besser gewesen wäre, wenn ich meine Ausbildung direkt abgebrochen hätte, denn ich habe relativ schnell gemerkt, dass es mir keinen Spaß bereitet. Dazu kam noch das schlechte Betriebsklima und die Fahrt, die dank Staus auf den Autobahnen oder wegen dauernd verspäteter Bahnen im Schnitt täglich insgesamt drei Stunden betrug.

Ich hätte das abbrechen sollen, fand es aber irgendwie peinlich, die Ausbildung abzubrechen. Allerdings habe ich sowohl in meinem Ausbildungsbetrieb als auch in der Berufsschule mehrere Leute erlebt, die die Ausbildung abgebrochen haben. Mit mir haben noch drei andere Lehrlinge im selben Jahr angefangen. Abgeschlossen hat die Ausbildung neben mir nur noch ein Mädel. Wir haben beide verkürzt und die Gesellenprüfung ein halbes Jahr früher abgelegt, die beiden anderen haben abgebrochen.

An der Uni erlebe ich es auch immer wieder, dass Leute abbrechen. Das kommt einfach auch dort vor. Manche haben sich das Studium durchweg total locker und anspruchslos vorgestellt und sind dann enttäuscht, wenn von ihnen doch mal etwas verlangt wird. Andere stellen fest, dass ihnen das Fach an sich nicht liegt und beenden ihr Studium dann lieber, bevor sie noch weitere Zeit mit etwas verschwenden, das ihnen ohnehin keinen Spaß bereitet. Ich habe auch schon von manchen gehört, dass ihnen das Studium einfach zu theoretisch war und sie lieber direkt praktisch arbeiten wollen. Diese haben dann nach dem Studienabbruch eine Ausbildung begonnen.

Grundsätzlich finde ich es in Ordnung, wenn man seine Ausbildung oder sein Studium abbricht. Aber man sollte eben einen Plan haben für die Zeit danach. Wenn jemand einfach nur alles abbricht und sich dann zu hause hinsetzt, ist das nicht besonders intelligent. Ich finde es auch nicht so gut, wenn jemand nur arbeiten geht, aber weder eine Ausbildung noch ein Studium absolviert. Das ist vielleicht erstmal ganz nett, aber mittelfristig hat man damit einfach keine Chancen, wenn man nicht gerade ein einigermaßen talentierter Lebenskünstler ist.

Einen Schulabschluss und eine vernünftige Ausbildung sollte man mindestens in der Tasche haben. Ich habe aber nichts dagegen, dass Leute eine langweilige, anspruchslose oder körperlich anstrengende Ausbildung abbrechen, um etwas Besseres zu machen. Wenn man das früh erkennt, sollte man eigentlich nicht durch falsche Wertvorstellungen davon ausgehen, dass man erst den Mist beenden muss, bevor man etwas Richtiges anfangen kann.

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» Cologneboy2009 » Beiträge: 14210 » Talkpoints: -1,06 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich denke nicht, dass man das pauschalisieren kann. Ich denke auch, dass es eher von der Branche und vom Betrieb abhängig ist. Eine Bekannte von mir hat eine Ausbildung im Hotel gemacht und hat dann nach einem Jahr den Betrieb gewechselt und die Ausbildung woanders fortgesetzt. Ich kenne aber auch Einzelfälle (aus dem Einzelhandelsbereich) wo eine Ausbildung einfach abgebrochen worden ist.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Es kommt sicherlich auch auf den Bereich an. Meine Ausbildung liegt Jahrzehnte zurück, aber allein bei der Hälfte meiner Mitschüler in der Berufsschule war der Abbruch vorprogrammiert. Die warteten nämlich nur auf einen Studienplatz und haben Wartesemester und Erfahrung gesammelt.

Und von der anderen Hälfte hat die Hälfte abgebrochen, weil deren Ausbildung unzumutbar gewesen ist. Die hatten so "lustige" Chefs, bei denen die um sieben Uhr morgens die Praxis putzen durften, was weder Bestandteil der Ausbildung , noch des späteren Jobs ist.

Dann Sprechstunde von neun bis zwölf, wobei nichts vermittelt wird, weil der Chef auch Röntgen und Labor selbst macht. Dann wieder eine Stunde Putzen. Eine Stunde Mittagspause, juchuu! Von eine bis drei Assistenz im Operationssaal und im Anschluss Putzen. Sprechstunde von vier bis sechs Uhr und Putzen. Macht dir Stunden Arbeit und zwölf Stunden Anwesenheit. :x

Oder die Mittagszeit geht von zwölf bis vier. Arbeitsbeginn ist um acht Uhr morgens, Ende ist um sieben Uhr am Abend und in der Mittagspause wird bitte der Stall gemistet, die Pferde der Gattin müssen geputzt und laufengelassen werden. :scep: Andere hatten ähnliche Zeiten, dürften aber in der Mittagspause kochen und die Kinder hüten. :wall: Ganz ehrlich? Unter den Umständen hätte ich auch abgebrochen!

Die zuständige Kammer kannte das Problem ebenso wie die Schule. Große Teile meines Unterrichts waren Rechtsberatung durch die Lehrer. Aber die Kammer hat es nicht interessiert und der Berufsverband war auch nicht hilfreich. Mein Chef war menschlich schwierig. Aber die Ausbildung war besser als gefordert und die Arbeitszeiten waren fair, wenn wir nicht unterbesetzt gewesen sind.

» cooper75 » Beiträge: 13330 » Talkpoints: 498,67 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



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