Stolpersteine: Was haltet ihr davon?

vom 16.04.2011, 10:14 Uhr

Mit dem Namen „Stolpersteine“ bezeichnet man Betonsteine mit einer Kantenlänge von 10 Zentimetern, die inzwischen in etwa 530 Städten und Gemeinden in Europa in verschiedenste Gehwege eingepasst wurden. Auf jedem dieser Betonsteine befindet sich eine Messingplatte mit individueller Beschriftung, meist dem Namen des verstorbenen Menschen, der an diesem Ort gewohnt hat, das Geburtsjahr so wie von Fall zu Fall variierende Informationen, beispielsweise das Deportationsjahr und die Todesart. Mit diesen Steinen soll all den Opfern des Nationalsozialismus gedacht werden, sowohl den jüdischen Deportierten, als auch beispielsweise Sinti und Roma.

Die Geschichte dieser Stolpersteine begann 1992, als Gunter Demnig vor dem historischen Kölner Rathaus den ersten Stein einließ, auf dem die ersten Zeilen von Himlers Erlass zur Deportation von Zigeunern eingraviert ist. 1994 bekam Demnig die erste Möglichkeit, seine Stolpersteine in der Antoniterkirche in Köln auszustellen, wo er auch die ersten Steine, damals noch nicht behördlich genehmigt, verlegte. 1997 konnte er die ersten beiden genehmigten Gedenksteine in St. Georgen bei Salzburg verlegen; erst 2000 wurden die Steine auch in Deutschland behördlich genehmigt. Inzwischen hat sich das Projekt weit entwickelt und ist das größte, dezentrale Mahnmal weltweit.

Demnigs Intention ist leicht zu verstehen. Durch die Verlegung der Steine vor dem letzten selbst gewählten Wohnort der Opfer möchte er den Millionen Deportierten ihren Namen und ihre Identität zurückgeben. Des weiteren wird es als symbolisches Verbeugen vor den Opfern gesehen, wenn man sich zu den Steinen auf dem Gehweg herunter beugt, um ihre Aufschrift lesen zu können. Die Stolpersteine zeigen zudem auch, an welch belebten Orten auf einmal Menschen verschwunden sind und sollen in Frage stellen, inwieweit es sein kann, dass ein Großteil der Bevölkerung nichts mitbekommen haben will.

Natürlich gibt es auch Gegenstimmen. Am entscheidendsten ist für viele Kritiker, dass die Steine mit den Namen am Boden verlegt sind und man ihrer Meinung nach also symbolisch auf den Opfern des Nationalsozialismus mit den Füßen herum trampelt. Auch ich weiß nicht ganz, was ich davon halten soll. Erinnerungskultur halte ich für sehr wichtig und ich finde auch nicht, dass die Steine sonderlich störend sind, eben weil sie doch recht klein sind und ebenerdig im Gehweg eingelassen werden, aber ich weiß einfach nicht, ob sie überhaupt als Gedenkstätten gewürdigt werden, oder ob man in der Regel nur darüber hin weggeht, ohne sich daran zu stören. Was haltet ihr von diesem Projekt? Findet ihr es gut oder geschmacklos? Denkt ihr, es kann den Kindern und Enkeln der Opfer helfen, dieses Zeichen für ihre Angehörigen zu setzen? Denkt ihr, dass diese Art der Erinnerungskultur gelungen ist?

» Anemone » Beiträge: 1740 » Talkpoints: 764,26 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Als ich einen Stolperstein gesehen habe, habe ich an wirklich ALLES andere gedacht, als daran, dass es achtlos den Opfern gegenüber wäre und ich mit Verachtung auf ihren Gedenkstätten herumtrampeln würde. Echt mal, irgendjemand hat immer was zu meckern. Und hier merkt man das besonders, weil das Gegenargument aus den Fingern gesaugt klingt. Die Stolpersteine erhaschen die Aufmerksamkeit sehr stark, so stark wie nicht viele andere Denkmäler. Vor allem wegen ihrer goldenen Farbe. Allein, das spricht gegen eine Verachtung, die goldene Farbe. und außerdem tritt man doch meistens nicht auf sie drauf, sondern geht um sie herum und wirft einen Blick auf sie und empfindet Mitleid. Man kann nicht erwarten, dass jeder bei ihrem Anblick vor Ehrfurcht erstarrt, genausowenig wie man das bei irgendeinem Denkmal erwarten könnte. Wenn man darübertrampelt hat man die Steine höchstens mal übersehen.

» Shackleton » Beiträge: 76 » Talkpoints: 1,02 »


Ich finde die Idee mit den Stolpersteinen gar nicht so schlecht. Denn es ist ja auch mal gut zu wissen, wer denn an diesen Orten alles so gelebt hat oder verstorben ist. Vor allem ist es dann interessant, wenn Touristen aus dem Ausland oder andere Bürger aus einem anderen Ort kommen. Was ich aber nicht so toll finde, sind die Infos mit der Todesursache. Da dies für mich schon zu viel Information ist. Ich finde es besser, wenn man einfach das Geburtsdatum, das Todesdatum und wo er gelebt hatte, einfach auf den Stein drauf schreibt.

» GI KA » Beiträge: 1629 » Talkpoints: 62,28 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich finde diese Steine ausgesprochen gut, in unserer kleinen Gemeinde sind sie auch in den Gehweg eingelassen. Wie der Name dafür schon symbolisiert stolpert man unvorhergesehen über die vergangene Geschichte und wird dazu angeregt sich seine Gedanken darüber zu machen. Auch wenn man sich nur klar darüber wird wie viele Stolpersteine es im Ort so gibt und dass dahinter Menschen stehen. Das finde ich besser als jeden Gedenkstein der global an die Opfer des Faschismus erinnert.

Das man diese Steine mit Füßen tritt liegt nun einmal in der Natur der Sache, ich kann die Kritiker aber dafür nicht verstehen. Ich laufe doch nicht über ein Grab sondern über ein Hinweisschild. Bei uns hat man aber diese Steine nicht mittig auf dem Gehweg angebracht sondern mehr in der Nähe des Zaunes und am Tor. Damit ging man wahrscheinlich auch allen Diskussionen aus dem Weg, gut sichtbar sind sie aber trotzdem. In Kirchen ist es übrigens durchaus üblich über die Grabplatten dort bestatteter kirchlicher Würdenträger zu laufen deren Gebeine darunter liegen. Niemand hat sich bisher meines Wissens darüber aufgeregt.

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» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Nachdem ich im wahrsten Sinne des Wortes über so ein Exemplar gestolpert bin gehen diese Steine mir sehr auf die Nerven. Wir haben mehrer davon in der Innenstadt und ich finde das sie nicht wirklich auffallen, da man ja meist nicht auf den Boden starrt (sonst wäre ich wohl nicht gestolpert)

Wir hatten vor den Steinen auch schon so Tafeln an manchen Häusern in der Innenstadt. Darauf stand dann wer da gelebt hat und was mit den Leuten passiert ist. Finde ich besser, da man da eher drüber nachdenkt als wenn nur ein Name auf dem Boden ist. Denn ich kannte die Leute ja nicht und habe keinen Bezug dazu. Außerdem finde ich persönlich, dass wir schon genug Denkmäler haben.

» Carla82 » Beiträge: 25 » Talkpoints: 0,12 »


Ja, das ist ja auch die Intention, dass du darüber stolperst. Darüber muss man sich nicht beklagen. Und wenn es nicht so ein Stolperstein ist, über den man stolpert, dann ist es ein Stock oder so. Also sich darüber aufzuregen ist unnötig. Und es ist nicht der Rede wert, denn einmal über einen Stolperstein zu fallen, wo man doch andauernd stolpert, ist nicht schlimm. Und ich finde, an den Holocaust zu erinnern ist sehr wichtig. Von daher ist es auch wichtig einprägsame Denkmäler zu schaffen. Das ist mit der originellen Stolper-steinidee definitiv gelungen. Ich finde auch, dass sie schon auffallen. Also von zu vielen Denkmälern kann wohl kaum die Rede sein, wie kommt man dazu so etwas zu sagen.

Nicht, dass ich es frech finde, aber der Gedanke an zu viele Denkmäle ist absurd xD. Abgesehen davon, kann man davon nicht zu viele haben. Und zu guter Letzt. Wenn du sagst, du hattest keinen Bezug zu den Leuten, dann müsste es dir eh egal sein, ob es Denkmäler gibt oder nicht und wenn ja, wie sie gestaltet sind, denn du hattest ja zu niemandem wirklich Bezug. Also ok, wer ignorant ist, braucht natürlich keine Denkmäler. Wenn das so sein sollte, kann man nichts machen.

» Shackleton » Beiträge: 76 » Talkpoints: 1,02 »


Ich finde, dass das eine gute Idee ist, diese als Gedenkstätten zu pflastern. Ich habe erst gestern wieder zwei Stück gesehen und ich muss sagen, dass sie mich wirklich zum nachdenken gebracht haben. Man kann ja nicht für jeden Toten eine dicke Gedenktafel danebenstellen, das würde auch zu viel Platz kosten. Sie sehen ganz gut aus in der goldenen Farbe und erregen auch ein bisschen Aufmerksamkeit. Wie sollte man sonst an die Opfer gedenken.
Alles in allem finde ich, dass es eine sehr gute Idee ist.

» Joker! » Beiträge: 19 » Talkpoints: 0,26 »



Ich halte diese Stolpersteine für eine sehr gute Idee gegen das Vergessen, auch wenn jetzt viele bestimmt anderer Meinung sind. Allgemein ist es sehr einfallsreich, den Weg mit Informationen aus der Vergangenheit zu pflastern, denn es erzeugt einen Kontrast zwischen dem alltäglichen Beschreiten eines Weges und der "Unwirklichkeit" der Vergangenheit. Sieht man nun auf den Boden, wird man direkt mit der Vergangenheit konfrontiert. Die Steine empfinde ich nicht wirklich als störend, weswegen ich die Kritiker absolut nicht verstehe. Ich trete doch nicht die Opfer mit Füßen, wenn ich ihren Leidensweg betrete, oder? Ist ja nicht so, als wären sie an Ort und Stelle vergraben.

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» Malcolm » Beiträge: 3256 » Talkpoints: -1,99 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Ich finde das auf jeden Fall nicht negativ. Das mit dem "mit Füßen treten" kann ich einfach nicht verstehen. Man läuft da vielleicht drüber, aber es ist jetzt nicht so dass es etwas unbedeutend machen würde. Ich selbst habe schon einmal solche Platten gesehen und mich gewundert was das ist. Als ich es dann durchgelesen habe wusste ich es und es hat mich zum Nachdenken über die Zeit damals angeregt. Ich finde es sehr gut wenn, es diesen Effekt hat. Außerdem denke ich, dass es eine sehr günstige und effektvolle Variante ist, daran zu denken und die Leute daran zu erinnern diese grausamen Taten nicht zu vergessen.

» animus128 » Beiträge: 522 » Talkpoints: 0,54 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Anemone hat geschrieben:Natürlich gibt es auch Gegenstimmen. Am entscheidendsten ist für viele Kritiker, dass die Steine mit den Namen am Boden verlegt sind und man ihrer Meinung nach also symbolisch auf den Opfern des Nationalsozialismus mit den Füßen herum trampelt. Auch ich weiß nicht ganz, was ich davon halten soll. Erinnerungskultur halte ich für sehr wichtig und ich finde auch nicht, dass die Steine sonderlich störend sind, eben weil sie doch recht klein sind und ebenerdig im Gehweg eingelassen werden, aber ich weiß einfach nicht, ob sie überhaupt als Gedenkstätten gewürdigt werden, oder ob man in der Regel nur darüber hinweggeht, ohne sich daran zu stören. Was haltet ihr von diesem Projekt? Findet ihr es gut oder geschmacklos? Denkt ihr, es kann den Kindern und Enkeln der Opfer helfen, dieses Zeichen für ihre Angehörigen zu setzen? Denkt ihr, dass diese Art der Erinnerungskultur gelungen ist?


Das man gewissermaßen auf den Opfern des Nationalsozialismus mit den Füßen herumtrampelt mag wohl stimmen, allerdings ist es unsere Sache, dies zu interpretieren und weil dies nun mal ein Sprichwort ist, welches Entwürdigung ausdrückt, könnte man nun meinen, es sei anstößig so vorzugehen und die Opfer des Nationalsozialismus auf diese Weise zu gedenken. Allerdings kann man an sich eigentlich nicht sagen, dass dies in unsere Gesellschaft tatsächlich so ist, denn an diesem Punkt wäre doch auch ein gewisser Vergleich mit dem ''Walk of Fame'' in Los Angeles angebracht, wie ich finde. Diese Künstler werden von uns auch gewürdigt und nur weil die Sterne mit ihrem Namen im Boden eines Gehwegs eingelassen sind, heißt es auch nicht gleich, wir würden unsere Schauspieler und Musiker mit Füßen treten oder?

Ich selbst weiß nicht genau, was ich davon halten soll, denn einerseits ist es natürlich schon schön, dass man an diese Opfer denkt und sich in der Form darum kümmert und diese Steine erscheinen mir doch ein deutlich besseres Mittel, als die merkwürdigen und meiner Meinung nach nichtssagenden Holocaust Denkmäler, wie man sie beispielsweise in Auschwitz vorfindet, allerdings müsste man sich dementsprechend auch darum kümmern, dass diese Denkmäler auch gewürdigt werden und das Menschen sie überhaupt beachten. Die Stolpersteine, denen ich bisher begegnet bin, fand ich allerdings schon recht ansprechend und für mich haben sie ihre gewünschte Aufgabe erledigt, allerdings muss ich ganz ehrlich sagen, manchmal komme ich ins grübeln. Klar ist es notwendig sich an die NS Zeit zu erinnern, allerdings frage ich mich, warum hat die vergewaltige und ermordete XY aus der Nachbarschaft und das Kind XZ, welches vom Vater geschlagen, eingesperrt wurde und verhungert ist nicht das Recht auf einen Stolperstein. Das geht mir dann manchmal durchaus durch den Kopf, aber mir ist klar, dass es hier eben speziell um die NS Zeit geht, Menschen sterben überall.

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


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