Sich in der Familie als Außenseiter fühlen

vom 27.03.2011, 15:49 Uhr

Ich war die Tage mal wieder mit meinen Angehörigen unterwegs und da gab es so einen Moment, in dem ich nur dachte, ich passe da irgendwie gar nicht rein. Und mich interessiert es nun, ob es anderen auch so geht oder ob das einfach normal ist.

Wir fuhren mit dem Auto. Meine Schwägerin saß am Steuer und ich neben ihr. Mein Vater und mein Bruder auf der Rückbank. Meine Schwägerin war auf das Fahren konzentriert und mein Bruder und mein Vater diskutierten lautstark auf der Rückbank über Fußball. Ich kann Fußball null abgewinnen und war eher angenervt, zeigte das aber nicht. Wobei den beiden das auch durchaus bekannt ist. Und irgendwann kamen mir dann Kindheitserinnerungen ins Gedächtnis. Die Eltern die begeistert die Fußballkarriere des Bruders verfolgten, aber wenig Interesse an meinen Hobbys zeigten und so was halt.

In meinen weiteren Überlegungen grübelte ich dann, was uns, außer dem verwandtschaftlichen Verhältnis an sich noch verbindet. Klar finden sich gemeinsame Themen, aber weniger die alle begeistern. Ich kann mich mit meinem Bruder über Filme und Serien unterhalten. Irgendwas gemeinsames findet sich da immer. Mein Vater interessiert sich dafür aber Null. Mein Vater und mein Bruder können sich über Fußball unterhalten, was wieder rum mich so gar nicht interessiert. Über meine eigenen Interessen und Hobbys brauche ich nicht sprechen, weil die eh keinen interessieren, das habe ich schon lange aufgegeben.

Klar bin ich auch Außenseiter, weil ich nicht berufstätig bin. Wobei das für meinen Bruder und meinen Vater eher ein Problem ist, als für mich. Wird zeitweise eher als faul abgestempelt. Auch hier verkneife ich mir Diskussionen, weil es eh keinen interessiert. Und so geht es mit vielem. Meine Interessen sind einfach andere. Schon immer. Früher habe ich dann noch versucht, mich anzupassen. Was aber nie klappte. Wobei es nicht so ist, dass ich uninteressiert bin an dem was meine Angehörigen interessieren. Im Gegenzug sieht das leider anders aus.

So verlief auch der Rest des Abends. Erzählte ich was, woran zumindest ein Teil Interesse hatte, fiel mir mein Vater ins Wort, um irgendwas ganz anderes zu erzählen. Das fiel noch nicht mal jemand auf. Der Abend endete damit, dass meine Angehörigen noch was trinken gegangen sind. Da das regelmäßig in einer Art Besäufnis endet und ich eh keinen Alkohol trinke, gehe ich da schon gar nicht mehr mit. Und selbst wenn ich sagen würde, lasst uns doch mal da oder dort hingehen, kann ich davon ausgehen, dass mein Vater dann sagt, da und da ist es aber toller und ich deshalb dort mit hin muss.

Kennt ihr das auch, dass ihr euch wie ein Außenseiter fühlt, weil ihr irgendwie so nichts mehr mit euren Angehörigen gemeinsam habt?

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge



Ich glaube nicht, dass man gleich ein Außenseiter ist, wenn man die Interessen der anderen Familienmitglieder nicht teilt. Trotzdem kann ich dich verstehen, dass du dich da oft so fühlst. Es kann aber durchaus so sein, dass es deine Familienmitglieder eben gar nicht mitbekommen, ganz einfach, weil sie es selber gar nicht so empfinden und vielleicht gar nicht auf die Idee kommen, dass du dich dabei so fühlst.

Ich verstehe mich mit meinen Familienmitgliedern im Großen und Ganzen recht gut. Wir haben aber trotzdem alle sehr unterschiedliche Interessen. Das war auch schon in Kinderzeiten so. Meine Eltern liebten und lieben über alles Autorennen. Damit kann ich so rein gar nichts anfangen und ich weiß noch, dass es mich als Kind oft genervt hat, wenn die dann brüllend und jubelnd vor dem Fernseher gesessen sind und mitgefiebert haben.

Ich habe noch zwei Geschwister, die beide älter sind und es war auch schon immer so, dass sich mein Bruder und meine Schwester besser verstanden haben, als zum Beispiel nun ich mit meinem Bruder. Ob das wirklich so war, weiß ich nicht, ich hatte jedenfalls das Gefühl. Wenn wir im Urlaub waren und es gab zwei Kinderzimmer, dann war es auch immer so, dass ich ein eigenes Zimmer hatte und meine beiden Geschwister das andere Zimmer gemeinsam.

Da kann man sich dann schon einmal als Außenseiter fühlen. Aber ich denke, dass es eher am Alter gelegen hat. Meine Geschwister haben altersmäßig einfach etwas besser zusammen gepasst. Wobei man das so auch nicht generell sagen kann, weil meine Schwester ist die Älteste und mit ihr habe ich eigentlich immer ein sehr gutes Verhältnis gehabt.

Ich habe früher viel mit meiner Schwester unternommen. Wobei ich da mehr an Ausflüge wie Wandern oder dergleichen denke und weniger Fortgehen oder so. Meine Schwester ist dann nach Tirol gezogen und hat nun dort eine Familie. Mein Schwager ist wirklich nett, aber es ist einfach eine ganz andere Welt und Mentalität und meine Schwester ändert sich immer mehr. Ich würde inzwischen soweit gehen, dass ich sage, dass sie ein ganz anderer Mensch als ich bin. Das führt auch immer wieder zu etwas kritischen Situationen, aber trotzdem habe ich meine Schwester wirklich gern, obwohl wir eben wirklich von grundauf unterschiedliche Einstellungen haben.

Ich glaube, dass sich jeder oft ein wenig als Außenseiter fühlt. Meine Geschwister haben zum Beispiel beide eine Bilderbuchfamilie. Ich bin alleinerziehend. Mein Papa hatte insgesamt 12 Geschwister. Niemand aus meiner Familie ist geschieden oder lebt getrennt. Weder meine Onkeln und Tanten, noch meine zahlreichen Cousinen und Cousins noch meine Eltern oder meine Geschwister. Ich bin die einzige die es irgendwie nicht auf die Reihe bekommen hat und alleinerziehend ist. Deswegen habe ich auch manchmal das Gefühl, dass ich das schwarze Schaf der Familie bin, die ständig irgendwelche Probleme macht und so weiter.

Im Endeffekt ist es aber denke ich nicht so. Jeder hat seine Vor- und Nachteile. Ich glaube auch, dass jeder seine eigenen Interessen haben kann. Allerdings sollte man auch fähig sein, sich trotzdem gegenseitig zumindest ein wenig dafür zu interessieren. Meine Mama zum Beispiel patchworkt für ihr Leben gern. Wenn sie in ein Stoffgeschäft kommt, kann sie dort Stunden verbringen. Mir geht es da nicht so. Trotzdem schaue ich mir gerne an, was sie so macht und gebe meine Meinung über diverse Stoffe oder so ab, obwohl es mich genau genommen nicht wirklich interessiert.

Mein Papa ist Hobbytischler. Er liebt es allen alles ganz genau zu erklären. Ich freue mich schon auf die Zeit, wo mein Sohn älter ist und ich hoffe, dass er sich dann dafür interessiert, so habe ich dann mehr oder weniger ein Opfer gefunden dem er das dann alles erzählen kann. :wink: Mir ist es ehrlich gesagt egal, ob er ein Regal mit einer Platte macht die 1,3 Millimeter oder 1,5 Millimeter dick ist. Aber er macht es sehr gerne und er freut sich, wenn man sich das alles anhört, also mache ich es auch.

Genauso ist es bei anderen Interessen. Ich finde schon, dass es sich gehört, dass man innerhalb der Familie über seine Interessen sprechen kann, aber die müssen nicht alle gleich teilen. Auch innerhalb der Familie darf jeder individuell sein ohne gleich ein Außenseiter zu sein.

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» tournesol » Beiträge: 7749 » Talkpoints: 66,19 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ich kenne das sehr gut, leider ist das auch Grund dafür, dass ich mit meiner Verwandtschaft eigentlich so gut wie nichts mehr unternehme. Mit meiner engeren Familie (Eltern) komme ich eigentlich recht gut klar, mit meiner Mutter habe ich viele gemeinsame Interessen und Ansatzpunkte und selbst wenn mich oder sie mal etwas nicht so sehr interessiert, was dem anderen wichtig ist, dann hören wir trotzdem zu - das gehört sich einfach so. Mit meinem Vater habe ich zwar nicht unbedingt die gleichen Interessen, aber meistens funktioniert es. Leider war das aber auch einmal anders, es gab mal eine Zeit in der selbst mein Vater solche Dinge tat, wie Du beschrieben hast: Wenn ich etwas erzählt habe, das ihn nicht interessiert hat, hat er mich unterbrochen und einfach mal mit einem neuen Thema begonnen (hatte aber mehrere Gründe).

Was die entferntere Verwandtschaft angeht muss ich leider sagen, das es mir bis auf eine Ausnahme genauso geht wie Dir. Mit meinen Onkel/Tanten und Cousinen/Cousin's habe ich eigentlich keine gemeinsamen Themen, was ich sage wird entweder unkommentiert abgetan oder man hat sich schon lange wieder anderen Themen zugewandt, denn was ich zu sagen habe, scheint nicht wichtig zu sein. Im Gegensatz dazu muss es mich aber wahnsinnig interessieren, was die werten Herrschaften zu erzählen haben, tut es das nicht, wird man gleich als unaufmerksam und uninteressiert abgestempelt. Alles in allem fühle ich mich in dieser Familie absolut nicht wohl. Da ich auch nicht geneigt bin (und nie war), mich anzupassen und mich den Leute zuliebe zu verändern, die das auch nicht für mich tun würden, ist eine Verbesserung wohl auch nicht zu erwarten.

Ich habe mich mittlerweile an diese Tatsache gewöhnt und habe auch kein allzu großes Problem mehr. Bei Dir habe ich den Eindruck, das das für Dich doch ein Problem darstellt, was ich aber durchaus verstehen kann, es handelt sich ja immerhin eher um die "Kern"Familie. Ich finde es sehr schade, dass man solche Erfahrungen innerhalb der Familie machen muss, wo es doch außerhalb genug Menschen gibt, die einem eine solche Erfahrung nicht ersparen. :(

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» Punklady1989 » Beiträge: 867 » Talkpoints: 2,23 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich bin auch die Außenseiterin, das schwarze Schaf, wenn man so will. Dabei habe ich diese Bezeichnung objektiv gesehen nun wirklich nicht verdient. Ich habe mich fast immer vorbildhaft verhalten, Abitur gemacht, studiere dual usw. Dennoch, wenn etwas zu Hause nicht stimmt, dann bin ich die Schuldige. Und auf Familienfeiern wird gerne sich über mich lustig gemacht. Was meiner Meinung nach aber nur Neid ist. Ich bin die einzige, die über einen Hauptabschluss hinaus gekommen ist und total integriert ist.

Ich glaube außerdem, dass liegt an meinem schweren los. Ich werde dafür verantwortlich gemacht, dass meine Mutter minderjährig Mutter wurde und daher keine Lehre machte und nicht wie es sich gehörte heiratete. Mir geben also alle die Schuld an ihrem "versauten" Leben. Das sie den gleichen Fehler gleich zweimal hintereinander machte und bis heute arbeitet und auch verheiratet ist, dass sieht natürlich keiner. Das ich nichts für meine Zeugung kann auch nicht.

Dann bin ich jemand der Ungerechtigkeit hasst und viel über Dinge nachdenkt, über das Weltgeschehen, sich gerne für andere Minderheiten einsetzt. Auch damit Ecke ich an. Jahrelang wurde ich unterdrückt und nun mache ich den Mund auf, wehre mich.

Mein Stiefvater sieht mich als Konkurrenz. So lächerlich das klingt. Er hat eine Art Mutterkomplex und meine Mutter steht immer zwischen allen Stühlen. Er kann mich einfach nicht ausstehen und macht mich immer für alles verantwortlich. Dadurch werde ich natürlich auch schlechter behandelt. Meine Mutter würde wohl alles tun um ihn nicht zu verlieren.

Ich habe mich mehr und mehr aus der Familie zurückgezogen. Ich esse seit Jahren nicht mehr mit den anderen am Tisch, auch weil sie mich gar nicht dabei haben wollen. Ich schlafe und esse Daheim, wechsle vielleicht drei Worte mit den anderen und das war es. Zumindest vermeide ich so Streit.

Man kann durchaus Außenseiter in der eigenen Familie sein. Man sollte nur nicht sein eigenes Glück davon abhängig machen. Oft wollen die anderen einen nur klein halten, weil sie sehen was für ein potentiell in demjenigen steckt, wogegen sie selbst dieses potential entweder nicht haben oder nicht trauen zu entfalten.

» JeanSmith » Beiträge: 422 » Talkpoints: 4,88 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich kann Dich durchaus verstehen, wenn Du dich in manchen Situationen als Außenseiter fühlst. Aber ich würde es nicht unbedingt als ein Außenseiter titulieren. Es ist eher eine Frage von Interessen. Der Vater scheint sehr auf dein Bruder fixiert zu sein, da er sich anscheinend mehr für die gleichen Interessen interessiert. Vielleicht ist es auch so, dass sein Bruder deinem Vater gefallen möchte. Du hingegen machst mir den Eindruck, als wenn er schon immer dein eigenes Ding durchgezogen hast. Dies finde ich gut.

Ich kenne das Problem aber von meiner Freundin, die noch zwei weitere Geschwister hat. Meine Freundin hat eigentlich kaum vernünftige Gesprächsthemen mit ihrer Familie. Dies liegt vor allem daran, weil sie ein ganz anderer Typ ist bzw. eine ganz andere Persönlichkeit hat, als ihre Familie. Hier würde man auch fast meinen wollen, dass sie nicht so recht ins Bild passt. Nun ist sie aber mittlerweile Ende 20 und hat ihr eigenes Leben in die Hand genommen. Da sie nicht mehr zu Hause wohnt und einfach ihren Interessen nachgeht, ohne dass jemand sie dafür kritisiert,konnte sie sich ausreichend von ihrer Familie distanzieren. Heutzutage hat sie wieder ein gutes Verhältnis zu ihrer Familie. Auch werden Thematiken besprochen, die nur sie interessieren.

Ich denke, dass Du nicht allein mit deinem Problem dastehst. es gibt viele Familien, wo der eine oder andere nicht ganz ins Bild passt. Trotz alledem heißt es nicht, dass du ein Außenseiter bist. Es heißt nur, dass dein Vater und dein Bruder mehr gemeinsame Interessen haben. Wobei ich hier auch nicht sagen kann, ob dein Bruder sich schon in der Jugend nach den Interessen seines Vaters gerichtet hat. Dies würde zumindest erklären, warum die beiden so aufeinander fixiert sind.

» Humpen2020 » Beiträge: 356 » Talkpoints: 0,63 » Auszeichnung für 100 Beiträge


In gewisser Hinsicht bin ich auch ein Außenseiter in meiner Familie. Die einzigste Frau, welche raucht. Die einzigste Person, die in Scheidung lebt und dazu auch noch als einzigstes Familienmitglied, welches selbständig ist. Es gibt also sehr viele Dinge, wo ich sage, da stehe ich alleine da.

Und die Liste ließe sich noch weiterführen, wenn man die Arbeitszeiten bedenkt. Denn auch da bin ich die einzigste Person, welche fast jedes Wochenende arbeitet und das auch noch gern. Aber das habe ich eher von meinen Eltern quasi geerbt, welche ja bei der Bahn auch zumindest jedes zweite Wochenende arbeiten mussten.

Und meine Hobbys sind da auch recht außergewöhnlich, im Vergleich mit dem Rest der Familie. Ich würde mich aber da nicht wirklich als Außenseiter oder gar schwarzes Schaf bezeichnen. Ich bin da eher ein Exot zwischen meiner doch recht normalen Verwandtschaft.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


LittleSister hat geschrieben:Kennt ihr das auch, dass ihr euch wie ein Außenseiter fühlt, weil ihr irgendwie so nichts mehr mit euren Angehörigen gemeinsam habt?


Tja, da kann ich deine Gefühle sehr genau nachempfinden, genau so geht es mir nämlich auch schon ein Leben lang. Ich selbst bin erst Schülerin und so hart es auch klingen mag, ich habe mir bereits vor Jahren schon vorgenommen, dass ich mich ein Stück von meiner Familie distanzieren werde, wenn ich endlich auf eigenen Füßen stehen und nicht mehr von meinen Eltern abhängig bin. Da ich studieren möchte, werde ich vermutlich noch einige Jahre finanziell von meinen Eltern abhängig sein, allerdings werde ich verdammt froh sein, wenn sich das endlich ändert. Ich werde mich nicht gleich von meiner Familie entfernen und sie nicht wieder sehen wollen, ich werde mich aber soweit distanzieren, dass ich Familienfeiern und Hochzeiten ohne schlechtes Gewissen absagen kann. So werde ich mich definitiv wohler fühlen, denn so wie es momentan hier aussieht kommt es mir eh vor, als würde ich nicht zur Familie gehöre, daher kann ich mich ebenso von diesen Menschen entfernen.

Im ganzen läuft das alles bei mir sehr ähnlich ab, wie auch bei dir. Als ich geboren wurde, war ich zunächst der Liebling aller, die erste Enkelin meiner Großmutter und die erste Enkelin überhaupt der anderen. Ich wurde beschenkt und betüttelt, alle kannten mich und alle liebten mich. Ich war ein recht aufgewecktes und lebendiges, abenteuerliches Kind. Allerdings änderte sich das ganz abrupt, als meine Eltern nach Deutschland zogen und ich nicht mehr bei meiner Großmutter wohnte. Meine Mutter konnte mich nicht ausstehen und betüttelte meinen Bruder, ich wurde ignoriert, ganz offensichtlich. Einerseits konnte ich ihr das nicht verübeln, denn wie ich nachher erfuhr, wurde ihre eigene Kindheit stark dadurch eingeschränkt, dass sie sich lange um ihre zwei jüngeren Schwestern kümmern musste und eben das hatte sie scheinbar schlecht in Erinnerung und projizierte den Hass ihre Schwestern nun auf mich, ihr eigenes Kind. Aber in dem Alter verstand ich das natürlich nicht und ich habe meine Mutter dafür gehasst, dass sie mich dermaßen ignorierte und meinem Bruder den Vorzug gab. Mein Bruder wurde zu Einkäufen mitgenommen und kam mit Spielzeug und Kleidung zurück, in Sachen Schule wurde ihm nachgelaufen, seine Hausaufgaben wurden überprüft, man erkundigte sich nach seinen Noten und bot ihm unterschiedlichste Hobbys wie Karate, Judo, Fußball an, kaufte ihm ohne zu fragen seinen Computer und seine Konsolen, kutschierte ihn überall hin, ihm wurde einfach alles in den Arsch geschoben. Ich selbst wurde zum Außenseiter, ich kapselte mich nach und nach ab und wurde auch charakterlich einfach stiller und zurückgezogener. Da ich meine Verwandten seltener sah, konnten auch diese mir kaum helfen und ich fühlte mich bei mir zu Hause einfach nicht wohl und wünschte manchmal, wir wären nie hergezogen.

Heute bin ich nun schon volljährig geändert hat sich rein gar nichts. Da ich noch zu Hause lebe, werde ich immer wieder mit meiner Familie konfrontiert und bekomme immer wieder vor Augen geführt, wie wenig Interesse meine Eltern doch an mir haben. Wenn wir an Feiertagen wie Ostern am Tisch zum Essen zusammen sitzen, dann wird nur über meinen Bruder geredet. Obwohl mein Abitur direkt bevor steht und ich mich langsam für einen Beruf und Studiengang entscheiden muss, wird nur nach der Zukunft meines Bruder gefragt, oh du willst Soldat werden, wow! Nein, doch lieber Architekt? Naja, er wird kein Abi machen, aber egal, der kleine Schnuckiputz will Architekt werden, kaufen wir ihm noch mehr Lego, damit er schon mal üben kann. Man unterhält sich partout über die Hobbys, die Schule und die Freunde meines Bruders, ich sitze nur als Dekoration daneben und bekomme Kommentare ab wie ''Warum holst nicht noch ein bisschen Soße?''. Ganz super. Da kann man sich nun leider nur absolut abgeschoben fühlen und so habe ich nun mal nach und nach den Draht und die Beziehung zu meinen Eltern und Verwandten verloren, wir sind uns fremd, ich bin ihnen egal und daher bin ich in meiner eigenen Familie ein Außenseiter.

Als ich meine depressiven Phasen in meinem Leben hatte, war es mein Freund und andere Freunde, die mir zur Seite gestanden haben und mir geholfen haben, mich wieder aufzurappeln. Von meiner Familie habe ich sogar zu dieser Zeit nur Ablehnung erfahren und erniedrigende Kommentare über selbstverletzendes Verhalten, als ich noch nicht einmal damit angefangen hatte. Letztendlich war es dann aber allein mein Freund, der mich vor ihnen bewahrt und meine Taten für sich behalten hat, mich wieder aus dem Tief geholt hat. Ich denke, dass sind Erinnerungen, die wird man sein Leben lang nicht vergessen und nach solchen Vorfällen, würde sich vermutlich auch niemand mehr bemühen, sich mit seiner Familie zu verstehen und wieder einen Draht aufzubauen. Heute muss ich sagen, dass mir das egal ist, Familie ist nicht alles. Ich kann heute ohne zu Lügen behaupten, dass mir meine Familie relativ egal ist und dass ich ihr in Zukunft mit der Ablehnung begegnen werde, mit der sie mich mein Leben lang behandelt haben.

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich meine auch, dass man sich nicht als Außenseiter fühlen muss, nur weil man die Interessen der Familie nicht teilt oder eben nicht bei allen Themen mitreden kann. Manchmal ist es eben so, aber ich finde das nicht schlimm. Für die Familie meines Lebensgefährten bin ich bestimmt auch eine Art Außenseiterin mit meiner so genannten "Anti"-Haltung.

Damit meine ich, dass ich nicht auf Weihnachten und generell auch nicht auf Familienfeiern stehe. Und wo meine Schwägerin zum Beispiel immer selber bäckt und nur einen fertigen Kuchen hinstellt, stelle ich eben 2 TK-Torten hin, einfach, weil ich mir die Arbeit nicht mache. Das hat aber nichts damit zu tun, dass ich die Leute, die zu mir kommen, nicht mag. Nur, um das gleich vorweg zu nehmen, denn so wird es ja oft hingestellt. Ich bin halt faul, aber ich stehe dazu, Punkt!

Und wenn mein Freund mal zu seinen Eltern fährt, fahre ich meistens nicht mit, weil ich keine Lust auf Kaffeekränzchen habe und weil ich dann meistens auch was am PC, also hier auf den Portalen, zu tun habe. Und da habe ich am Ende mehr von, als wenn ich mich irgendwo beim Kaffeekränzchen langweile! Klar denken die Leute dann immer gleich, man mag sie nicht, aber das hat mein Freund nun zwischenzeitlich auch richtiggestellt.

Ich stehe auf dem Standpunkt, dass man sich nicht für andere verbiegen muss. Und man muss sich auch nicht den Gewohnheiten anderer oder deren Lebensstil anpassen. Bis zu einem gewissen Punkt kann man Kompromisse eigehen, aber eben nicht so weit, dass man selber damit nicht mehr klarkommt! Also insofern könnte ich mich auch als Außenseiter sehen, denn wir haben zum Beispiel auch keine Kinder, die Schwester meines Lebensgefährten hat eine Tochter. Und wenn es dann wieder um die ganzen Kinderthemen geht, kann ich auch nicht mitreden. Ist mir aber auch egal! Ich sage mir immer, ich bin wie ich bin, die einen kennen mich, die anderen können mich! (stammt von Konrad Adenauer)

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» Jacqui_77 » Beiträge: 2718 » Talkpoints: 19,87 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Mir ist zwar im Laufe der letzten Jahre auch schon des Öfteren aufgefallen, dass ich mit meiner Familie weder immer irgendetwas gemeinsam habe noch, dass ich immer mit ihnen klarkomme. Manches Mal dachte ich mir sogar, dass eine Familie wirklich etwas reichlich Blödes sein kann, weil man ihr ja eigentlich so gar nicht entkommt, obwohl man sie vielleicht gar nicht will. Allerdings bezog sich diese Überlegung nicht wirklich auf mich selbst, weil ich mich in meiner Familie durchaus wohlfühle.

Ich finde es allerdings auch nicht unbedingt wichtig, dass man vieles miteinander gemeinsam hat, denn ein gemeinsamer Faktor bleibt immerhin: man bildet eine Familie und ist miteinander eng verwandt. Klar, das reicht nicht immer aus, um sich auch genügend Sympathien entgegenzubringen, aber eigentlich ist eine Familie genaugenommen doch eine wirklich spannende – und manchmal auch entsprechend spannungsgeladene – Konstellation, denn sie besteht aus lauter teilweise völlig unterschiedlichen Persönlichkeiten mit den unterschiedlichsten Geschmäckern, Vorlieben und Ansichten. Trotzdem versucht man, miteinander auszukommen und das klappt in der Regel auch.

Und auch, wenn das jetzt möglicherweise blöd klingt, aber ein paarmal habe ich mich doch gefragt, ob man eigentlich die Situation einer Zwangsehe mit dem Zusammenleben als Familie vergleichen kann, der man auch nicht immer freiwillig angehört.

Die Frage ist und bleibt aber, was man daraus macht. Ob Du nun mit Deinem Vater viele Gemeinsamkeiten hast, spielt dabei meiner Meinung nach wirklich weniger eine Rolle und möglicherweise habt Ihr sogar Gemeinsamkeiten, die Dir momentan einfach nicht ein- oder auffallen oder die Ihr noch nicht entdeckt habt und trotzdem teilt. Selbst aber, wenn Ihr wirklich keine Gemeinsamkeiten habt, so bleibt doch eine entscheidende: Ihr seid einander zugeneigt, oder nicht?

Ich selbst habe mich in meiner Familie nicht als Außenseiter gefühlt, allerdings doch bei meinen Schwestern hin und wieder und in bestimmten Altersphasen. Beide sind nämlich einige Jahre älter als ich und empfanden mich natürlich dementsprechend teilweise längerfristig als regelrechten Klotz am Bein, auf den sie auch noch aufpassen sollten, wenn wir zu dritt unterwegs waren.

Das war nicht immer wirklich einfach, weder für mich noch sicherlich für meine Schwestern. In diesen Zeiten, in denen ich heulend in meinem Zimmer saß, weil ich mich ausgeschlossen fühlte, wurde aber klar, dass mir eines immer gewiss ist, nämlich die Liebe meiner Schwestern. Ich wusste, dass sie immer für mich da sein würden, wenn es darauf ankommen würde und fühlte mich deshalb auch nicht wirklich ausgeschlossen, sondern eher überflüssig oder unerwünscht, als Störer oder Quälgeist. Manchmal auch als willkommenes Opfer, sogar das. Aber als jemand, der grundsätzlich und wirklich immer außen vor ist, fühlte ich mich nie, denn dazu hätte für mein Empfinden auch wirklich gehört, dass ich nicht gewollt bin, und zwar grundsätzlich gar nicht.

Als irgendwie „anders“ habe ich mich hingegen schon des Öfteren gefühlt, weil ich in so mancher Hinsicht wirklich komplett anders bin als der Rest meiner Familie und auch eine irgendwie andere Lebensweise habe, wenn man das so sagen will, das ist schwer zu erklären. Manchmal habe ich auch wirklich schon an meine Familie gedacht, mich wegen irgendwelcher Verhaltensweisen oder Begebenheiten wirklich sehr gewundert und mich anschließend gefragt, nach welchem entfernten Verwandten ich wohl kommen könnte, weil ich offenbar so anders funktioniere, agiere und auf bestimmte Sachverhalte reagiere als eben meine Eltern oder meine Schwestern.

Bin ich aber deshalb ein Außenseiter oder jemand, der keinen Platz in der Familie hat? Vielleicht ist das auch wirklich eine Betrachtungsfrage. Ich denke nämlich öfter, dass meine Eltern und auch meine Schwestern sich das Leben manchmal erheblich zu schwer machen und bin der Meinung, hin und wieder tatsächlich sinnvoller zu agieren oder zu reagieren. Deshalb fühle ich mich aber eher als überlegen und nicht als Außenseiter. In Punkten, die ich nicht nachvollziehbar finde, wenn ich die Positionen meiner Familienmitglieder erfahre, sehe ich meine Individualität. Und wenn wir manche Dinge nicht gemeinsam haben, so tut es mir für die anderen leid, dass sie sich nicht für das begeistern können, in dem ich aufgehe. Ich erhebe allerdings auch keinen Anspruch darauf, durch das Teilen bestimmter Vorlieben, Hobbys oder Ansichten Teil der Familie zu sein, weil ich auch ohne all das ein vollwertiger Teil der Familie bin und mich auch als nichts anderes ansehe.

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» moin! » Beiträge: 7218 » Talkpoints: 22,73 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


In unserer Familie ist ja seit Anfang diesen Jahrtausends einiges passiert, was uns noch mehr hat auseinanderleben lassen, als es bereits vorher der Fall gewesen ist. Dazu kommt, dass ich durch meinen Umzug in ein anderes Bundesland nicht mehr um die Ecke erreichbar bin, was sich im Kontakt eben auch bemerkbar macht. Dadurch fühle ich mich dann nochmal zusätzlich als eine Art Außenseiterin. Doch ist das vermutlich einfach nur so der Lauf der Dinge und die Fortsetzung der Familiengeschichte.

Jedenfalls fühlte ich mich bereits von Kindesbeinen an als Außenseiterin, was damit zu tun hatte, dass Jungs einen höheren Stellenwert hatte. Dazu bin ich auch noch das mittlere Kind von drei Kindern gewesen und entsprechend war ich mehr oder minder so etwas wie eine Mitläuferin. Denn mein älterer Bruder war durchweg relativ selbstständig und hatte in unserem Großvater, der mit im Haus lebte, einen Verbündeten. Mein jüngerer Bruder war das Lieblingskind meiner Eltern. Er durfte sich jede Menge Blödsinn erlauben. Na ja, und so fühlte ich mich da schon allein und auf mich allein gestellt.

Ging es mal um Ausflüge oder Unternehmungen, bin ich grundsätzlich zu kurz gekommen. Es wurde das getan, was die anderen wollte und meine Wünsche wurden nicht berücksichtigt. Auch hatte ich das Gefühl gehabt, nicht ernst genommen zu werden und so habe ich mich immer mehr zurückgezogen. Ich hatte manchmal einfach nur das ätzende Gefühl gehabt, zu stören und es wurde auch nichts unternommen oder getan, um mir dieses Gefühl zu nehmen. Das klingt echt traurig, war es auch, aber ich denke, ich habe mich inzwischen damit abgefunden, denn ändern kann ich diese Zeiten nicht mehr. Auch hätte ich damals als Kind und Jugendliche nichts ändern können, außer meine Konsequenzen zu ziehen und die sagen eben so aus, dass ich versucht habe, meinen eigenen Weg zu gehen. Zwar habe ich noch immer Rücksicht genommen, aber verbessert hat es das Gefühl, eine Außenseiterin in der Familie zu sein, nichts. Ich denke, hätte man mir das Gefühl nehmen wollen, wäre eine bessere Integration in der Familie nötig gewesen und mich auch durchaus mal in Schutz zu nehmen, wenn meine Brüder meinten, mich nicht in Ruhe lassen zu müssen und mich eben zu ärgern. Da hat dann mein Opa doch eingegriffen, meine Eltern waren nämlich der Meinung, ich würde mir das einbilden, wahlweise war ich auch selbst Schuld an der Situation oder gern wurde auch gesagt, ich möge mich doch nicht so anstellen.

All diese Erlebnisse haben dazu geführt, dass ich mich innerlich von meiner Familie distanziert habe, auch, wenn da gerade zu meinem älteren Bruder das Band noch vorhanden ist, und ich auch zu meinem Opa und trotz allem zu meiner Mutter bestand dieses Band. Doch auch dieses Band hat mir nicht die Außenseiterposition nehmen können, so dass ich dann anfing, irgendwann mich um mich zu kümmern und nicht um das, was meine Eltern meinen, was ich zu tun habe. Mit etwas mehr Unterstützung und mit mehr Verständnis wäre es wohl nicht so gewesen, dass ich mich als Außenseiterin gefühlt hätte und mich auch selbst nicht so abgeschottet. Aber das kam dann eben so und war meine logische Konsequenz - ich hätte mich gern auch selbst besser integriert, aber hatte im Grunde nicht die Chance dazu gehabt. Vielleicht lag es daran, dass ich das falsche Geschlecht bekommen habe oder so. Ich weiß es nicht, aber inzwischen ist es auch egal, denn ändern kann ich es nicht mehr und hatte wie gesagt auch damals nicht diese Möglichkeiten gehabt, es zu ändern.

Was nun Dich betrifft, LittleSister, ich denke, da spielt auch mehr als eben keinen Job zu haben, eine Rolle. Du hast ja schon von mehreren Disputen mit Deinem Vater berichtet und all das kommt mir ja ein wenig bekannt vor. Ich würde nun keine Gemeinsamkeiten in Interessen nicht als ein Grund für ein Außenseiter-Dasein benennen, dazu bedarf es mehr. Es ist viel mehr die Art des Verhaltens und des Behandelns und wenn man sich um seine Kinder kümmert, sie respektiert, akzeptiert und sie ernst nimmt, ist die Gefahr, dass sie sich als Außenseiter fühlen oder zu Außenseitern werden, wesentlich geringer. Der Grundstein wird in der Kindheit gelegt.

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» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge


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