Führungskräfte leben in Parallelwelten

vom 24.09.2010, 14:28 Uhr

Ich arbeite in einer kleinen Behörde wo es ebenfalls eine kleine Führungsstruktur mit einem Leiter und ein paar Abteilungsleitern gibt. Wir arbeiten ziemlich unabhängig und es werden dementsprechend auch viele Entscheidungen getroffen die nicht großartig noch an höherer Stelle abgesprochen werden müssen. Dabei stelle ich in letzter Zeit fest dass wir immer mehr nach Gutsherrenart regiert werden. Es wird auf höherer Ebene immer öfters einfach etwas festgelegt und aus dem Bauch heraus entschieden ohne sich überhaupt um die einfachsten Grundsätze behördlichen Handels zu kümmern bis hin zum Zurechtbiegen von Vorschriften.

Ich mache mir so meine Gedanken dazu, früher konnte man durchaus noch konstruktive Vorschläge bringen die zumindest auch angehört wurden. Heute geht das nicht mehr so einfach. Ich denke einfach dass Leute denen schon zwanzig Jahre niemand mehr gesagt hat dass sie etwas falsch machen es einfach auch nicht mehr erkennen wenn sie über das Ziel hinausschießen oder falsche Entscheidungen treffen. Sie halten sich wirklich für die größten Denker und Lenker und sind einfach keine Kritik oder Widerspruch mehr gewöhnt.

Zeitgleich hat sich nach meinen Beobachtungen das fehlende Unrechtsbewusstsein enorm entwickelt. Wenn bei meinem Chef das Handy klingelt und dass passiert ständig, dann ist unter Garantie irgend ein Parteifreund dran oder ein anderer Kollege aus irgendwelchen Organisationen wo er Mitglied ist. Es wird sich auch nicht die Mühe gemacht wenigstens den Hauch eines dienstlichen Anrufes zu suggerieren. Auch wird kaum regelmäßig Ein- oder Ausgestempelt, der Kopierer umfangreich für die private Nutzung benutzt oder um irgendwelche Sachen für die bereits genannten Organisationen zu kopieren und so weiter. Alles Sachen die uns kleinen Mitarbeitern streng verboten sind.

Ich will diese Privilegien nicht für mich einfordern, aber es ärgert mich doch ungemein wie hier hochbezahlte Leute den ganzen Tag vertrödeln und noch nicht einmal merken wie abgehoben sie sind. Sehe ich das völlig falsch oder ist das überall so? Sicherlich kann man daran auch nicht viel ändern, aber vielleicht habt ihr eine Idee was man unternehmen könnte? Ich für meinen Teil bin dazu übergegangen Schreiben die ich im Auftrag verfassen soll und zu deren Entscheidungen ich nicht stehe nicht mehr eigenhändig zu unterschreiben. So richtig beliebt mache ich mich damit aber auch nicht und es ändert sich ja auch nichts am Grundproblem.

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» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Die in „Parallelwelten lebenden Führungskräfte“ gibt es vermutlich in so ziemlich jedem Unternehmen. Dabei handelt es sich scheinbar um eine Spezies die zwar nicht vom Aussterben bedroht ist, sich aber – angesichts der konstanten Anzahl der Führungskräfte -auch nicht merklich vermehrt.

Ich denke, dass Du den Nagel schon auf den Kopf getroffen hast wenn Du davon sprichst, dass diesen Vorgesetzten schon lange keine Kritik mehr entgegen gebracht wurde und sie möglicherweise auch deshalb Schalten und Walten wie es ihnen beliebt – sinnvoll oder nicht. Mir kommt es immer mehr so vor, als würde ab einer bestimmten Gehaltstufe schlicht nicht mehr hinterfragt ob Entscheidungen gut und richtig gefällt oder vielleicht doch eher per Zufallsprinzip mit dem Würfel getroffen wurden. Die Privilegien, die besagte Vorgesetzte sich selbst wider besseren Wissens einräumen, sind bei genauerer Betrachtung eine Frechheit. Schließlich wird der Herr aus Steuergeldern bezahlt und verwendet seine Arbeitszeit darauf Privatgespräche zu führen und weitere Steuergelder durch den Kopierer zu jagen.

Wenn sich aber die höchsten Ebenen der Führungsriege gleich oder ähnlich verhalten und ihren Unterstellten in der Führungsebene nicht ab und an auf die Finger hauen, wirst Du als „einfache“ Mitarbeiterin so gar nichts ausrichten können. Zwar ist es moralisch gesehen ein schöner Anfang die im Auftrag verfassten Schreiben nicht mehr abzuzeichnen, an den Tatsachen wirst Du damit aber – wie Du schon selbst sagtest – nichts ändern können.

Wenn Du Dich ohne hin schon nicht beliebt machst in dem Du die Unterschrift unter Entscheidungen die Du nicht mit trägst verweigerst, wäre es doch denkbar die Problematik in eurer Behörde offen anzusprechen. Das Risiko ist natürlich groß später nichts mehr zu Lachen zu haben, wenn Dich das Verhalten Deines Chefs aber so sehr stört wie es Dein Beitrag vermuten lässt, würde ich mal die Option einer Beschwerde an höchster Stelle in Betracht ziehen. So etwas lässt sich sicher auch anonym abwickeln sodass nicht wirklich nachvollzogen werden kann aus welcher Ecke die Beschwerde kam. Allerdings lässt sich auch durch Anonymität nicht ausschließen, dass der Verdacht früher oder später auf Dich fällt.

Die Letzte Möglichkeit wäre eventuell ein Versetzungsantrag in eine andere Behörde. Aber wie auch bei meinem ersten Vorschlag musst Du wissen ob das Problem so groß ist, dass eine solche Maßnahme wirklich nötig wäre.

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» ichwars » Beiträge: 562 » Talkpoints: 3,76 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Ich dachte eigentlich nicht daran den Job zu wechseln, mich bedrückt nur die Situation als Ganzes. Ich werde mich auch schwer hüten etwas in der Richtung zu unternehmen was wie ein Anschmieren aussieht da ich noch zwanzig Jahre hier aushalten muss und die Chefs die gleichen bleiben werden. Aber trotzdem danke für dein Verständnis und die Ratschläge.

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» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Das erstaunt mich schon ein wenig, wie es bei euch läuft. Bei mir ist es eher umgekehrt. Da sind es die Kollegen, die ständig Privatgespräche führen, Privatwege im Dienst erledigen und den Kopierer für Privatzwecke benutzen. Bei den Chefs kommt das höchst selten vor, die sehen sich glücklicherweise noch als Vorbilder!

» SuperGrobi » Beiträge: 3876 » Talkpoints: 3,22 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Das ist eine weitere unangenehme Begleiterscheinung. Bei den Vorbildern reißen natürlich einige Dinge bei den Mitarbeitern ein die auch nicht in Ordnung sind. Allerdings nicht so extrem, die Kontrollen sind schon da und eine Abmahnung oder fristlose Entlassung wegen solchen Sachen will sich auch keiner unbedingt einfangen.

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» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


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