Muss man selbst queer sein, um tolerant zu sein?

vom 23.09.2010, 10:09 Uhr

Doch, für mich ist dies in bestimmten Bereichen Intoleranz. Tut mir Leid, wenn das einige Menschen schockieren mag, aber ich bin durchaus der Meinung, dass unsere Gesetzgebung manchmal nicht unbedingt sinnvoll ist, beziehungsweise, freundlicher ausgedrückt, sinnvoller gestaltet werden könnte. Ich halte nämlich rein gar nichts von Regelungen, die völlig willkürlich sind. Regeln sollten den einzigen Zweck haben, Menschen vor den Folgen einer Tat zu schützen, oder meinentwegen auch Abläufe zu vereinfachen. Das ist beides nicht der Fall, wenn jemand im stillen Kämmerlein irgendeinen Blödsinn mit sich selbst macht, von dem im Normalfall sowieso niemand etwas mitbekommt.

Jetzt würde mich aber wirklich ein Beispiel interessieren, das zu deiner Aussage hier passt. Also, was du konkret im Sinn dabei hattest.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Mein erster Gedanke beim Lesen deines Textes war: "ja und nein", auch wenn ich diesen recht beliebig erscheinenden Ausdruck eigentlich nicht mag. Ich bezeichne mich selbst auch als queer und fühle mich sowohl in der schwulen als auch in der genderqueeren Schublade wohl. Schublade ist hierbei mal nicht als negative Klassifizierung definiert.

Sicher erscheint es irgendwo logisch, dass diejenigen, die von der Toleranz queeren Menschen gegenüber "profitieren", diese Toleranz auch von sich aus in die Waagschale werfen. Letztes Wochenende wurde ich (mal wieder) eines besseren belehrt. Ich war in einem Club, der sich selbst als Transen-Kneipe definiert. Dort traf ich zum insgesamt dritten Mal auf jemanden, der selbst Transmann ist, sich aber extrem intolerant gegenüber jeglichen Formen von queeren Menschen aufführt, die vom binären Geschlechtermodell abweichen. Er ist der Meinung, dass jeder, der sich irgendwie als Zwischenwesen definiert, gestört sein muss und dass nur jemand, der das "richtige" Mannsein zum Ziel hat, ein richtiger Transmann sein kann. Mein Begleiter und ich konnten diesen Menschen schon vorher nicht ernst nehmen. Die Fülle solcher Aussagen jedoch setzte allem die Krone auf, zumal wir mit einer transsexuellen Bekannten dort waren. Es war unhöflich und alles andere als tolerant. Leider war das nicht meine erste Begegnung mit einem Menschen, dieser Art. Ich habe auch schon schwule Leute erlebt, die Lesben verurteilen und Lesben, die Schwule hassen. Gerade dort, wo man Toleranz erwartet, ist diese oft nicht vorhanden.

Auf der anderen Seite erlebe ich innerhalb queerer Gefüge eben auch eine Akzeptanz, die ich bisher in den "normalen" Kreisen nicht gefunden habe. Ich glaube, dass es sehr stark von der Selbstdefinition des einzelnen Menschen abhängig ist, wie tolerant er ist. Bei den Leuten, die sich selbst zum Beispiel als queer bezeichnen oder sich bewusst für bestimmte Konzepte entschieden haben, habe ich keine ausgeprägte Intoleranz festgestellt. Wenn jemand vielleicht durch bestimmte Punkte dem queeren "Milieu" zugeordnet wird, sich selbst aber nicht so definiert, sah das durchaus schon anders aus. Abgedroschener Satz, aber immer wieder wahr: viele Minderheiten suchen sich eine weitere (noch kleinere?) Minderheit, die sie unterdrücken/beleidigen können.

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» Cologneboy2009 » Beiträge: 14210 » Talkpoints: -1,06 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Ich finde diese Diskussion eher schwierig, denn was bedeutet denn eigentlich 'queer'? Wer legt fest was normal ist und was von der Norm abweicht? Ich möchte annehmen das es kaum 2 Menschen auf der Welt gibt die eine komplett gleiche Sichtweise des Wortes 'normal' haben. Demnach ist es auch von Mensch zu Mensch verschieden was als 'queer' angesehen wird.

Zudem hängt es nicht nur von den persönlichen Erfahrungen ab die ein Mensch sammelt, sondern auch von Tradition und Erziehung, Zeitalter, Kultur und Religion. Man bekommt die Sichtweisen von Bezugspersonen mitgegeben, bildet sich seine eigene und sieht die Sichtweise der Masse (Bevölkerung). Daraus ergibt sich, was ein Mensch als normal empfindet und was nicht.

Daraus schließe ich, dass man nicht selbst 'queer' sein muss um Dinge wie Homosexualität oder ähnliches zu akzeptieren, sondern das man sich mit der Welt auseinander setzt, Meinungen intoleranter Menschen nochmals überdenkt und dann zu einem eigenen Entschluss kommt.

Es ist gut möglich das Menschen die nicht der Normalität entsprechen toleranter sein mögen, da sie selbst erfahren haben wie es ist wenn man unfair behandelt wird, jedoch denke ich das auch 'normale' Menschen tolerant sein können, solange sie nicht alles so hinnehmen wie es ihnen serviert wird und auch mal Dinge und Meinungen hinterfragen. Denn solange Menschen und Praktiken die nicht 'normal' sind niemandem schaden, sollte man diese so akzeptieren wie sie sind.

» yuuhi » Beiträge: 281 » Talkpoints: 2,41 » Auszeichnung für 100 Beiträge



yuuhi hat geschrieben:Wer legt fest was normal ist und was von der Norm abweicht? Ich möchte annehmen das es kaum 2 Menschen auf der Welt gibt die eine komplett gleiche Sichtweise des Wortes 'normal' haben.


Dass Menschen es sehr subjektiv auffassen, was als "normal" gilt, stimmt. Aber eigentlich ist das schon eine Fehldefinition vom Begriff "normal". Wie du schon schriebst, leitet sich der Begriff von der "Norm" ab, und diese ist definiert als Art Mittelwert. Man könnte sagen, wenn eine Sache von der Mehrheit der Bevölkerung so praktiziert wird, gilt sie als normal. Natürlich variiert das zeitlich und von Gesellschaft zu Gesellschaft, daher kann man auch keine universellen Normen aufstellen, sondern jede Kultur hat andere und auch jedes Zeitalter unterscheidet sich in dieser Hinsicht leicht. Doch innerhalb einer Kultur kann man mit dieser Definition als Mittelwert völlig objektiv definieren, was nun "normal" ist, oder nicht. Statistiken und Ähnliches sollten darüber Aufschluss geben.

"Nicht normal" oder "unnormal" ist somit Verhalten, das nicht üblicherweise von der Masse an Menschen praktiziert wird. Wenn man dies ohne eine Wertung so ausdrückt, habe ich auch nichts dagegen. Und genau so ist es hier auch gemeint: Ich meine mit "normal" das Massentaugliche, Übliche in unserer Kultur, egal, ob es logisch oder unlogisch ist, schädlich oder nützlich. Sonst nichts.

Und daraus wage ich dann die These zu formulieren: Viele Menschen, die selbst sehr den Vorstellungen von Normalität entsprechen, die immer so handeln, wie man es von ihnen erwartet, die sind sehr oft intolerant gegenüber Menschen, die es ihnen nicht gleich tun, sondern die "unnormale", eben unübliche, Dinge tun. Die Menschen hingegen, die selbst ungewöhnliche Dinge tun, sind oft gegenüber ungewöhnlichen Dingen im Allgemeinen offener und toleranter. Natürlich gibt es immer Ausnahmen, man kann nie alle Menschen in eine Schublade werfen, auch, wenn einige Leute das versuchen (was ich schlimm finde).

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



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