Todesstrafe-wieso mit Platzpatronen?

vom 18.06.2010, 11:50 Uhr

In der Zeitung wurde berichtet dass in den USA ein Mörder durch Gewehrkugeln hingerichtet wurde. Diese Hinrichtungsart ist extrem selten, sie wurde aber auf Wunsch des Deliquenten durchgeführt der zwischen zwei Hinrichtungsarten wählen konnte.

Weiterhin wurde berichtet dass bei dieser Hinrichtungsart der Häftling auf einen Stuhl festgeschnallt wird, die Stelle an seinem Körper mit einem Tuch markiert wird wo sich sein Herz befindet und dass dann fünf Todesschützen gleichzeitig ihre Kugel abgeben. Dabei wurde ein Gewehr mit einer Platzpatrone geladen, die Schützen wissen also nicht welcher Schuss ohne Folgen war.

Wieso macht man so etwas? Jeder der einmal gedient hat erkennt genau den Unterschied und er weiß wenn sein Gewehr eine Platzpatrone oder scharfe Munition abgefeuert hat. Ich kann mich dunkel an die Erzählungen meines Großvaters erinnern dass so etwas früher auch schon so gehandhabt wurde. Auch in alten Büchern habe ich so etwas schon einmal irgendwann gelesen. Es kann sich hier doch nicht um den Schutz vor Schuldgefühlen oder Traumata handeln? Handelt es sich vielleicht um Aberglaube? Ich weiß allerdings nicht ob solche Kommandos aus Freiwilligen bestehen oder ob sie dazu abkommandiert wurden, also ob so ein Vollzug der Todesstrafe wirklich ausschließlich unter Zwang für die Ausführenden erfolgt.

Bitte keine Grundsatzdiskussion zur Todesstrafe, das wäre OT. Mich interessiert wirklich nur die möglichen Beweggründe zur Verwendung einer Platzpatrone.

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» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Vielleicht will man somit den Schützen schützen, da Aussenstehende ja nun nicht wissen, wer die Platzpatronen in seinem Gewehr hatte.

Das würde allerdings gegen den Grund sprechen, warum bei Hinrichtungen per Giftspritze nur einer der drei verwendeten Kolben mit dem todbringenden Stoff gefüllt ist. Dort soll ja derjenige, der diese Spritze auslöst, nicht wissen, dass er derjenige welcher war, der den Tod des Hinzurochtenden verursacht hat.

Kann es sein, dass ein Gewehr mit scharfer Munition geladen war und die anderen mit Platzpatronen? Würde zumindest dann analog zur Hinrichtung mit Giftspritze Sinn machen. Wobei bei nur einem Schützen die "Erfolgsquote" relativ gering sein könnte.

» Squeeky » Beiträge: 2792 » Talkpoints: 6,18 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Die Beweggründe sind hier klar. Es dient dem Schutz der Todesschützen. Diese sind zwar freiwillige bzw. Scharfrichter, die ihrem Job nachgehen. Aber keiner soll sich sicher sein, wirklich für den Tod des Häftlings verantwortlich zu sein. Daher auch die Anordnung, dass jeder Schütze auf die gleiche Stelle schießt!

Dass man hier dann den Unterschied merkt, glaube ich übrigens für den Schützen selbst nicht. Da wird die Waffenindustrie schon entsprechende Vorkehrungen haben, so dass alle Schützen das Gefühl haben werden, potentiell die tödliche Kugel geschossen zu haben bzw. mit der Gewissheit leben, u.U. eben nicht die wirkliche Kugel abgefeuert zu haben.

Soweit ich weiß gibt es diese Art des Schutzes für die Henker auch bei den anderen Hinrichtungsarten. So ist es bei der Vollstreckung durch die Giftspritze auch so, dass mindestens zwei Personen die letztlich tödliche Injektion starten, wobei eben nur in einer Kanüle der Giftcocktail zu finden ist.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Genau das ist der Grund: Es gibt immer mehrere Henker, wobei nur einer den Verurteilten faktisch tötet, sei es nun per Schußwaffe, Spritze oder Strom. Auch bei letzterem gibt es Apparaturen, die zwei Hebel haben und die von zwei Beamten getätigt werden, von denen aber nur einer tatsächlich funktionstüchtig ist. Somit ist nicht nachzuvollziehen, wer den Delinquenten letztlich tatsächlich umgebracht hat.

Der Hintergrund ist ganz einfach: Auf diese Weise können die Beamten sich bei möglichen Gewissensbissen immer herausreden mit "Vielleicht war ich es ja gar nicht".

» bsm123 » Beiträge: 1254 » Talkpoints: 13,60 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich nehme auch mal stark an, dass es sich hierbei um eine "Gewissensfrage" handelt. Dadurch, dass nicht alle Schüsse töten, die Schützen aber nicht wissen, wessen Schuss nun der tödliche gewesen ist, schützt man sie eventuell vor schweren Gewissensbissen. (Die Angst "Oh, nein, ich habe einen Menschen getötet." wird dadurch etwas relativiert.)

Seltsam finde ich es allerdings schon - ich fände es logischer, wenn doch mindestens 2 der 5 Patronen Platzpatronen wären, damit wäre die "Trefferquote" doch sicherlich auch noch gegeben. Außerdem denke ich doch, dass die Menschen, die Sträflinge hinrichten, genau wissen, was sie tun und sich bewusst für dieses beruflichen Werdegang entschieden haben - wozu braucht man dann im Endeffekt diese Absicherung? Vielleicht schützt sich damit ja der Staat auch selber vor etwaigen Klagen der Schützen (gemäß dem Fall, sie kommen mit der Schuld doch nicht klar und brauchen professionelle Hilfe).

Inwiefern man die Platzpatronen von normaler Munition unterscheiden kann, weiß ich nicht. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass einige Schützen den Unterschied feststellen könnten; aber wer weiß - eventuell ist die falsche Munition ja doch so "hochwertig", dass es kaum auffällt.

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» Kaethe » Beiträge: 309 » Talkpoints: 48,28 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Kaethe hat geschrieben:Außerdem denke ich doch, dass die Menschen, die Sträflinge hinrichten, genau wissen, was sie tun und sich bewusst für dieses beruflichen Werdegang entschieden haben - wozu braucht man dann im Endeffekt diese Absicherung?

Hier machst Du es Dir zu einfach. Der Mensch als Wesen entwickelt sich ja weiter und man kann sich später nicht einfach damit herausreden, dass man ja angeblich wusste, was man tut. Es ist ja nicht undenkbar, dass man als Verfechter der Todesstrafe sich dieser Aufgabe stellt und dann im Laufe des Lebens seine Haltung dazu radikal ändert. Und das sichere Gefühl für das Ableben anderer verantwortlich zu sein, kann dann zur massiven Belastung werden.

Hinzu kommt der Umstand, dass man sich der Tat bewusst ist und unter keinen Umständen etwas bereuen würde. Aber wenn sich mal herausstellt, dass da ein Unschuldiger hingerichtet wurde, sich die Sache dennoch anders darstellt. Und es ist ja noch nicht mal ungewöhnlich, dass es zu Justizirrtümern kommen kann. Bedauerlicher Weise auch dann, wenn Entscheidungen bzw. dessen Folgen praktisch nicht mehr korrigierbar sind. Auch dann kann sich der Henker entsprechend damit "trösten", dass er u.U. eben nicht die Verantwortung zu tragen hat.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Das war mir neu dass es bei den anderen Exekutionsformen auch Placebos gibt, dann macht es ja schon irgend einen Sinn das hier auch so verfahren wird. Mittlerweile glaube ich auch dass es mehr dem psychologischen Selbstschutz dient, eher weniger um den Exekutierenden vor möglichen Repressalien zu schützen.

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» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Wobei die Todesstrafe an sich ja schon menschenunwürdig ist. Auch wenn immer wieder gerade von den USA in den Vordergrund gestellt wird, das die Todesspritze die klinsch sauberste Variante darstellt.

Was mich in diesem Zusammenhang dann verwundert, ist, das die anderen Todesarten, die im Gesetzbuch stehen, nicht schon längst verboten worden sind, aber anscheinend dachten die Politiker da mal wieder nicht nach, das sich jemand eventuell doch auf die ein oder andere grausamere Weise hinrichten lassen würde.

Wenigstens gibt es jetzt in den USA eine Debatte darüber, ob das geschehen sollte oder ob die Todesstrafe generell ausgesetzt werden sollte, was eigentlich der sinnvollere Weg wäre, denn jemanden mit dem Tod bestrafen, ist alles andere als menschlich, egal, auf welche Art, Form und Weise dies geschieht.

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» Entertainment » Beiträge: 3654 » Talkpoints: -10,46 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Es ist schon unüblich, wenn 4 von 5 Schützen scharfe Munition haben. Da ist die Wahrscheinlichkeit 4 : 1, dass man scharfe Munition abgefeuert hat. Ob das noch wirklich das Gewissen entlastet, kann ich mir nicht vorstellen. Es kommt mir fast so vor, als ob hier ein altertümliches Ritual wieder auflebt, von denen die Anordnenden selbst nicht den Sinn so recht nachvollziehen können.

Ursprünglich war es wohl so, dass bei Erschießungen durch das Militär eher die wenigeren Beteiligten wirklich scharfe Munition hatten. Dann konnte man sich wirklich beruhigen. Zudem war es ja als Soldat so, dass man Befehlsverweigerung beging, wenn man nicht an einer Erschießung teilnahm die vom Vorgesetzten angeordnet war.

Außerdem war es bei einem möglichen Gerichtsprozess gegen die Hinrichtenden nie zweifelsfrei nachzuweisen, wer den tödlichen Schuss abgefeuert hat. Da die Regel gilt, dass das Gericht im Zweifel für den Angeklagten zu entscheiden habe, war das eine sehr günstige Ausgangslage, den Henkern einen Freispruch zu erteilen.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


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