Ohne Nachhilfe geht fast nichts mehr in der Schule

vom 28.01.2010, 20:01 Uhr

Eben kam ein Bericht im Fernsehen. Jeder 2. Schüler braucht eigentlich Nachhilfe. Ohne Nachhilfe geht nichts mehr. Im Schnitt gibt jedes Elternpaar 108 Euro im Jahr an Nachhilfe aus. Das wären 1,5 Millionen Euro im Jahr für alle Eltern.

Viele Eltern können es sich nicht leisten und die Kinder bekommen einen schlechten Schulabschluss oder gar keinen. Wo soll das noch hinführen? Da frage ich mich doch, warum früher die Schüler auch ohne Nachhilfe ausgekommen sind? War die Schule früher nicht auch schwer oder war sie wirklich so viel einfacher? Die Lehrer sind doch auch nicht gebildeter und können nicht mehr beibringen, als sie selber gelernt haben.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Unsere Tochter ist eine gute Schülerin und erhält trotzdem Nachhilfe! Jeder Schüler hat seine Problemfächer - bei meinem Kind war es zeitweise Latein. Von einer Note zwischen eins und zwei ist meine Tochter im Laufe eines Jahres und mit einem Lehrerwechsel leider auf eine vier abgerutscht.

Das ist sicher kein Beinbruch, aber ich habe sie trotzdem bei der Nachhilfeschule angemeldet. Erstens sind Kinder gerade in einem Sprachenfach dann wieder mehr gefordert, ihre Vokabeln wirklich regelmäßig zu lernen und zweitens werden sie so wieder viel selbstsicherer, was ihre Leistungen angeht.

In meinem Fall hat es meine Tochter in diesem einen Fach dank der Nachhilfe wieder eine ganz Note nach oben gebracht. Sie geht im übrigen sehr gerne zur Nachhilfeschule. Ich kann diese Art des betreuten Lernens mit geschultem Personal nur empfehlen.

Es gibt Organisationen wie der "Schülerhilfe", die Gebühren sind meines Erachtens für jede Familie tragbar. Ich verzichte gerne auf einige Extras, wie mal ein Sstück Kuchen, ein Glas Wein oder Süßigkeiten, wenn ich dann meinem Kind und seiner Zukunft auf die Sprünge helfen kann.

» drummergirl » Beiträge: 359 » Talkpoints: 29,70 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Ich denke, das liegt daran, dass Nachhilfe inzwischen normal geworden ist. Zu meiner Schulzeit - die ja so lange auch nicht her ist - war Nachhilfe wie ein Stempel. "Der kommt alleine nicht mit, der braucht Nachhilfe." Das war ein Makel, also vermieden die Schüler es, Nachhilfe zu bekommen. Denn wer Nachhilfe bekam, galt in der Klassengemeinschaft schnell als ein bisschen (oder als sehr) doof. Und wer will das schon? Also wurde sich mehr angestrengt, auch waren bei mir einige, die nur bis zur zehnten Klasse gehen wollten, also so schnell wie möglich arbeiten gehen wollten. Das waren fast alles Schüler, die auch nicht besonders gut in der Schule waren, zwar noch mitkamen, aber in den höheren Klassen sehr wahrscheinlich Probleme bekommen hätten.

Heute aber ist ein Abitur ja schon fast Grundvoraussetzung, um überhaupt eine Lehrstelle zu bekommen. Das ist aber erst seit einigen Jahren so. Vor fünfzehn, zwanzig Jahren reichte bei ganz vielen (eigentlich allen, die ins Handwerk gingen) sogar der Hauptschulabschluß. Damit aber lässt sich heute kaum mehr etwas reißen, auch haben einige Bundesländer der Traumkombination Sport, Musik und Religion als Abifächer einen Riegel vorgeschoben.

Es lässt sich also weniger tricksen. Wer vor zwanzig oder dreißig Jahren noch gerade so mitkam (mitgezogen wurde) und sich eben durchmogelte, indem er die Mathe-Fünf mit der Eins in Sport ausglich, der muss heute schauen, wo er abbleibt. Und nutzt dann eben die Nachhilfe. Da das viele machen, ist die Nachhilfe auch in ihrem Ansehen gestiegen.

Bei jüngeren Schülern wird die Nachhilfe hingegen meistens durch die Eltern organisiert. Oft wohl schon, wenn nur Dreien und Vieren geschrieben werden. Vier bedeutet immer noch "ausreichend", trotzdem sehen viele Eltern bei Vieren (besonders in den Hauptfächern) Handlungsbedarf und schicken die Kinder zur Nachhilfe.

Dass die Schule schwerer geworden ist, denke ich nicht. Ich sehe es ja bei den Kindern im Freundes- und Bekanntenkreis, der Stoff, den die durchnehmen, unterscheidet sich nicht groß von dem, was in meiner Schulzeit drankam. Trotzdem bekomme ich ganz oft mit, dass die dann stöhnen und sagen, so und so viele verstehen das nicht, sie selbst auch nicht. Dann sind die Eltern gefragt und müssen erklären. Dabei reicht in den meisten Fällen eigentlich ein Blick ins Buch; in den Schulbüchern stehen nach wie vor Beispiele, sei es nun für Mathematikaufgaben oder Grammatik.

Wo das hinführen soll, ist klar: Wer intelligent genug ist, kommt nach wie vor auch so mit, egal ob er aus reichem Elternhaus ist oder die Familie an der Armutsgrenze lebt. Wer nicht so viel Intelligenz abbekommen hat und aus reichem Hause stammt, wird bepaukt werden, damit es für einen guten hohen Schulabschluß reicht. Wer nicht viel im Kopf und Eltern mit nicht viel Geld hat, hat gute Chancen, zukünftiger Hart4-Empfänger zu werden. Klingt krass, ist aber die Realistät, wie man sie leider sehr oft sehen kann.

» Morgaine » Beiträge: 2701 » Talkpoints: 9,09 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Ich finde diese Angabe schon ziemlich hoch gegriffen und kann mir nicht vorstellen, dass so viele Kinder eigentlich Nachhilfe in Anspruch nehmen müssten. Ich frage mich, auf welcher Grundlage diese Informationen begründet werden. Du schreibst, dass gesagt wurde, dass eigentlich jedes zweite Kind Nachhilfe brauchen würde. Ob das nun tatsächlich so ist, wurde offenbar nicht gesagt und ich denke auch nicht, dass wirklich jedes zweite Kind Nachhilfe bekommt.

Der durchschnittliche Betrag von 108 Euro pro Kind beziehungsweise Elternpaar ist auch nicht allzu hoch. Ich denke, dass viele Kinder kaum Nachhilfe bekommen, während andere regelmäßig einen Nachhilfelehrer aufsuchen. Für 108 Euro bekommt man im Schnitt zehn bis zwölf Stunden Nachhilfe, was auf das Jahr gerechnet wirklich nicht viel ist.

Ich denke nicht, dass die Ansprüche so viel höher sind als früher und ich denke auch nicht, dass die Lehrer heutzutage schlechter sind als früher. Allerdings denke ich, dass viele Eltern mittlerweile einfach keine Lust mehr haben, mit ihren Kindern zu üben, so dass diese dann niemanden haben, mit dem sie außerhalb des normalen Unterrichts Probleme mit dem Unterrichtsstoff besprechen und lösen können. Wenn mehr Eltern bereit wären, mit ihren Kindern zu üben und ihnen bei Problemen zu helfen, müssten auch weniger Kinder Nachhilfe in Anspruch nehmen und würden auch bessere Abschlüsse erreichen.

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» Cologneboy2009 » Beiträge: 14210 » Talkpoints: -1,06 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Cologneboy2009 hat geschrieben:Ich finde diese Angabe schon ziemlich hoch gegriffen und kann mir nicht vorstellen, dass so viele Kinder eigentlich Nachhilfe in Anspruch nehmen müssten.

Oh doch, das kann sehr wohl hinkommen. Weil nämlich Kinder aufs Gymnasium geschickt werden, die damit überfordert sind. Und die man früher einfach auf die Hauptschule oder Realschule getan hätte, aber deren Eltern jetzt meinen, dass das Kind unbedingt aufs Gymnasium muss. Hauptschulen haben sowieso kaum mehr Zukunft, bei Realschulen gibt es eben nur den Realschulabschluss, da ist nach der zehnten Klasse Schluss. Also muss das Kind aufs Gymnasium, auch wenn abzusehen ist, dass es dort über kurz oder lang Schwierigkeiten bekommen wird. Das muss noch nichtmal so sein, dass das Kind dumm ist.

Aber: Gymnasien hetzen viel schneller durch den Stoff als andere Schulen. Wer da nicht mitkommt, verliert ganz schnell den Anschluss und verschlechtert sich innerhalb kürzester Zeit rapide. Gerade in Fächern, in denen der Lernstoff aufeinander aufbaut. Sind zum Beispiel Sprachen, aber auch Mathematik. Ein Kind, das aber ein bisschen länger braucht, bis es etwas versteht, ist mit diesem Tempo dann einfach überfordert. Dem muss in Ruhe und langsam alles erklärt werden. Das kann aber kein Lehrer leisten, weil dafür im Unterricht einfach die zeit fehlt. Also sind die Eltern gefragt. Und bei denen scheitert es oft an fehlender Zeit oder fehlender Bildung oder beidem.

» Morgaine » Beiträge: 2701 » Talkpoints: 9,09 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


@ Morgaine:
Bei uns war es damals so, dass man eben eine Empfehlung für das Gymnasium bekam oder eben nicht. Ist das heute anders (also so ewig liegt das noch gar nicht zurück)?

Ist es möglich, dass Eltern ihren Nachwuchs auf dem Gymnasium anmelden, wenn sich schon auf der Grundschule herauskristallisiert hat, dass die Kinder diese Schule mit einer großen Wahrscheinlichkeit ohnehin nicht schaffen werden.

In dem Fall sind die Schulen gefragt, die den Eltern ihre Flausen ausreden müssen und auch die Eltern sollten den gesunden Menschenverstand benutzen. Ein Kind, das auf der Grundschule schon keine Leuchte ist, wird auf dem Gymnasium untergehen - wahrscheinlich auch mit Nachhilfe.

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» Cologneboy2009 » Beiträge: 14210 » Talkpoints: -1,06 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


In den meisten Bundesländern haben die Eltern doch gar nicht mehr die Möglichkeit ihre Kinder gegen die Empfehlung der Lehrer auf das Gymnasium zu schicken. Zumindest müssen die Kinder dann beweisen, dass sie tatsächlich das Zeug dazu haben, auf das Gymnasium zu gehen. Aus diesem Grund ist es wohl kaum den vielen überforderten Gymnasiasten zu verdanken, dass es so viel Nachhilfebedarf gibt.

Ich denke, dass der steigende Anteil von Nachhilfe-Stunden unter anderem auch daran liegt, dass die Klassen teilweise immer größer werden und da einzelne Schüler immer eher übersehen werden bzw. gar nicht die Zeit ist, einzelnen Schülern auf die Sprünge zu helfen. Ein weiterer Grund ist sicher auch die zunehmende Sensibilierung. Wenn ich daran denke, dass ich schon ein Jahr vor der Einschulung meines Kindes Kontakt zu einem Teil dessen künftiger Lehrer hatte, diese mein Kind zum Teil schon recht gut kennen und auch um dessen Schwächen wissen; dass wir in Kontakt stehen, um gezielt daran zu arbeiten, dann ist das sicher auch schon der Einstieg.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich stimme hier JotJot voll und ganz zu, denn im Bekanntenkreis habe ich einen ähnlichen Fall. Der Junge hat im Fach Mathematik richtig ernsthafte Probleme. Ich helfe ihm bei den Hausaufgaben und übe auch mit ihm. Eines Tages wusste ich mir keinen Rat und suchte die Lehrerin auf. Im Gespräch kamen wir dann zu dem Schluss, das er den Weg zur Lösung nicht versteht. Kleine Rechenaufgaben meistert er ohne Fehler.

Die Lehrerin sagte bei den vielen Schülern geht das völlig unter und nicht einmal ihr ist diese Sache direkt aufgefallen. Er muss jetzt verstärkt lernen bei den Aufgaben den Lösungsansatz selbst zu finden. Hier benötigt er jetzt erst einmal Hilfe für einen gewissen Zeitraum, weil es seitens der Lehrerin viel zu spät erkannt wurde.

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» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Das ein Kind unbedingt die Empfehlung des Lehrers braucht, um zum Gymnasium gehen zu dürfen stimmt nur bedingt. Denn es ist ein Unterschied, ob dies quasi ein staatliches Gymnasium ist oder eines welches schon eher einer privaten Schule gleicht. Ich habe selbst eine ehemalige Klassenkameradin deren Tochter auf das Zweitgenannte geht und dort wurde lediglich ein Einstellungstest gemacht und dann sind da eben entsprechende monatliche Gebühren.

Aber Nachhilfe, wenn man es so nennen will, haben meine Töchter derzeit auch. Allerdings im Rahmen der Schule und von der Klassenlehrerin durchgeführt. Allein aus dem Grund, weil sie in der Schule, wo sie eingeschult wurden, noch keine Schreibschrift hatten. Dies hier an der Schule aber von Beginn an gelehrt wurde.

Damit ist eben bei meinen Töchtern in Deutsch enormer Nachholebedarf vorhanden gewesen, wobei sie jetzt nach 2 Monaten fast durch sind. Das ganze nennt sich Förderunterricht, wird an zwei Tagen der Woche morgens in der ersten Stunde gemacht. Die Klassenlehrerin schreibt bei den betroffenen Kindern halt ins Hausaufgabenheft, das sie bitte an diesen Tagen zur ersten Stunde kommen sollen.

Ich finde das recht sinnvoll, denn die Kinder sollen ja nicht den ganzen Tag mit lernen verbringen und somit haben sie dann Schulschluss, wie der Rest der Klasse auch. Zumal meine Kinder sich immer freuen, das sie ihre Klassenlehrerin da manchmal sogar für sich ganz allein haben.

Aber bei vielen liegt es eben auch daran, das sich die Eltern vom ersten Schultag nicht wirklich um die Belange der Kinder gekümmert haben. Leider gibt es sowas sogar schon bei den Erstklässlern, die dann Montags schon keine Hausaufgaben vorweisen können, weil sich am Wochenende nicht darum gekümmert wurde.

Steht dann eben die Frage, ob die Eltern kein Interesse haben, überfordert sind vom Zeitaufwand her oder wirklich den eigenen Kindern da schon nicht helfen können, weil sie halt selbst nicht wirklich die Leuchten waren/sind.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Es ist tatsächlich so, dass in den Oberklassen fast jedes Kind zumindest zeitweise Nachhilfe benötigt. Ehrlich gesagt finde ich aber die ermittelten 108 EUR im Jahr sogar noch relativ niedrig bemessen, aber das kommt wohl daher, da es der Durchschnitt ist und manche Kinder ja auch gar keine Nachhilfe in Anspruch nehmen. Wenn man das auf den Monat umrechnet, sind das 9 EUR im Monat.

Meistens kostet ja eine Nachhilfestunde schon zwischen 6 und 14 EUR, und eine Nachhilfestunde im Monat erscheint mir sogar etwas wenig. Aber selbst wenn es 30 EUR im Monat sind, bin ich der Meinung, dass das Kind das wert sein sollte, auch wenn man wenig Geld zur Verfügung hat.

Klar ist das für viele nicht einfach, aber dann muss man eben mal auf persönliche Vergnügungen verzichten, wenn es nicht anders geht. Die Schule hat meiner Ansicht nach immer Vorrang und im schlimmsten Fall würde ich sogar irgendwelche Dinge auf Ebay verkaufen oder dergleichen, um die Nachhilfe zu finanzieren - nur leider sehen das viele Eltern halt nicht so und sind auch nicht gewillt, sich mit ihren oft lernunwilligen Kindern auseinanderzusetzen.

Zudem gibt es ja auch meist schulinternen Förderunterricht, den die Kinder wahrnehmen können, auf dem Gymnasium nennt sich das "Intensivierungsstunden" - die sollten die Kinder dann eben bei Bedarf auch in Anspruch nehmen.

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» netti78 » Beiträge: 3238 » Talkpoints: 18,35 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


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