Sollte man Kindern ihre Ticks lassen oder nicht?

vom 16.10.2021, 09:31 Uhr

Es gibt ja harmlose Sachen, die Kinder immer wieder gerne machen. Mein Neffe bastelt beispielsweise immer, wenn er mal Ruhe braucht, Lesezeichen. Er hat da mittlerweile eine große Kiste und zeigt diese auch gerne. Wenn man dann ein Lesezeichen geschenkt bekommt, muss man auch garantieren ordentlich damit umzugehen. Solche Sachen finde ich schon sehr süß. Was ist aber, wenn das Kind nun nicht zwanghaft bastelt, sondern beispielsweise den Lichtschalter immer wieder drückt? Sollte man das dann auch einfach so lassen und ab wann sollte man da eingreifen? Kann man gegen schlimmere Ticks überhaupt etwas machen?

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Manchmal frage ich mich wirklich, ob es so viel Dämlichkeit wirklich geben kann. :shock: Du findest zwanghaftes Verhalten, dass niemanden stört, produktiv ist und nicht unangenehm auffällt also vollkommen angemessen, schwierig wird es erst, wenn andere es negativ bemerken? Und du fragst in einem anderen Thread, warum psychischen Erkrankungen so wenig Empathie entgegengebracht wird? Im Erst? Wo ist denn deine Empathie abgeblieben?

Du siehst also kein Problem darin, dass zwanghaftes Verhalten dem Betroffenen die Handlungs- und Entscheidungsfreiheit nimmt, wenn es nur nicht auffällt? Außerdem solltest du vielleicht mal überdenken, was du so als Tick bezeichnest! Ein Kind mit einem Hobby hat also einen Tick? Wer hat das diagnostiziert? Und den Lichtschalter mehrfach zu drücken, das ist auch immer ein Tick? Das kann auch ganz andere Gründe haben. Jedenfalls gehört zwanghaftes Verhalten in Behandlung, dort erfahren Eltern dann auch, wie die am besten damit umgehen.

» cooper75 » Beiträge: 13330 » Talkpoints: 498,67 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Ich überlege gerade, wie du Tick definierst. Lesezeichen zu basteln ist kein Tick, sondern ein kreatives Hobby. Warum sollte man da eingreifen? Vielleicht meinst du aber auch Tics wie zum Beispiel zwanghaftes Blinzeln oder sogar so etwas wie die Krankheit Tourette. Harmlose Tics gehen meistens von selber weg. Da würde ich gar nicht eingreifen. Ein laienhaftes Eingreifen könnte einen harmlosen Tic vielleicht sogar verstärken. Ist aber nur meine Laien-Meinung.

Einer meiner Söhne hat einmal den Tic gehabt, zwanghaft die Pokemon-Namen aufzusagen. Normalerweise ist das ja nichts Schlimmes, wenn es ab und zu passiert. Aber das kam gefühlt jede Stunde vor. Wenn er einmal angefangen hatte, konnte er nicht aufhören, bis er fertig war. Das hat er aber wohl nur zu Hause gemacht, wohl wenn er sich irgendwie abreagieren musste. Es hat niemand anderer außerhalb des Hauses oder gar im Kindergarten etwas gesagt, sodass ich das ignoriert habe. Nach ein paar Wochen ist dieser Tic verschwunden.

Wenn Tics das soziale Zusammenleben beeinträchtigen, etwa wenn zwanghaft in bestimmten Situationen Tabu-Worte gesagt werden, würde ich einen Psychologen aufsuchen. Die Anfänge waren bei besagtem Sohn, der wohl genetisch für Tics anfällig ist (mein Bruder hat auch manchmal merkwürdige Zuckungen), da. Er merkte irgendwann, dass bestimmte Begriffe aus dem Dritten Reich verboten sind, und konnte wohl nicht anders, als sie immer wieder zu sagen. Das ist aber Gott sei Dank auch wieder verschwunden, nachdem ich das ignoriert habe und es wohl anderswo nicht in Erscheinung trat.

Aber Lesezeichen basteln oder ein anderes intensives Hobby hat in meinen Augen mit solchen Tics nichts zu tun. Auch wenn ein Lichtschalter immer wieder an- und ausgeschaltet wird und das nicht dauernd über Wochen passiert und nichts anderes dazu kommt, wie etwa stündliches extremes Händewaschen, würde ich mir keine Sorgen machen. Ich gehe auch manchmal dreimal in die Wohnung zurück und schaue nach, ob ich den Herd ausgeschaltet habe und die Balkontüre geschlossen ist.

» blümchen » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ich weiß jetzt auch nicht, wo du jetzt die Grenze ziehst zwischen "Hobby" und "zwanghaftem Tick", den man den Kindern möglichst früh austreiben muss. Wenn der "Neffe" jetzt nicht Lesezeichen als Hobby hätte, sondern Sammelbilder mit Fußballern drauf (gibt es die noch?) wäre das auch "zwanghaft" oder "Das ist eben ein richtiger Bub, der atmet, isst und schläft Fußball!"?

Ich hatte auch schon als Kind immer Hobbys, mit denen ich mich intensiv beschäftigt habe und habe mich auch damals schon geärgert, wenn man sie als "Tick" oder "Besessenheit" abgetan hat. Wenn ich damals umgekehrt die Teddysammlung meiner Tante oder den liebevoll hochglanzpolierten Oldtimer des Nachbarn als "Tick" bezeichnet hätte, hätte es schön gescheppert. Aber bei der Dino Phase oder dem Bastelhobby kleiner Kinder ist es immer gleich eine Macke, wahlweise "süß" oder nicht.

Und in jedem Fall differenzieren würde ich zwischen Hobbys und Leidenschaften, die ja auch schon im Kindesalter sehr ausgeprägt sein konnten (ich war in der Grundschule z.B. fasziniert von Vulkanen) und tatsächlich behandlungsbedürftigen Zwangshandlungen auf der anderen Seite.

Und zwar nicht deswegen, weil Letztere weniger "süß" sind, sondern nach meinem laienhaften Rudimentär Wissen ein Anzeichen für schlimmere Probleme sein können, unter denen die Betroffenen auch leiden. Anders als unter Bastel- oder Sammel-Leidenschaften. Glücklicherweise kenne ich die Sorte "Tick" nur aus dem Fernsehen, habe aber auch schon mitbekommen, dass auch Kinder derlei Störungen entwickeln können, was ihre Lebensqualität und die ihrer Familie langfristig zerschießen kann und unbedingt behandelt gehört. Und das würde ich als Elternteil, dem angeblich am Wohlergehen des Nachwuchses etwas liegt, natürlich auf keinen Fall "einfach so lassen".

» Gerbera » Beiträge: 11292 » Talkpoints: 42,29 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Ramones hat geschrieben:Mein Neffe bastelt beispielsweise immer, wenn er mal Ruhe braucht, Lesezeichen. Er hat da mittlerweile eine große Kiste und zeigt diese auch gerne. Wenn man dann ein Lesezeichen geschenkt bekommt, muss man auch garantieren ordentlich damit umzugehen.

Ich weiß nicht, wo hier der Tick ist. Liegt es daran, dass er total in Lesezeichen vernarrt ist und sehr gerne bastelt? Oder liegt es daran, dass er diese verschenkt und man versprechen muss, dass man ordentlich damit umgeht? Das ist doch vernünftig und wenn er etwas sehr gerne mag und darin viel Zeit investiert, dann möchte er doch einfach nur Wertschätzung erfahren. Das würde ich auch so hinnehmen.

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» soulofsorrow » Beiträge: 9223 » Talkpoints: 23,42 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


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