Sollte das Ausbildungs-Gehalt zum Leben reichen?

vom 10.01.2016, 13:35 Uhr

Ich habe vor kurzem einen Artikel gelesen, in dem es darum ging welche Ausbildungsberufe in Deutschland durchschnittlich mehr verdienen würden als andere.

Dort wurde dann auch gesagt, dass es eben Ausbildungsberufe gibt (wie in diesem beispiel Friseurlehrling in Ostdeutschland) keine 300€ im Monat verdienen würden.

In einem Forum habe ich mal eine Diskussion zu dem Thema gelesen. Ein User meinte dort, dass das schon Ausbeutung und Sklaverei wäre und dass Azubis mindestens so viel Geld verdienen müssten, dass sie theoretisch davon auch eine eigene Wohnung unterhalten könnten und nicht mehr auf Unterstützung der Eltern angewiesen sind. Andere User widersprachen jedoch und meinten, dass das doch nur eine Ausbildung wäre und dass es doch logisch wäre, dass man da nicht so viel verdient. Der Mindestlohn für Azubis wurde von diesen Menschen kategorisch abgelehnt.

Wie seht ihr das? Sollte das Ausbildungs-Gehalt soweit zum Leben reichen, dass man von den Eltern unabhängig leben kann? Oder findet ihr das unnötig, weil man nach dem Abschluss sowieso mehr verdient und sich da immer noch finanziell abnabeln kann?

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Fragen wir doch einfach einmal andersherum. Wie soll denn ein sehr hohes Gehalt in der Ausbildung finanziert werden? Man kann einem Arbeitnehmer nur so viel Geld bezahlen, wie er erwirtschaftet. Dass das generell in der Wirtschaft nicht immer fair läuft, klammern wir einmal aus.

In ganz vielen Berufen kosten Auszubildende viel mehr als sie einbringen. Man investiert also in die Zukunft. Das ist natürlich auch sinnvoll, aber man muss es sich auch leisten können. Statistisch sieht es so aus, dass ein Auszubildender im Handwerk nach Abzug seines Ertrags pro Jahr 2.500 Euro kostet.

Im Handel sind es fast 5.000 Euro, in der Verwaltung fallen über 7.000 Euro jährlich an. Wenn der Auszubildende nach der Ausbildung nicht bleibt, ist das Geld in den Sand gesetzt. Ebenfalls gilt rein statistisch, dass ein Auszubildender in kleinen Betrieben weniger kostet, weil er schneller Aufgaben übernehmen kann.

Mehr Lohn bedeutet mehr Kosten. Kleinere Betriebe können das schnell nicht mehr leisten, große Betriebe zahlen sowieso schon viel. Nehmen wir Freunde von mir. Die haben das gesamte erste Ausbildungsjahr nur gekostet. Sie waren entweder in der betriebseigenen Ausbildungswerkstatt oder im Blockunterricht in der Schule.

Lohnkosten für Auszubildende und Ausbilder, Raumkosten, Arbeitsplätze und Material sind nicht wenig. Bei mir war es anders. Ich musste ziemlich schnell eigenverantwortlich arbeiten, die weitere Ausbildung erfolgte im laufenden Betrieb.

Ich weiß allerdings, wie die Einnahmen und Ausgaben aussahen, weil das auch zum Job gehörte. Viel teurer hätten wir Auszubildenden nicht sein dürfen. Bei anderen Unternehmen dieser Branche sieht es noch enger aus. Mehr Lohn hieße weniger oder keine Ausbildung mehr. Es bilden nicht ohne Grund viele Betriebe nicht mehr aus, auch wenn das langfristig dämlich ist.

» cooper75 » Beiträge: 13325 » Talkpoints: 497,57 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Das ist ja wohl ein Witz. Wie hier schon bemerkt erbringt ein Auszubildender nicht die Leistung eines vollwertigen Angestellten. Weder was die Qualität (vor allem im ersten Jahr) angeht noch die Stunden. Wie hoch soll denn die Stundenvergütung sein um mit einem salopp gesagt 3Tage-Job auf ein Gehalt zu kommen von dem man leben kann? Und was rechtfertigt eine Weiterzahlung des Gehaltes wenn man Blockunterricht hat?

Es ist eben nur eine Ausbildung und da muss man durch. Man kann froh sein, dass man sich nicht für einen Beruf entschieden hat, wo man seine Ausbildung aus eigener Tasche bezahlen muss. Siehe Erzieher, einige Therapeuten usw. Außerdem gibt es Berufe, wo das Gehalt nach der Ausbildung kaum für ein angenehmes Leben ausreicht. Da kann man als Lehrling keine Ansprüche stellen. Solche Vorstellungen sind unrealistisch. Es sei denn es reicht einem ein kleines Apartment und man lebt sehr sparsam. Das könnte mit einigen Ausbildungsberufen zwar knapp werden aber klappen.

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» Sonty » Beiträge: 1997 » Talkpoints: 20,24 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich finde es wichtig, dass man schon in der Ausbildung lernt, mit dem ersten selbst verdienten Geld vernünftig umzugehen, aber ich denke nicht, dass man davon leben können muss. Sicher arbeitet man, damit man selbstständig wird und nicht mehr so von den Eltern abhängig ist, aber ich sehe es auch so, dass das eben im Rahmen bleiben muss. Ein Lehrling beim Friseur kann ja auch nicht von Beginn an die Haare schneiden und voll eingesetzt werden und so kann man dann auch nicht mit so viel Geld direkt rechnen.

» Barbara Ann » Beiträge: 28933 » Talkpoints: 56,80 » Auszeichnung für 28000 Beiträge



Ich weiß nicht genau, wie ich mich in so einer Diskussion entscheiden sollte, denn beide Seiten, also wenig und viel Gehalt, haben meines Erachtens sehr gute Argumente für sich. Die Zeiten von früher, wo die Personen, die eine Ausbildung anfingen, noch fast Kinder waren und auf alle Fälle zu Hause bei ihren Eltern wohnten, sind vorbei.

Ich kann verstehen, dass einem Auszubildenden wenig Geld gezahlt wird, denn es dauert, bis er wertvolle Arbeit leistet. Es muss Arbeit in ihn hineingesteckt werden, Er mindert insofern auch noch die Arbeitskraft eines vollwertigen Angestellten. Und wenn ich mir dann auch noch ansehe, wie unmotiviert und auch ungebildet manche ihre Ausbildung anfangen, dann kann ich nur mit dem Kopf schütteln.

Da gibt es Jugendliche, die eine Kochausbildung anfangen wollen, was angeblich ihr Traumberuf wäre, und sie können die einfachsten Obst- und Gemüsearten nicht benennen und versuchen gar, Himbeeren zu schälen, weil ja jedes Obst geschält werden müsse. Oder schon in der etwas fortgeschrittenen Ausbildung ist der Lehrling immer noch nicht in der Lage, gleichmäßige kleine Schnittlauchröllchen zu schneiden und versemmelt diese Aufgabe auch noch im Schneckentempo, sodass er fast einen halben Tag nur damit beschäftigt ist, Ausschussware zu produzieren, ohne dass es einen Wert hat. Der Chef macht also auch noch ein Minusgeschäft, weil er die Ware so überhaupt nicht gebrauchen kann.

Andererseits gibt es aber auch Auszubildende, die sich richtig rein hängen und deren Arbeit für den Chef fast vom ersten Tag an wertvoll ist. Ich denke, viele Ausbildungsbetriebe suchen auch deshalb Auszubildende, weil sie die dann die Arbeit machen lassen können, die nicht so schwer ist und auch nur schlecht vom Auftraggeber bezahlt wird. Die vollwertigen Mitarbeiter können sich dann um die Arbeit kümmern, die höher bezahlt wird, weil diese Auszubildenden schnell ohne viel Aufsicht selbstständig gute Arbeit abliefern.

Die Qualität der Arbeit ist also sehr unterschiedlich. Und um die Motivation zu unterstützen und eigentlich auch für die Gerechtigkeit untereinander müssten die beiden beschriebenen Auszubildenden unterschiedlich entlohnt werden. Da kommt dann jedoch wieder die Frage auf, wer denn das bezahlen soll. Eine Investition in die Zukunft, wie ich hier auch schon gelesen habe, ist die Ausbildung für den Betrieb nur noch in den seltensten Fällen. Kaum ein Auszubildender wird noch übernommen. Und im Handwerk wird vom Auftraggeber eine Arbeitsstunde eines Auszubildenden auch niedriger entlohnt als eine Stunde eines gelernten Handwerkers.

Theoretisch bin ich dafür, dass auch schon ein Ausbildungsgehalt zum Leben reichen sollte. Dies hat auch damit zu tun, dass einige Jugendliche einfach nicht mehr im Elternhaus wohnen bleiben können für die Ausbildung, weil es in ihrer Umgebung einfach keinen Ausbildungsplatz in ihrem Beruf gibt. Sie müssten sich also eine Wohnung nehmen und einen eigenen Haushalt führen. Wenn das Gehalt nicht reicht und die Eltern vielleicht auch gerade am Existenzminimum leben, geht dies aber nicht und der Jugendliche muss ohne Ausbildungsplatz bleiben oder einen anderen Beruf lernen, den er vielleicht gar nicht will und für den er nicht geeignet ist .

Wenn aber ein Lehrling schon ein Gehalt in dieser Höhe erhalten würde, dann fehlt in manchen Berufen nicht mehr viel zum ausgelernten Angestellten. Im Verhältnis zum Ausgelernten würde der Lehrling also viel zu viel bekommen. Und dieses Gehalt ist von den Auftraggebern auch nicht wieder rein zu bekommen. Da beißt sich die Maus also in den Schwanz und ich weiß wirklich nicht, für welche Position ich mich in dieser Debatte entscheiden soll. Ich bin hin und her gerissen.

» rasenderrolli » Beiträge: 1058 » Talkpoints: 16,66 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ein Auszubildender arbeitet zwar auch mit, aber er kostet ja auch jede Menge Zeit und ist eben sehr aufwändig. Ein Auszubildender kann ja nicht direkt vom ersten Tag an richtig mitarbeiten, sondern kann da erst einmal nur kleinere, unwichtigere Aufgaben übernehmen. Die anderen Mitarbeiter und die Chefs müssen sich die Zeit nehmen, den Auszubildenden einzulernen, ihn einzuweisen und ihm die Arbeit beizubringen. Das ist natürlich sehr aufwändig und hindert die Mitarbeiter ja auch in gewisser Weise, ihre eigene Arbeit zu erledigen.

Ein Auszubildender ist ja genau wie ein Praktikant nicht in jeder Hinsicht eine Hilfe für den Betrieb, in vielen Hinsichten ist er ja auch eine Last und eine Hürde, weil er eben nicht alles kann und alles erst noch erklärt haben muss. Man muss ja immer ein Auge auf ihn haben und er muss die ganze Zeit betreut werden. Natürlich kann ein Auszubildender da nicht von Anfang an den gleichen Lohn bekommen, wie diejenigen, die schon längst ausgelernt sind. Das wäre ja mehr als unfair.

Eine Ausbildung dauert ja auch keine Jahrzehnte. Da muss man eben mal die Zähne zusammen beißen und da durch. Als Student verdient man ja auch nichts und muss trotzdem irgendwie schauen, dass man alles finanziert. Man macht das ja alles aber, weil man weiß oder zumindest die Hoffnung hat, dass man dann später mal mehr verdienen wird.

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge


Ausbilden ist jetzt schon oft eine teure Angelegenheit für Unternehmen, weswegen manche es mittlerweile auch lassen, nachdem sich die Auszubildenden dann oft anderweitig orientiert haben. Ein Ausbildungsgehalt von welchem man Leben kann ist kaum finanzierbar, da ein Auszubildender ja auch nicht die volle Leistung bringt, wie jetzt zum Beispiel ein fester Mitarbeiter.

Nehmen wir einmal dein Beispiel mit der Friseur Ausbildung. Natürlich klingt das erst einmal nach wenig Ausbildungsgehalt. Aber man muss auch sehen wie wenig man gerade am Anfang dem Betrieb einbringt. Gerade bei Friseur ist es ja zum Beispiel so, dass es sehr lange dauert bis man effektiv Mitarbeiten kann. Bindet aber viel Zeit eines Ausgebildeten Mitarbeiters der einem alles erklärt und Beibringt. Das kostet viel Geld. Auch wenn man es nicht direkt sieht. Müsste der Friseure dem Auszubildenden jetzt Mindestlohn zahlen könnte er sich entweder das Ausbilden nicht mehr Leisten oder müsste die Preise ordentlich anziehen. Auch in anderen Unternehmen ist man oft nur bedingt eine Hilfe. Zum einen ist man nicht Vollzeit im Unternehmen und zum anderen muss man in jedem neuen Bereich den man durchläuft neu angelernt werden.

Und gerade in Bereichen wie zum Beispiel Friseur wo man auch danach oft im Bereich des Mindestlohnes verdient ist es nicht praktikabel ein Ausbildungsgehalt zu zahlen von dem man leben kann, schließlich ist es schwer der Ausgelernten Friseuse die Geld erwirtschaftet zu erklären, warum der Auszubildende der noch nichts kann im Endeffekt fast den gleichen Verdienst hat.

Und die Ausbildung ist nun einmal eine Investition in die Zukunft, welche sich erst hinterher auszahlt und nicht sofort während der Ausbildung. Und es gibt schließlich auch staatliche Unterstützung wie zum Beispiel Bab und Eltern die genug Geld habe, sollen nun einmal die Ausbildung ihrer Kinder zahlen. Man weiß schließlich auf was für Finanzielle Verpflichtungen man sich einlässt wenn man Kinder bekommt.

» milli23 » Beiträge: 1214 » Talkpoints: 2,62 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich kann gut verstehen, dass die Auszubildenden gerne eigenständig wären und sich von ihren Eltern abnabeln möchten. Aber ich sehe auch de Gegenseite. Zum einen leisten die Auszubildenden einfach nicht genug, als dass sie ein so hohes Gehalt wert wären. Ich denke da an meine Praktikanten, die kurz vor der mittleren Reife standen und mit diesem Wissensstand und Können theoretisch auch ihre Ausbildung angefangen hätten. Sie waren noch nicht einmal in der Lage, Akten alphabetisch in den Schrank zu sortieren! Da kam R vor I und so weiter! Ich musste alle Aktenschränke durchsuchen, um meine Akten wieder zu finden! Das waren mehrere Stunden Arbeit, die die Praktikanten in wenigen Minuten verursacht hatten!

Und das ist kein Einzelfall. Ich habe eine Dokumentation im Fernsehen gesehen über angehende Köche in der Ausbildung. Der eine war nach gut einem Jahr noch nicht einmal in der Lage, Schnittlauch in gleichmäßige Röllchen zu schneiden! Sein Schnittlauch konnte damit nur für pürierte Suppe verwendet werden, nicht wie gedacht als Dekoration für Gerichte. Er hat damit auch den Schnittlauch mehr oder weniger verdorben, denn er konnte nicht für höherwertige Gerichte verwendet werden. Auch dieser Lehrling kostete also auch mehr Geld, als er einbrachte, denn auch nach einem Jahr konnte er noch gar nichts, man konnte ihn nicht mal alleine kleine Hilfsarbeiten machen lassen.

Und so ist es eben oft. Erst zum Ende der Ausbildung bringen die meisten Auszubildenden auch mal Geld ein. Vorher kosten sie dem Betrieb vor allem Geld. Und ein Betrieb hat auch nicht unbedingt so viel Geld, einen Lehrling, der nur Geld kostet, auch noch ein horrendes Gehalt zu zahlen. Bei der Frage sollte auch bedacht werden, dass selbst Ausgelernte immer öfter ein Gehalt bekommen, was nicht zum Leben reicht und von Hartz IV aufgestockt werden muss.

» SonjaB » Beiträge: 2698 » Talkpoints: 0,98 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Wenn es jetzt so kommt, wie es geplant ist, dass einfach jeder und jede 13 oder mehr Jahre in die Schule geht und erst dann eine Ausbildung oder Lehre beginnt, wenn er oder sie schon volljährig ist, dann ist es meiner Meinung nach sinnvoll, für die Ausbildung schon einen Hilfsarbeiterlohn zu bekommen.

So wie es momentan aber ist, nämlich, dass viele gleich nach 9 oder 10 Jahren Pflichtschule eine Lehre beginnen, wo die meisten noch zu Hause wohnen, wäre ein Hilfsarbeiterlohn oder gar volles Gehalt einfach sinnlos. Man könnte es an die Schulleistungen knüpfen. Dass man sagt, man kann sich Boni verdienen, wenn man bei Prüfungen besonders gut abschneidet.

Oder dass die Lehrlinge dann mehr frei bekommen, wenn sie fleißig in der Schule oder im Betrieb sind. Aber ein volles Gehalt? Wer soll denn das bezahlen. Abgesehen davon, dass Frauenberufe wie Frisör oder Kindergärtnerin so oder so schon jahrzehntelang unterbezahlt sind. Da muss man sich auch nicht wundern, dass man schon in der Lehre nicht gerade massig damit verdient.

Nein, ich finde, so lange die Jugendlichen noch zu Hause wohnen können, während der Ausbildung, muss das Ausbildungsgeld nicht zum Leben reichen. Und wenn eine andere Situation eintritt, ist unser Sozialstaat wieder hier und es gibt andere Leistungen und Zuschüsse für Betroffene, die sich das Leben sonst nicht mehr leisten könnten.

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