Nach Unfall mit Schwerbehinderung froh und dankbar sein

vom 01.08.2015, 19:17 Uhr

In meinem Bekanntenkreis hatte ein Mann einen schweren Autounfall. Er hat sich mehrfach mit einem Auto überschlagen. Kaum ein Knochen war noch in seinem Körper ganz. Aber zum Glück ist seinem Kopf nichts passiert. Allerdings wird er wohl im Rollstuhl landen. Bisher kann er nicht mal aus dem Bett raus.

Er ist sehr deprimiert, hört aber von allen Seiten, dass er dankbar sein sollte, dass er noch lebt. Sicher ist es für die Angehörigen nicht gerade schön, wenn jemand stirbt. Aber könntet ihr dankbar sein, dass man noch lebt, wenn man monatelang erst mal im Bett verbringen muss und dann im Rollstuhl landet und man nur eine Hand benutzen kann, weil die andere steif geblieben ist und auch steif bleiben wird?

Es gibt ja auch noch schlimmere Unfälle und da wird wahrscheinlich genauso argumentiert, dass man froh und dankbar sein soll, dass man diesen Unfall überlebt hat. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich da froh und dankbar sein könnte. Denn ein Leben mit Schwerbehinderung stelle ich mir einfach schrecklich für mich vor.

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» MissMarple » Beiträge: 6786 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Natürlich sagt man so einen Satz schnell als Angehöriger, jedoch kann ich auch den Verunfallten verstehen. Im Rollstuhl zu landen und dann noch mit den Einschränkungen der einen Hand ist wirklich nicht gerade einfach, aber als Betroffener durchlebt man mehrere Stufen und irgendwann wird er auch seinen Lebensmut wiederfinden und es auch so sehen.

Sicherlich ist es so, dass man den Verunfallten dann auch mit solchen Worten aufmuntern will und Mut machen will, was jedoch aufgrund des Verständnisses des Betroffenen einfach noch nicht als solches angesehen wird. Ich denke aber nicht, dass man gleich von Anfang an oder generell dankbar sein muss, dass man nicht gestorben ist.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Ganz ehrlich? Ich hasse solche Sprüche. Du schreibst ja selbst, dass er deprimiert ist, was man definitiv nachvollziehen kann. Ich meine man kann alles und ist körperlich fit und dann kommt so ein blöder Unfall und praktisch über Nacht ist man schwerstbehindert und absolut pflegebedürftig. Das kratzt schon am Selbstwertgefühl und man muss das erst einmal verarbeiten. Es ist ja auch so, dass ihn das vollkommen unvorbereitet getroffen hat und er diesen Schock erst einmal verdauen muss.

Ich selbst bin lange Zeit depressiv gewesen und ich kann aus Erfahrung sagen, dass solche Sprüche wie "Du hast es doch gut! Stell dich nicht so an, es hätte schlimmer kommen können!" eher die Spirale nach unten verstärken und beschleunigen und man wird noch depressiver. Ich finde das absolut kopflos und kontraproduktiv und ich würde mir wünschen, dass Menschen mit solchen Meinungen einfach die Klappe halten und gar nichts sagen, bevor so viel Scheiße aus dem Mund kommt.

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich kann nachvollziehen, dass die Angehörigen den Betroffenen eben so gut es geht trösten und wieder aufbauen wollen. Aber das ist meiner Ansicht nach die denkbar schlechteste Strategie. Denn wenn man selbst laufen kann und gar nicht betroffen ist von einer Behinderung wird man solche Gefühle gar nicht nachvollziehen können. Natürlich ist der Betroffene erst einmal unter Schock und muss sich neu finden und sein Leben neu ausrichten. Aber das wird eben kein gesunder Mensch nachvollziehen können.

Auch ist es ja so, dass jeder Mensch andere Worte oder Geste braucht, wenn er getröstet werden möchte. Ich persönlich hätte mir als Angehöriger solche Kommentare gespart, gar nichts dazu gesagt und hätte eher geschaut, dass ich Betroffene finde, die ebenfalls im Rollstuhl sitzen für den Austausch mit meinem Angehörigen. Wenn man in so einer Situation mit Menschen spricht, die dasselbe durchmachen mussten und die neue Kraft schöpfen konnten hilft das vielleicht eher mit diesem Schock umzugehen.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



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