Häusliches Unterrichten in Deutschland legalisieren?

vom 23.06.2019, 23:48 Uhr

Viele Kinder werden im Ausland von zu Hause aus unterrichtet. Dies geschieht durch Privatlehrer, Eltern oder Verwandten des Kindes. Mehrmals im Jahr kommt dann ein Prüfer der den aktuellen Wissens-, Kompetenzenstand des Kindes überprüft und schaut ob der Stand in etwa konform mit dem der gleichaltrigen Kinder ist, welche regulär eine Schule besuchen.

Diese Form der Unterrichtung ist bis auf ganz wenige Ausnahmen soweit ich weiß in Deutschland verboten. Begründet wird so ein Verbot damit, das Kinder wenn sie keine Schule besuchen verwahrlosen oder sich Parallelgesellschaften bilden könnten. Diese Aussagen sind nicht belegbar und bei Familien, welche diese Form von Unterrichtung im Ausland gewählt haben auch nicht erkennbar.

Sollte diese Form des häuslichen Unterrichtens, sofern die Eltern das aus eigener Kraft mit eigenen Mitteln und den gegebenen Kompetenzen sicherstellen können, erlaubt und legalisiert werden?

» Nebula » Beiträge: 3041 » Talkpoints: 6,06 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Ich bin da sehr zwiegespalten. Auf der einen Seite würde ich es gut finden, wenn man von zu Hause aus unterrichtet werden kann, bevorzugen würde ich da aber eine Unterrichtung von einem Lehrer und nicht von den Eltern, da dieser einfach besseres Wissen hat. Umsetzbar wäre das über Onlineportale. Das wäre meiner Meinung nach eine gute Idee, aber erst nach der Grundschule. Den sozialen Aspekt einer Schule darf man nämlich mal nicht vergessen. Man bekommt doch einiges mit, was man für das spätere Leben anwenden kann.

So lernt man wie man sich unterordnet, in Gruppen zu verhalten hat und so weiter. Außerdem bekommt man immer wieder Feedback von außen, auch mal nicht so nettes Feedback und das bringt einem ja alles etwas. So ganz vernachlässigen würde ich das daher nicht. Generell finde ich es aber auch sehr überholt sich stundenlang in ein Klassenzimmer setzen zu müssen. Die meisten Eltern dürften auch denkbar ungeeignet sein um ihren Kindern wirklich gut etwas beizubringen, wenn die Schule bei ihnen selber eine ganze Weile her ist.

Es wird sicherlich auch Eltern geben, die sich da voll ins Zeug legen und richtig gut den Stoff vermitteln, aber es ist eben auch ein wichtiger Grundstein der Ausbildung und nicht ohne. Onlineportale mit richtigen Lehrern finde ich da besser und das würde auch ein bisschen dem Lehrermangel entgegenwirken. Dass das jedoch umgesetzt wird, denke ich eher nicht.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Nebula hat geschrieben: Begründet wird so ein Verbot damit, das Kinder wenn sie keine Schule besuchen verwahrlosen oder sich Parallelgesellschaften bilden könnten. Diese Aussagen sind nicht belegbar und bei Familien, welche diese Form von Unterrichtung im Ausland gewählt haben auch nicht erkennbar.

Das wäre mir ja sehr neu, dass Heimunterricht kein Nährboden für Verdummung, Fanatismus oder soziale Ausgrenzung sein kann, auch wenn das die Befürworter sicher nicht laut sagen und auch die entsprechenden Statistiken eher, sagen wir mal, schönen würden. Da brauchst du dir nur die USA anzuschauen, wo die Grundbedingungen für Schulunterricht generell völlig andere sind. Selber denken macht schlau! :roll:

Wenn alle Grundvoraussetzungen im Elternhaus und im sozialen Umfeld ideal sind, kann Heimunterricht durchaus funktionieren. Aber wann ist das schon der Fall? Nicht alle Lehrer sind pädagogische Genies, aber Kinder in die Welt zu setzen alleine qualifiziert schon mal für gar nichts. Das wäre nur etwas für die Oberschicht, wo ein Elternteil lässig daheim bleiben kann und im Idealfall (!) auch selber genug Bildung und Grips hat, um den Unterrichtsstoff adäquat zu vermitteln.

Ich könnte das jedenfalls nicht, und ich war auch an der Uni. Nur leider qualifiziert ein Magister in Geschichte mitnichten für Mathe 10. Klasse Realschule. Und die Leute, die sich Heimunterricht leisten könnten, umschiffen das teilweise marode öffentliche Bildungssystem doch sowieso schon, wo sie können, durch Privatschulen und Internate im In- und Ausland.

Ich weiß auch nicht, ob es in der Gesellschaft so viel Anklang findet, wenn die entsprechenden Behördenvertreter den Schülern quasi einzeln nachlaufen und sie abhören müssen, ob ihr Wissensstand auch den offiziellen Anforderungen genügt. Generell halte ich die Idee für wenig durchdacht und für die deutsche Gesellschaft nur sehr bedingt anwendbar. Es rutschen sowieso schon genügend Leute durchs System.

» Gerbera » Beiträge: 11292 » Talkpoints: 42,29 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Ja, wann ist das schon der Fall? Aktuell Flächendeckend würde ich sagen. Als ich das Thema damals eröffnete, konnte wohl Keiner erahnen, dass es Homeschooling auch mal in Deutschland legal geben wird und das in der Breite. Aktuell scheint es ja auch zu funktionieren, man hat die deutsche Gesellschaft also wohl unterschätzt. :wall:

» Nebula » Beiträge: 3041 » Talkpoints: 6,06 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Es gibt aber einen Unterschied zwischen Homeschooling, das immer noch von den Schulen organisiert wird und dem, was beispielsweise in den USA aus unterschiedlichen Gründen legal und weithin akzeptiert wird. Wenn du da drüben möchtest, dass deine Schratzen groß werden, ohne jemals von der Evolutionstheorie oder der Geschichte der Rassenunruhen gehört zu haben, kannst du sie außerhalb des öffentlichen Schulsystems zu Hause mit Adam und Eva und der Überlegenheit der weißen Rasse konfrontieren.

Ebenso, wenn du Themen wie Menstruation für Jungs eklig findest oder lieber möchtest, dass deine Tochter bis zur ersten Schwangerschaft mit 18 nach der Hochzeit keine Ahnung hat, wo die kleinen Kinder her bzw. rauskommen. Hierzulande gibt es immer noch Lehrpläne, verbindliche Leistungsziele und einheitliche Prüfungen, auf die sich die Kinder und Jugendlichen auch zu Hause vorbereiten müssen.

Und dass "häusliches Unterrichten funktioniert", nun ja. :wall: In deiner Wahrnehmung vielleicht. Aber bei weitem(!) nicht jedes Kind hat die technischen Möglichkeiten, die nötige Umgebung für stressfreies Lernen und Eltern, die die Zeit, das Bildungslevel, die Deutschkenntnisse und leider manchmal auch den Ehrgeiz aufbringen, ihre Kinderchen da erfolgreich durchzuschleusen. Ich sehe es bei meiner Arbeitskollegin: Die arbeitet Teilzeit, stresst sich mit Homeschooling halb zu Tode, und hat zwei wirklich gewiefte, engagierte, clevere Grundschülerchen mit eigenem Tablet, selber einen Hochschulabschluss, und eine Doppelhaushälfte mit Garten. Da "funktioniert" das schon halbwegs.

Andere Familien geben sich sicher auch alle Mühe, nur da sind es vielleicht fünf Kinder, zwei ältliche Laptops, eine kleine Etagenwohnung. das ein oder andere Lerndefizit und zwei Eltern, die Vollzeit arbeiten, weil man als Lagerhilfskraft/Wachmann einfach nicht genügend verdient, um mal ein bisschen auf Teilzeit runterzugehen. Ich empfehle generell, mal über den Tellerrand hinaus zu schauen, bevor man das Klugscheißen anfängt.

» Gerbera » Beiträge: 11292 » Talkpoints: 42,29 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Ich glaube auch, dass da aktuell vieles nicht so läuft wie es laufen sollte. Gerade Kinder, mit Eltern, die ihnen das nicht gut erklären können oder arme Kinder ohne gute technischen Voraussetzungen, haben aktuell wirklich ein Problem. Aber das ist ja auch das, was ich meine. Wenn man so etwas einfordert, dann wäre es schon ganz gut gewesen sich auf etwas beziehen zu können, was schon da ist. Wenn man beispielsweise einführen würde, dass die Lehrer ihren Unterricht auch online zurr Verfügung stellen, wäre das glaube ich generell leichter.

Da hätte man dann das Material von der Stunden und kann es sich anhören, was ich für nach Corona auch in Krankheitsfällen oder beim Lernen gut finden würde. Videos von der Stunde, damit man nachsehen kann, was gemacht wurde. Aktuell scheint das aber nicht möglich und man scheint technisch von dieser Pandemie auf dem falschen Fuß getroffen wurden zu sein und das in vielen Belangen.

Die meisten Eltern machen aber aktuell zu Hause mit den Kindern einen guten Job und das kann man ihnen auch nicht aberkennen, denn sie geben sich Mühe und versuchen ihr bestes. Die Bedingungen sind halt einfach bescheiden.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Zum Thema Homeschooling Unterschied: Sobald Kinder nicht primär die Schule sondern das eigene Zuhause als Bildungsort verwenden und sehen, wie derzeit im Lockdown, dann ist es für mich nun mal Homeschooling und kein Präsenzunterricht in Klassenräumen, dabei spielt es für mich auch keine Rolle, was das Kind zu Hause lernt. Ja natürlich gibt es auch Beispiele wo Kindern das Homeschooling nicht gut tut. Schau du doch mal über den Tellerrand sowie die Landesgrenzen hinaus, mal in Richtung Frankreich, Irland, Schweiz usw. wo Homeschooling schon lange legal ist. Denkst du, dass Homeschooling dort noch möglich und legal wäre, wenn Kinder in der Masse dort zu Hause verkümmern würden? Wo ist die Studie dazu das Homeschooling generell ich sag mal lapps Blöd macht oder Kinder den Bach runter gehen lässt?

Das Homeschooling derzeit größtenteils in Deutschland funktioniert, zeigt doch die Praxis, man muss einigen Dingen natürlich auch die Zeit geben sich zu entwickeln, es kann nicht gleich alles mit einmal funktionieren, dazu gehören auch technische Gegebenheiten. Natürlich ist Homeschooling hier derzeit der Not geschuldet, nicht der Freiwilligkeit einer Regierung. Man sollte aber auch nicht jedes Elternteil hier in Deutschland pauschal hinstellen, als seien sie nicht in der Lage ihre Kinder zu unterrichten nur weil man evtl. die eigene Meinung hat, das Homeschooling nicht so das Wahre ist. Gerne kannst du auch andere Begriffe als Homeschooling in den Raum werfen, im Kern geht es jedoch immer um eine alternative Unterrichtungs,- Bildungsform konträr zur Schule.

Familien mit Kinder haben in der Regel schon Zugang zum Internet bzw. ein Laptop, ich kenne in der heutigen Zeit keine, die das nicht auf einer Art und Weise hat. Man muss sich auch nicht unbedingt an das Internet klemmen, um Bildung wahrzunehmen, es gibt immer auch andere Wege. Das Internet ist hilfreich, wiederum auch nicht die einzigste Möglichkeit der Wissensvermittlung. Grundschülern kann man jeden Tag auch mit Blatt und Stift Aufgaben in Deutsch / Mathe usw. vorgeben, nur mal als Beispiel. Man muss als Elternteil natürlich auch was dafür tun, von nichts kommt nichts.

» Nebula » Beiträge: 3041 » Talkpoints: 6,06 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



@Ramones: Ich verstehe absolut, was du damit sagen willst. Es gibt natürlich viele Eltern, die sich überfordert fühlen und am Liebsten gleich alles hinwerfen würden, irgendwo hat Corona einen ja aus der Komfortzone gerissen da man die Verantwortung des Nachwuchses nicht mehr auf den Staat oder die Schule schieben kann sondern selbst gefordert ist. Zwei Dinge aber an der Stelle:

    1. Homeschooling wird hier ja eh wieder schleichend Rückabgewickelt. Es ist nur eine Frage der Zeit, dass die Schulen wieder für alle öffnen werden und sich die Situation für Eltern normalisiert, ein wenig durchhalten wird man müssen und sich der Situation anpassen so gut es geht.

    2. Ich finde, dass sehr viele Eltern es trotz der neuen Situation wiederum gut machen und ihre Kinder gut fördern. Man sollte auch mal die guten Dinge erwähnen, ohne eine rosa Brille aufzuhaben, genau das versuche ich ja die ganze Zeit auszudrücken, das was du in deinem letzten Posting ja irgendwie auch geschrieben hast.
Vor rund 17 Jahren wurden bereits die ersten E-Learning Plattformen entwickelt und in vielen Schulen als sekundäre Lernmöglichkeit eingeführt. Mein ehemaliger IT Professor hat an der Entwicklung so einer mitgewirkt, im Rahmen einer meiner Ausbildungen durfte ich sie testen. Zu der Zeit waren die Schulen aber nicht in der Masse bereit und ausgestattet, dass so eine Plattform überall hätte integriert werden können, die Erkenntnis kam erst viel später. Das selbst heute es schwer ist, in der Masse sowas zu installieren und zu präsentieren ist für mich unverständlich.

Nur sollte man den Erfolg von Homeschooling nicht alleine daran ausmachen, wie gut irgendwelche Plattformen funktionieren oder wie gut Eltern für das "Unterrichten" geeignet sind sondern auch andere Faktoren mit einbeziehen, nicht zuletzt auch den Schüler, der sich selbst auch bemühen muss und wenn dieser älter ist, selbst Wege der Informationsbeschaffung finden muss, beispielsweise im Austausch mit anderen Klassenkameraden auf dem Offlineweg (Handreichungen austauschen und in Briefkästen sich gegenseitig werfen, Telefonieren, Bücher... einfach mal altmodisch denken)

» Nebula » Beiträge: 3041 » Talkpoints: 6,06 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Oft wird der Distanzunterricht Homeschooling genannt, ist es aber nicht. Ich bin gegen häusliches Unterrichten, außer vielleicht in extremen Ausnahmefällen. Schule bildet nicht nur, sondern ermöglicht auch soziale Kontakte. Die Eltern haben zwar die Pflicht und das Recht die Kinder zu erziehen, aber der Staat wacht darüber. Ich möchte nicht, dass Kinder in einer extremistisch religiösen Blase erzogen werden, in die keiner Einblick hat und in der zum Beispiel die Bibel wörtlich genommen wird und die Kinder nichts über andere Religionen, Sexualität und neuere Forschungen erfahren.

Kinder haben das Recht darauf, soziale Kontakte außerhalb der Familie zu pflegen. Nur weil Homeschooling in manchen Familien keinen Schaden anrichtet, ist es trotzdem in vielen gefährlich, wenn die Kinder vor der Öffentlichkeit versteckt werden. Es gibt tatsächlich in Deutschland noch Gegenden, die kein gutes Internet haben. Es gibt auch nicht wenige Kinder, die keinen Laptop haben oder sich einen Laptop mit fünf Geschwistern teilen müssen.

» blümchen » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

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Brauchen Kinder unbedingt die Schule für soziale Kontakte? Diese können auch durch Eltern/Kind Kreise, Spielplatz,-Outdoorbesuche, Vereine usw. erfolgen und abgedeckt werden. Schulen haben immer einen Nachteil, man wird mit sehr vielen Gleichaltrigen in einen Topf geworfen und nach einen Leitfaden unterrichtet der wenig Platz für Kreativität und Abweichungen enthält. Dinge zu erlernen die aber über die eigene Altersklasse hinausgeht ist in Schulen nur schwer bis gar nicht möglich.

Kinder werden nicht automatisch in einer religiösen Blase erzogen nur weil sie zu Hause unterrichtet werden. Dann müssten derzeit alle Homeschooler Familien gläubig sein oder zu einem Glauben konvertiert sein. Es gibt für viele Eltern und Kinder, die freiwillig irgendwo auf der Welt auch schon vor der Krise Homeschooling / Freilernen, whatever begangen haben Gründe.

Sei es den eigenen Kindern eine Alternative zum Frontalunterricht zu bieten oder einfach nur selbst die Wahl zu haben ihre Rechte als Eltern wahrnehmen zu dürfen um sich um das eigene Kind zu kümmern. Kinder gehören nicht dem Staat, natürlich auch nicht den Eltern, diese wiederum sind aber Verantwortlich für sie. Eine staatliche Verantwortung sollte nicht zwingend über der Elternverantwortung stehen.

» Nebula » Beiträge: 3041 » Talkpoints: 6,06 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


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