Für krebskranke Angehörige Glatze rasieren lassen?

vom 15.08.2015, 19:33 Uhr

Ich sah erst vor kurzem einen Bericht darüber, dass eine junge Frau wohl vor Jahren die Diagnose Krebs erhalten hat und wegen der starken Chemotherapie Haarausfall bekommen hat. Aus Solidarität haben sich daraufhin alle ihre Freundinnen eine Glatze rasieren lassen um ihr zu zeigen, dass sie nicht alleine ist und ihre Freundinnen zu ihr halten werden egal was auch passiert.

Ich finde diese Geste sehr schön und irgendwo auch ermutigend. Ich kann mir gut vorstellen, dass das der Kranken sehr viel Mut gemacht hat und sie dadurch neue Kraft im Kampf gegen den Krebs geschöpft hat. In meinem Umfeld gab es noch keinen Krebsfall, aber wenn es den geben würde, hätte ich auch kein Problem damit, mir die Haare alle abschneiden zu lassen aus Solidarität. Vorausgesetzt natürlich, dass es der kranken Person auch hilft.

Was meint ihr? Nützt es was, wenn die Angehörigen eines Krebs-Patienten sich die Haare alle abrasieren lassen? Oder ist das eurer Meinung nach total überflüssig? Würdet ihr genauso handeln oder findet ihr das kindisch?

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



In Erster Linie finde ich es überhaupt nicht kindisch, wenn man einem Angehörigen, der an Krebs erkrankt ist, damit hilft, in dem man sich eine Glatze rasieren lässt. Was daran kindisch sein soll, kann ich definitiv nicht verstehen.

Ich finde es auch eher schön, wenn die Freundinnen so zu der Erkrankten stehen und sich aus Solidarität auch eine Glatze rasieren lassen. Ich finde es auch ziemlich mutig, sich eine Glatze rasieren zu lassen, vor allem, wenn man weiblich ist. Es ist nämlich ziemlich außergewöhnlich eine Frau mit einer Glatze zu sehen, wenn diese Frau nicht an Krebs oder desgleichen erkrankt ist. So etwas sieht man heutzutage so gut, wie gar nicht.

Ob ich es persönlich so machen würde und mir eine Glatze rasieren lassen würde, wenn ein Angehöriger aus meinem Umfeld an Krebs erkrankt ist, kann ich nicht wirklich sagen. Da ich in so einer Situation nicht war. Ich denke aber, dass es da auch auf den Angehörigen ankommt, ob ich mir aus Solidarität eine Glatze rasieren lassen würde oder eben auch nicht.

Wenn der Angehörige mir sehr nah steht und ich weiß, dass es dem Angehörigen Mut spenden würde, wenn ich mir auch eine Glatze rasieren lassen würde, dann würde ich das sicherlich tun. Aber für einen Angehörigen, den ich in den letzten zehn Jahren nicht einmal gesehen habe und, wo der Kontakt dann natürlich auch nicht vorhanden ist, würde ich es nicht unbedingt machen.

Generell denke ich schon, dass es dem Erkrankten ein Stück weit hilft, neue Hoffnung und neuen Mut zu schöpfen, wenn man sich als Angehöriger auch eine Glatze rasieren lässt, wenn der Erkrankte aus Behandlungsgründen Haarausfall bekommt und letztendlich mit, der Glatze eine Zeit lang leben muss.

Es muss für einen Erkrankten doch schön sein zu wissen, dass man immer Leute um sich herum hat, die zu einem stehen, in guten, wie in schlechten Zeiten und auch in jeder Situation da sind und sich selbst eine Glatze rasieren lassen. Vor allem, wenn der Erkrankte ein großes Problem damit hat, weil er nun eine Glatze bekommt und das eigentlich gar nicht möchte. So fühlt sich der Erkrankte nicht so ganz alleine mit der Glatze, wenn die Angehörigen mitziehen.

» kai0409 » Beiträge: 3345 » Talkpoints: 72,64 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Ich hatte schon einmal darüber nachgedacht. Eine sehr gute Freundin von mir hatte Brustkrebs und verlor während der Chemotherapie ihre Haare. Das war schon hart für sie, weil es ja jedem nach außen zeigt, dass etwas nicht stimmt. Vorher hatte sie schöne lange Haare, auf die sie auch stolz war.

Das Video, das im Eröffnungsthread angesprochen wurde, habe ich auch gesehen und fand es wirklich rührend. Ich denke schon, dass es ein wenig hilft. Vor allem, weil die Freundinnen damit unglaublich viel Unterstützung zeigen und dass sie nicht bei der nächsten kleinsten Hürde das Weite suchen werden. Man verliert oft sehr viele sogenannte Freunde, wenn man so eine Diagnose bekommt, weil sie nicht damit zurecht kommen. Das trifft auf jemanden, der sich seine Haare abrasiert, bestimmt nicht zu.

Aber einige Aspekte finde ich auch schwierig. Bei einer Chemotherapie verliert man nämlich auch seine Augenbrauen und Wimpern und das sieht dann wirklich "komisch" aus. Außerdem muss man das Ende der Therapie abwarten, bis die Haare wieder wachsen. Rasieren sich die Freundinnen so lange immer wieder?

Außerdem tragen die meisten Chemo-Patientinnen dann Perücken. Die muss man sich aber erst mal leisten können, da die Freundinnen keine Kostenübernahme bei der Krankenkasse beantragen können. Und Perücken sind wirklich teuer.

Ich habe es damals nicht gemacht, weil ich sowieso 500 Kilometer weit weg gewohnt habe. Wir hätten die meiste Zeit getrennt mit unserer Glatze gelebt. Wir hätten die Haare nicht gemeinsam wachsen lassen können und so weiter. Ich bin mir auch nicht sicher, ob es für sie wirklich eine Erleichterung gewesen wäre, wenn ich sie damit überrascht hätte.

Das kann ja auch ein schlechtes Gewissen machen. Immerhin denkt sich die Patientin in dem Moment doch, wie man so blöd sein kann, seine Haare freiwillig aufzugeben. Sie musste es tun. Also das kann auch ganz andere Gefühle auslösen.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich finde die Geste an sich zwar ganz nett, aber ich würde es dennoch nicht machen. Viele Frauen tragen dann Perücken und das ist doch auch in Ordnung so, da muss ich als Angehörige keine Glatze haben und damit zeigen, dass das in Ordnung ist eine zu haben und es jeden treffen kann. Diese müsste man dann ja auch immer wieder nachrasieren.

Ich denke, dass das auch nach hinten losgehen kann, wenn man mit so einer Glatze als Zeichen ankommt. Immerhin könnte man es auch so auslegen, dass es nicht so schlimm ist und es ja nur die Haare sind. Unterstützend tätig werden kann man sicherlich anders.

In meinem Umfeld gab es schon Krebserkrankungen und eine Person hat das sehr deutlich gesagt, was man den anderen angesehen hat. Man selber hätte schon genug Angst, da braucht man nicht noch die mitleidigen Blicke der anderen Personen oder das Mitleid generell. Ein normaler Umgang wäre viel schöner und da würde so eine Aktion nach hinten losgehen.

Natürlich ist es nicht der normale Zustand, die Person ist krank, aber ich kann mir schon vorstellen, wie es die eigenen Ängste verschlimmert, wenn man mitleidige ängstliche Blicke bekommt. Wenn man sich aber normal verhält, die Person weiterhin am Leben teilhaben lässt, Spaß macht und so weiter, kommt das besser an. Wichtig ist es in schweren Situationen dieser Person beizustehen und nicht, eine Glatze zu rasieren.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich finde es überhaupt nicht schlecht, wenn das Abrasieren dazuführt, dass sich ein Krebskranker nicht mehr alleine so angestarrt fühlt. Man darf nicht vergessen, dass die Geste hier zählt und natürlich kann ich mir mit einem abrasierten Kopf alles wieder nachwachsen lassen, bin nicht in Chemobehandlung und womöglich auf der Todesschüppe, aber ich helfe mit der Geste.

Natürlich mag es auf einige kindisch rüber kommen. Sätze wie "jo und du bist kerngesund" habe ich schon bei FB unter den Kommentaren solcher Bilder gesehen, aber was spielt das eigentlich für eine Rolle? An der Gesundheit kann der Mensch nichts, der sich auch die Glatze rasiert. Er möchte es dem jenigen mit Krebs aber leichter machen, nicht auf den Straßen angestarrt zu werden mit dem Wissen, die Person könnte schwer krank sein.

Hinzu kommt, dass man damit auch ausdrückt, dass man nicht alleine ist. Alle sind bei dir. Es ist immer wichtig, ein Wohlbefinden für die Seele zu erzeugen, denn da entsteht der Kampfeswille. Jemand aufgeben gibt es hier nicht und das sollte man auch mit einer derartigen Aktion ruhig untermauern, wenn man es möchte.

Ich würde mir sofort Glatze rasieren, wenn das jemand in meiner Familie so trifft, dass ich der Meinung bin, dass ich dem jenigen damit helfen kann. Das wäre mir eine wahrliche Ehre ihm oder ihr so zu zeigen, dass ich zwar gesund bin, aber trotzdem alles tun werde, was die Person unterstützt und ihrer Optik gleichziehen werde, um ihr zu zeigen, du bist nicht allein.

Das mag wirklich kindisch und naiv klingen, aber mir ist das wichtig. Ich habe gesehen, wie Menschen draußen angestarrt werden, weil sie eine Glatze haben. Obwohl man deutlich sieht, dass sie krank sind. Das möchte ich vermeiden und würde dann lieber die Blicke durch eine Glatze auch auf mich ziehen wollen.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


Ich finde das sehr selbstlos und mutig, wenn sich Angehörige oder Freundinnen einer Frau, die an Krebs leidet, ebenfalls eine Glatze rasieren lassen. Gerade für eine Frau sind ihre Haare doch sehr wichtig und ich kann mir schon vorstellen, dass es ein schlimmes Gefühl ist, wenn man durch so eine schwere Erkrankung dann plötzlich die Haare verliert. Das hat dann so etwas offensichtliches. Ansonsten sieht man den Krebs ja meist eher nicht.

Ich würde es davon abhängig machen, wie sehr es meiner Verwandten oder Freundin helfen würde, wenn ich mir ebenfalls eine Glatze rasieren lassen würde. Wenn es helfen könnte, würde ich mir das sicherlich überlegen. Allerdings finde ich, dass so etwas immer leichter gesagt als getan ist, wenn man sich eben nicht in der Situation befindet.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


Ich frage mich bei solchen "selbstlosen und mutigen" Aktionen ja immer, ob jemand eigentlich die Patienten fragt was sie überhaupt davon halten. Vielleicht möchte eine Frau, die ihre Haare verloren hat, ja nicht ständig an diese Tatsache erinnert werden, zum Beispiel indem sie ständig mit den rasierten Köpfen der Freundinnen konfrontiert wird? Vielleicht würde man ja viel mehr helfen wenn man in einem Kostümladen geht und Perücken durchprobiert?

Ich denke wirklich, dass solche Aktionen hauptsächlich für die Leute gut sind, die sich die Haare ohne Not rasieren. Sie bekommen von der Umwelt viel Zuspruch, weil sie ja so "selbstlos und mutig" sind und vielleicht hilft es ihnen auch mit der Krankheit der Angehörigen besser klar zu kommen.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Ramones hat geschrieben:Ich finde die Geste an sich zwar ganz nett, aber ich würde es dennoch nicht machen. Viele Frauen tragen dann Perücken und das ist doch auch in Ordnung so, da muss ich als Angehörige keine Glatze haben und damit zeigen, dass das in Ordnung ist eine zu haben und es jeden treffen kann. Diese müsste man dann ja auch immer wieder nachrasieren.

Da merkt man, dass du keine Ahnung hast. Perücke bekommt man zwar eine von der Krankenkasse eine bezahlt aber nicht in der besten Qualität und schon gar nicht zum Anfang der Therapie wenn die Haare ausfallen. Zudem durch die Chemo und Strahlentherapie auch die Haut empfindlicher wird und die Perücke kratzt und juckt wie blöde. Daher tragen viele Frauen und Personen mit Krebs sie unter der laufenden Behandlung eben nicht sondern ein weiches Tuch darüber.

Daher ist das schon belastend wenn man selbst keine Haare mehr hat und auch keine Perücke tragen kann, da es zusätzlich schmerzt wenn alle um einen herum dann mit den tollsten Frisuren und Haaren laufen. Zudem man damit auch immer auffällt auch mit dem Tuch auf dem Kopf, was zusätzlich zum Krebs nochmal eine Belastung ist. Denn die anderen Menschen starren einen damit an als wenn man eine Ansteckende Krankheit hat und ekelig ist, normal ist das nicht und alleine dieses Gaffen tut zusätzlich sein übriges. Tauchen mehrere mit Glatze auf einmal auf, dann wandert der Blick und die Betroffenen fühlen sich entsprechend nicht so ausgeliefert.

Ich weiß das aus erster Hand, ich hatte Krebs und Perücke kannst du komplett vergessen. Die ganze Haut ist so empfindlich, dass es bei der kleinsten Berührung sich anfühlt wie tausend Nadelstiche. Kopfhaut und Gesicht ist besonders schlimm, wie auch Handflächen und Fußflächen. Da trägst du freiwillig keinen Fremdkörper dran wenn es nicht unbedingt sein muss.

Ich habe mir schon als Kind eine Glatze rasiert als eine in meiner Klasse Krebs hatte und die Haare ausgefallen sind. Es wurde nur über sie geredet und mit dem Finger auf sie zeigt neben dem ganzen starren. Und ich habe schon gemerkt wie sehr sie das belastet zusätzlich zur Therapie, daher habe ich mich dafür entschieden. Sie ist zwar keine Angehörige, aber damit hat man ein Zeichen gesetzt da auf einmal zwei mit Glatze vorhanden waren und die Blicke, Lästereien und Gesten galten auf einmal nur noch zu 50% ihr und dem Rest zu mir.

Ich habe schon gemerkt, dass es für sie eine Entlastung war und sie deutlich befreiter und mit mehr Lebensfreude wieder zur Schule gegangen ist. Geschämt habe ich mich dafür übrigens auch nicht und ich habe auch kein Problem damit auf meine Haare zu verzichten, da sie nicht mein Leben sind wie bei anderen Frauen die direkt einen Weltuntergang daraus machen wenn 10 cm abgeschnitten werden sollen und in Tränen ausbrechen. Oberflächlichkeiten sind Haare mehr nicht, aber die Gesellschaft macht vieles an diesen Dingen fest und zeigt mit den Finger auf diejenigen die eben nicht normal sind und wie Standard aussehen.

Ich würde es übrigens jederzeit wieder machen um so auch ein Zeichen gegen die Lästergesellschaft zu setzen und als Unterstützung. Aber wie gesagt, nicht nur für Angehörige sondern auch für Freunde oder Bekannte. Mit dem Mädchen damals hatte ich so gut wie gar nichts zu tun und kannte sie kaum, aber dennoch fand ich meine Aktion richtig und auch wichtig.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge


Ich würde das ehrlich gesagt nicht machen, sehe dafür aber auch keinen Grund. Viele Krebskranke wollen nicht immer an ihre Krankheit im Alltag erinnert werden, genau das passiert aber immer dann, wenn diese damit konfrontiert werden, dass eben die Angehörigen dieselbe Frisur haben wie man selbst. Ich würde das auch nicht von anderen wollen, wenn ich so eine Krankheit hätte.

» Nebula » Beiträge: 3041 » Talkpoints: 6,06 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


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