Frage nach der Herkunft manchmal unpassend?

vom 20.02.2019, 05:38 Uhr

Findest du es nicht etwas vermessen, Menschen mit hierzulande abweichender Hautfarbe automatisch als Migrantenkinder zu bezeichnen und automatisch anzunehmen, dass diese zweisprachig aufgewachsen sind und mindestens ein Elternteil aus dem Ausland stammt? Das ist doch eigentlich genau die Denke der von dir geschmähten bildungsfernen Schichten, oder?

Warum ist die Herkunft eines Afrodeutschen, dessen Familie schon seit gut 100 Jahren hier lebt, unbedingt ein Thema, während die Polen, die damals kamen, heute als Biodeutsche gelten? Welchen besonderen anderen kulturellen Eigenheiten bringen denn die dunklen amerikanischen Besatzungskinder im Gegensatz zu den hellen Kindern mit?

» cooper75 » Beiträge: 13336 » Talkpoints: 500,20 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Du scheinst meinen Beitrag nicht richtig gelesen zu haben. Ich zum Beispiel bin nicht afrodeutsch und sehe auch ansonsten ziemlich westeuropäisch aus. Bei mir ist ja auch nur der Nachname das Ausschlaggebende, weshalb ich öfters mal angesprochen werde. So viel dazu, dass Leute mit holländisch, polnisch oder französisch klingendem Nachnamen automatisch als deutsch "hingenommen" werden, aber dunkelhäutigen Menschen nicht. Also wird hier definitiv nicht mit zweierlei Maß gemessen. Deine Annahme über die ungleiche Behandlung von Dunkelhäutigen und meinetwegen Kowalskis ist schlicht falsch.

» Cappuccino » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Mod am 20.02.2019, 20:42, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen

Nein, die Annahme ist nicht falsch. Denn ganz viele Menschen, deren Nachname die ursprünglichen Wurzeln erkennen lassen, werden nicht an jeder Ecke gefragt, aus welchem Land die kommen. Ein Afrodeutscher wird dagegen immer als Ausländer wahrgenommen.

» cooper75 » Beiträge: 13336 » Talkpoints: 500,20 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Ich frage mich, woher du diese validen Daten nimmst, dass Afrodeutsche angeblich "an jeder Ecke" nach der Familiengeschichte gefragt werden und Leute mit einem "van" im Namen oder einer Endung mit -ski nicht. Ist mir in meinem Multikulti-Freundeskreis jetzt nicht so aufgefallen. Und dumme Menschen, die in einem Schwarzen automatisch noch einen Migranten der ersten Generation vermuten, werden das bei ausländischen Nachnamen auch tun. Wenn es im Alltag Unterschiede zwischen Schwarzen und anderen Migranten gibt, rührt das wohl eher daher, dass man ihnen die fremden Wurzeln sofort ansieht, wogegen anderen Migranten der Nachname nicht auf der Stirn geschrieben steht.

» Cappuccino » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ich habe mein halbes Leben mit einem Namen verbracht, der nicht deutsch klingt und auch in der Schreibweise auffällt. Allerdings hat nie jemand meine Herkunft angezweifelt oder hat angenommen, dass mindestens ein Elternteil aus dem Ausland kommt. Und bei den ganzen polnischen Namen in meinem Umfeld vermutet das ebenso wenig jemand wie bei Freunden aus den USA, die weiß sind.

Das ist aber ganz anders, wenn jemand sehr dunkel und lockig geraten ist. Nachfahren deutscher Kolonisten, die nun wirklich seit Generationen hier sind, werden ebenso als Ausländer angesehen wie die Nachfahren der Kinder von dunklen französischen Besatzern nach dem Ersten und von dunklen Amerikanern nach dem Zweiten Weltkrieg. Die anderen Besatzungskinder sind dagegen deutsch, weil sie nicht auffallen.

» cooper75 » Beiträge: 13336 » Talkpoints: 500,20 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Also ich bin, wenn man von meinem englischen Großvater absieht, ansonsten Bio-Deutsch und bin auch schon von Leuten mit Migrationshintergrund (!) gefragt worden: Du bist aber auch (!) keine Deutsche, oder? Da dachten manche dann, dass ich Italienerin bin oder italienische Wurzeln habe, wovon mir nichts bekannt ist, aber wer weiß das schon immer so genau. Davon habe ich mich ganz sicherlich nicht beleidigt gefühlt und ich glaube ehrlich gesagt auch nicht, dass ich das hätte, wenn mein Vater oder meine Mutter italienischer Herkunft gewesen wären.

Eigentlich ist meine persönliche Beobachtung auch, dass früher, ich weiß nicht, ob das heute noch so ist, viele eher mit Stolz von der Herkunft der zum Beispiel türkischen Eltern erzählt haben. Die haben sich trotz ihrer Geburt nicht als hundertprozentig deutsch verstanden, sondern als eine kulturelle Mischung. Und auch meine Mutter, deren Familie einen sehr ausgefallen, französisch klingenden Namen trägt, wurde vor ihrer Ehe gelegentlich gefragt, wo dieser Name herkommt. Das ist doch interessant und trägt keine abfällige oder rassistische Konnotation mit sich.

Vielleicht sieht man das als jemand, der sich für Genealogie interessiert etwas gelassener und unterstellt nicht gleich jedem latenten Rassismus. Ich habe die Frage zwar noch nie einem dunkelhäutigen Menschen gestellt, aber durch solche Diskussionen wie diese würde ich mich das auch gar nicht mehr trauen, aus Angst jemandem damit zu nahe zutreten.

» Verbena » Beiträge: 4803 » Talkpoints: 4,43 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Verbena hat geschrieben:Vielleicht sieht man das als jemand, der sich für Genealogie interessiert etwas gelassener und unterstellt nicht gleich jedem latenten Rassismus. Ich habe die Frage zwar noch nie einem dunkelhäutigen Menschen gestellt, aber durch solche Diskussionen wie diese würde ich mich das auch gar nicht mehr trauen, aus Angst jemandem damit zu nahe zutreten.

Da das Thema derzeit recht sensibel ist, würde ich solche Fragen auch nur dann stellen, wenn ich zuvor den Eindruck bekommen habe, dass der Gesprächspartner dafür aufgeschlossen ist. Wie gesagt, nicht jeder empfindet die Frage nach der Herkunft als kompromittierend, und nicht wenige sprechen sogar recht gern darüber, weil damit ja auch gegenseitiges Interesse signalisiert wird.

Aber ich würde die Frage inzwischen niemandem mehr aufdrängen, sondern nur auf solche Themen eingehen, wenn mein Gegenüber es von sich aus anspricht. So wie es mir vor kurzem in einem Bekleidungsgeschäft passiert ist: mit einem sowieso sehr netten Mitarbeiter des Geschäfts hatte sich eine kleine Unterhaltung ergeben, in der er von sich aus seine philippinische Herkunft thematisiert hat, ohne dass wir danach gefragt hätten. Und schon haben wir uns mindestens zehn Minuten über die Philippinen unterhalten. Mein Eindruck war, dass er das Gespräch und unser Interesse gut fand.

Ich erinnere mich übrigens noch, dass in meiner Jugendzeit die Frage nach der Herkunft eine gute Möglichkeit war, um mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen. Man hat sich gegenseitig erzählt, woher man stammt, und schon hatte man etwas zu erzählen und das Eis war gebrochen. Und das hat man keineswegs nur bei Menschen gemacht, die "anders" ausgesehen haben, sondern sogar bei Leuten aus dem selben Bundesland.

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» lascar » Beiträge: 4419 » Talkpoints: 783,04 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Es geht ja nicht um die simple Frage nach dem Wohnort, sondern um das penetrante Nachbohren, weil jemand, der andere aussieht, kein Biodeutscher sein kann. Denn die gleiche Frage meint je nach dem, wer gefragt wird, etwas ganz anderes.

Während der, der optisch hier dazugehört, seinen Wohnort angibt und das einfach akzeptiert wird, wird beim anderen nachgebohrt. Wenn ein Afrodeutscher dann sagt, dass er aus Wiesbaden sei, wird nach der ursprünglichen Herkunft gefragt. Und das nervt. Denn dann gehört man nicht dazu.

Oder es passiert so etwas wie in irgendeiner Talkshow, ich meine, es war Markus Lanz, wo der Moderator zu Nelson Müller sagt, dass der natürlich adoptiert worden sei. Denn Afrodeutsche, die hier schon seit Generationen leben, kann es nicht geben. :wall:

» cooper75 » Beiträge: 13336 » Talkpoints: 500,20 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Ich finde auch, dass die Frage nach der Herkunft immer unpassend ist und würde daher auch darauf verzichten diese zu stellen. Ich habe auch erlebt, dass man mit europäischem Aussehen nicht gefragt wird, aus welchem Land man kommt, sondern höchsten aus welcher Region Deutschlands oder welcher Stadt. Ich würde eher warten, ob mir die Person selbst irgendwann etwas über ihre Vorfahren erzählt oder ähnliches. Ich würde nicht nur durch das Aussehen eines Menschen darauf schließen, dass er ja nicht aus Deutschland stammen kann oder ähnliches. Das dem nicht so sein muss, weiß man doch eigentlich.

Eine Freundin hat einen dunkelhäutigen Mann und ihre Kinder sind auch dunkelhäutig. Sie dagegen hat helle Haut und auch helle Haare. Sie wird immer wieder danach gefragt, woher die Kinder denn kommen und warum ihre Haut so dunkelt ist. Meine Freundin findet das sehr frech und auch anmaßend, was ich durchaus nachvollziehbar finde.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


Nelchen hat geschrieben:Ich finde auch, dass die Frage nach der Herkunft immer unpassend ist und würde daher auch darauf verzichten diese zu stellen.

Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, aber ich glaube mich erinnern zu können, dass es früher tendenziell positiv bewertet wurde, wenn man auch über die Herkunft gesprochen hat. Ich glaube, dass ob man früher sogar als ignorant gegolten hat, wenn man darüber gar nichts wissen wollte. Zumindest einige Menschen fühlen sich überdies durchaus ihren eigenen Wurzeln verbunden, sehen sie als Teil ihrer eigenen Identität an, und freuen sich, wenn man sich dafür interessiert.

Wie gesagt, am besten ist es wohl, selbst das Thema nicht anzusprechen und keine Fragen zu stellen, bis eventuell der Gesprächspartner selbst davon erzählt. Wenn er auf diese Weise signalisiert, dass er dem Thema gegenüber aufgeschlossen ist, kann man sich auch darüber austauschen.

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» lascar » Beiträge: 4419 » Talkpoints: 783,04 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


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