Existiert Hochsensibilität und ist sie messbar?

vom 02.10.2017, 04:30 Uhr

Es gibt hochsensible Menschen, die empfindlicher auf äußere Reize reagieren und auch mehr wahrnehmen (sollen) als andere. Ein Bekannter von mir zweifelt an, dass es Hochsensibilität überhaupt gibt. Für ihn klingt das eher wie eine neue "Modeerscheinung", wie ADHS, was inflationär verwendet und diagnostiziert wird.

Kann man Hochsensibilität überhaupt messen und nachweisen? Wie kann man beweisen, dass es das gibt oder sind Beweise in dieser Hinsicht unmöglich? Wann ist für euch ein Mensch hochsensibel und warum?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Warum sollte es Hochsensibilität nicht geben? Weil dein Bekannter selber nicht hochsensibel ist und auch niemanden kennt, der sich dafür hält? Das ist ein sehr schwaches Argument.

Ich selber bin zwar einerseits auch skeptisch, was "Modediagnosen" angeht, aber andererseits fehlt mir auch schlicht das Fachwissen, um beurteilen zu können, ob es bestimmte psychische Krankheiten oder Ausnahmezustände wirklich gibt oder ob die Leute nur an jede Kleinigkeit ein Etikett kleben und dafür Aufmerksamkeit wollen. Mit zunehmendem Wissen darüber, wie das menschliche Innenleben auch abgesehen von den körperlichen Zuständen funktioniert, werden eben auch immer mehr Normen versucht zu definieren und Abweichungen festgestellt.

Man kann eben immer nur mit dem Wissen arbeiten, das man schon hat. Vor 500 Jahren hat es beispielsweise bestimmt auch schon Menschen mit Schilddrüsenüberfunktion gegeben, als die Leute noch nicht einmal wussten, was eine Schilddrüse war. Vielleicht wird Hochsensibilität zukünftig einfach in das Spektrum menschlicher Wahrnehmung eingereiht, oder vielleicht auch als Krankheit eingestuft, die behandelt gehört, weil Normabweichungen generell nicht gerne gesehen werden. Das wird sich zeigen.

Generell bin ich hier großzügig, weil ich mir sowieso kein fundiertes Urteil bilden kann: Wer von sich glaubt, hochsensibel zu sein, bei dem mag das gerne zutreffen. Ich selber habe auch meine Macken und kann manche Dinge einfach nicht ertragen, weswegen ich auch froh bin, wenn ich mich dafür zumindest nicht rechtfertigen muss und nicht schief angeschaut werde. Wieso sollte ich also andere Leute schief anschauen, solange sie nicht allzu offensichtliche Hypochonder sind oder jeden Tag ein neues Syndrom an sich diagnostizieren?

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, ja, sie existiert. Und wo sie noch vor ein paar Jahren, wie eine Modeerscheinung abgetan wurde, gibt es heute viele Bücher zu diesem Thema. Vor ein paar Wochen kam sogar eine Sendung in einem Radiosender aus meiner Region, in der eine Expertin darüber gesprochen hat.

Ich selber bin hochsensibel und auch sehr empathisch. Man muss sich das so vorstellen, als hätte ein E-Mail-Postfach keinen Spamfilter. Alles an Außenreizen dringt ungefiltert durch und raubt einem immens viel Energie. Mir geht es so bei Lautstärke. Mich stresst es total, wenn Menschen in meiner Nähe laut telefonieren müssen. Ich kann mich dann nicht mehr konzentrieren und es strengt mich an, bei der Sache zu bleiben.

Hinzu kommt auch grelles Licht. Ich habe in den dunklen Monaten morgens im Büro nur eine Schreibtischlampe an, weil ich das Deckenlicht als zu grell und störend empfinde. Leider erfährt man von seinem Umfeld wenig Verständnis, eine Kollegin meinte mal zu mir, ich würde mich nur in meinem "dunklen Kabuff" verstecken und immer die Tür zu haben. Ja, verdammt, weil ich in Ruhe arbeiten möchte und keine Störungen brauche.

Ich muss dazu sagen, dass ich vermutlich schon seit meiner Kindheit hochsensibel bin, es aber erst vor ca. 10 Jahren reflektiert habe. Wenn man älter wird, reflektiert und hinterfragt man sich mehr. Sicherlich nimmt die Hochsensibilität im Alter auch an Intensität zu, aber es ist keine Krankheit, sondern ein Wesensmerkmal, für das niemand etwas kann. Was anderen leid tut, tut mir schon weh, besonders, wenn es um Tiere geht.

Auch bei Filmen mit traurigen Inhalten muss ich oft weinen. Ich finde nicht, dass es etwas ist, wofür man sich schämen müsste, nur leider haben die meisten wenig bis gar kein Verständnis dafür und man wird nur belächelt. Wenn ich schon so etwas höre, wie "sei doch nicht so empfindlich", könnte ich echt bröckeln. Man ist so empfindlich und hat sich das sicher nicht ausgesucht.

Hochsensibilität ist Segen und Fluch zugleich. Man kann sich sehr gut und schnell auf Menschen einstellen und selbst am Telefon blitzschnell erfassen, wie sie gelaunt sind. So kann man besser auf sie eingehen und mit ihnen kommunizieren, ohne vielleicht in ein Fettnäpfchen zu treten. Der Fluch dagegen ist eben die Tatsache, dass man alles stärker spürt und wahrnimmt. Ob sie messbar ist, weiß ich nicht, aber dass es sie gibt, kenne ich von mir selber.

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» Jacqui_77 » Beiträge: 2754 » Talkpoints: 34,77 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



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