Es nicht verdienen, viel Zeit mit jemandem zu verbringen?

vom 09.09.2015, 19:32 Uhr

Ich bin vorhin auf eine sehr merkwürdige Aussage in einem Buch gestoßen, welches ich gerade lese. Es ging dabei um ein Gespräch zwischen einer jungen Frau und einem Mann. Die Frau fragte den Mann nach seiner Familie, wobei er gestand, dass seine Mutter tot sei.

Die Frau war beschämt, eine solche Frage gestellt zu haben und es tat ihr leid, worauf der Mann dann meinte, dass es ihr nicht leid tun müsse. Seine Mutter sei ein absoluter Engel und ein so guter Mensch gewesen, dass er es gar nicht verdient hätte, so viel Zeit mit ihr verbringen zu dürfen. Sie wäre zu gut für diese Welt gewesen.

Ich habe mich sehr darüber gewundert, da ich noch nie davon gehört habe, dass jemand es nicht verdient hat, viel Zeit mit einem anderen Menschen zu verbringen, nur weil er so gut zu einem ist. Das finde ich schon sehr kurios und die Aussage fand ich daher auch nicht liebenswürdig, sondern einfach skurril und ich kann mir nicht vorstellen, so etwas einmal zu sagen.

Würdet ihr auch von euch behaupten, dass ihr es gar nicht verdient, so viel Zeit mit jemandem zu verbringen, weil die Person einfach zu gut zu euch und für diese Welt ist? Könnt ihr diese Aussage ernst nehmen?

Benutzeravatar

» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge



Persönlich würde ich auch niemals auf so eine Aussage kommen. Denn sie setzt ein höheres Wesen voraus, das diese Entscheidung trifft, wer zu gut ist und wer wie viel Zeit mit wem verdient. Aber wenn man an Gott oder irgendeine andere Macht glaubt, kann diese Sichtweise es einem erleichtern, einen Verlust zu verschmerzen. Denn die Schlussfolgerung ist ja, dass sie jetzt an einem besseren Ort als der Erde ist, für den sie nicht zu gut ist.

Jeder geht anders mit Trauer um. Immerhin hat er nicht gesagt, dass er zu schlecht wäre, um Zeit mit seiner Mutter zu verdienen. Das wäre richtig hart. Denn dann würde er sich wohl schuldig fühlen für ihren Tod und diese Sichtweise würde ihm wohl eher nicht helfen.

Benutzeravatar

» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Es gibt immer Menschen, die sich als wertlos sehen und solche Menschen treffen dann eben auch solche Aussagen. Ich habe solche Aussagen auch schon von psychisch kranken Menschen gehört, auch dass man kein Glück verdient hätte und so weiter. Selber würde ich so eine Aussage nicht treffen, weil ich nicht weniger Wert bin als ein anderer Mensch.

Benutzeravatar

» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich kann es von der anderen Seite her sagen, dass ich mir durchaus zu Wertvoll bin Zeit mit bestimmen anderen Personen zu verbringen. Mag jetzt eingebildet und hochnäsig klingen, aber ich sehe es nicht ein meine Wertvolle Zeit an Menschen zu verschwenden die meiner nicht eben sind und mich ohnehin nur zu Gesicht bekommen möchten, damit sie sich selbst Profilieren können.

Meine Eltern sind solch ein Beispiel, mir ist meine Zeit definitiv zu schade diese mit ihnen zu verbringen. Denn dort folgen nur Anschuldigungen, Schuldzuweisungen und Belehrungen was ich angeblich alles so falsch in meinem Leben mache. Darauf kann ich komplett verzichten und daher verdienen sie es nicht, Zeit mit mir zu verbringen alleine aufgrund ihres Verhaltens.

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass jeder Personen hat denen man seine Zeit nicht einfach so schenken möchte und damit auch diese Position einnehmen. Auch wenn das hier im ersten Moment gar nicht bedacht wird, wer hat nicht mal einen Bekannten abgewimmelt weil man keine Lust auf ihn hatte, den Vertreter an der Tür und andere Dinge. Denn das gehört auch alles mit dazu und nicht nur die tolle Mutter die so ein guter Mensch war, dass man es von sich aus gar nicht verdient hat Zeit mit ihr zu verbringen.

Das ist doch nur eine Selbstlüge die dort stattfindet und meiner Auffassung nach versucht man sich nach dem Tod damit alles schön zu reden, dass man vorher keine Lust auf Mutti hatte Zeit für sie zu opfern und mit ihr zu verbringen. Von psychisch Krank würde ich in diesem Bezug noch nicht reden, es ist einfach ein verdrehen der Tatsachen und selbst belügen was hier stattfindet damit man mit der Trauer besser umgehen kann.

Benutzeravatar

» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



Ich finde diese Aussage gar nicht so abwegig, da ich auf jeden Fall der Ansicht bin, dass es Leute gibt, die es nicht wert sind, dass sich andere Personen mit ihnen abgeben und ihnen etwas Gutes tun. Es gibt auf der einen Seite so viele belanglose und charakterlich schlechte Menschen auf dieser Welt und auf der anderen Seite eben auch Personen, die einfach von Grund auf gut und herzlich sind. Nicht selten wird es vorkommen, dass ein guter Mensch für jemanden da ist, in vielerlei Hinsicht, der diese Zuwendung eigentlich nicht verdient.

Ich würde sogar behaupten, dass so gut wie jeder Mensch spontan Arten von Menschen nennen könnte, mit denen er sich nicht abgeben würde, weil ihm die vertane Zeit dann zu schade wäre. Ich glaube nicht, dass jeder bereit wäre, Zeit und vielleicht weitere Dinge für jemanden zu opfern, der diese nicht zu schätzen weiß oder der es aus anderen Gründen nicht wert ist, dass man sich so sehr um ihn kümmert.

Die Passage aus deinem Buch finde ich dennoch etwas merkwürdig. Denn die Tatsache, dass die Mutter des Protagonisten bereits gestorben ist, lässt die Annahme zu, dass der Mann seine Mutter nicht wirklich rational beurteilen kann. Häufig neigen Menschen nach dem Tode einer Person dazu, diese als besser darzustellen als sie in Wahrheit war. Dieses Verhalten tritt im realen Leben auch immer wieder auf, kann aber ebenso gut in einem Buch beschrieben werden. Gerade die Aussage, dass jemand doch eigentlich zu gut für die Welt ist oder war, ist auch recht gängig. So ungewöhnlich finde ich das alles also nicht.

Dazu kommt vielleicht noch, dass die Figur des Mannes in deinem Buch kein besonders ausgeprägtes Selbstwertgefühl hat. Wenn so jemand dann mit jemandem konfrontiert ist oder war, der scheinbar in allen möglichen Lebensbereichen so viel besser ist als man selbst, können solche Gedanken entstehen, dass man selbst den Umgang mit dem vermeintlich besseren Menschen eigentlich gar nicht verdient hat. Das ist irgendwie schon nachvollziehbar, auch wenn man so eine Denkweise selbst nicht übernehmen muss.

Benutzeravatar

» Cologneboy2009 » Beiträge: 14210 » Talkpoints: -1,06 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Ich würde das so interpretieren, dass die Zeit seiner verstorbenen Mutter eben viel zu kurz und sehr begrenzt war und das sie diese auch mit anderen Menschen hätte verbringen sollen, statt im Übermaß mit ihm. Vielleicht ist die Person selber eben nicht so gut und sieht sich selber dann eben als Zeitverschwendung seiner Mutter an. Das ist entweder selbstkritisch oder er hält einfach nicht viel von sich selbst.

Ich kenne eher die Aussage, dass die Zeit für eine Person viel zu kurz war. Und das ist dann ja selbsterklärend. Nun ist es ja aber so, dass Mütter vermutlich meistens sehr gern viel Zeit mit ihren Kindern verbringen und ich würde sagen, dass die Zeit schon ein Großteil für Mutter und Kind ausmacht. Und das ist auch gut so.

Andersherum kenne ich es auch: das man einfach der Meinung ist, dass man selbst seine Zeit nicht an bestimmte Menschen verschwenden möchte, sondern diese lieber mit Menschen verbringt, die es auch verdient haben. Das denke ich bei Personen auch, die ich gerne mag und die ihre Zeit manchmal mit Menschen verbringen, was ich dann nicht nachvollziehen kann. Zum Teil sagen sie dann selbst, dass diese Personen es nicht verdient haben, aber manche "muss" man ja einfach besuchen.

Benutzeravatar

» winny2311 » Beiträge: 14930 » Talkpoints: 2,85 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^