Das Recht zur freien Arztwahl oft gar nicht möglich

vom 28.06.2019, 13:48 Uhr

Wenn man einen Termin bei einem Facharzt nach Wahl machen will, ist es oft so, dass gar keine neuen Patienten mehr angenommen werden und man mit einem Arzt, der keinen guten Ruf hat sich zufrieden geben muss. Das ist mir beim Augenarzt passiert. Alle Augenärzte hier im Umkreis von 20 Kilometern die einen guten Ruf haben, nehmen keine Patienten mehr an und ich musste dann zu einer Augenärztin gehen, mit der ich auch absolut nicht zufrieden war. Eine zweite Meinung ist dann oft gar nicht möglich und wenn, dann nur wieder bei einem Augenarzt, der den gleichen Ruf hat wie der erste.

Kinderärzte kann man während der Kinderzeit des eigenen Kindes gar nicht wechseln. Wenn man einen Termin haben möchte wird man erst einmal gefragt, wo man sonst gewesen ist und wenn man das beantwortet dann heißt es, dass man dann ja einen Kinderarzt hat und man dort bleiben soll. Denn es herrscht Aufnahmestopp. Man kann auch schlecht lügen, wenn dann irgendwelche Patientenakten eingefordert werden. Man muss sogar während der Schwangerschaft schon schauen, dass man einen Termin fest macht für nach der Geburt. Wenn man ihn einhalten kann ist es dann gut, oder man hat auf jeden Fall den Fuß schon in der Türe.

Ich suche nun schon seit Monaten einen Kardiologen für einen Routinecheck. Aber ich werde vertröstet, dass man in einem halben Jahr vielleicht wieder Patienten aufnimmt. Es sei denn, es ist akut, dann verweisen sie einen in die Notaufnahme. Den Arzt meiner Wahl kann ich nicht nehmen, da dieser keine Patienten aufnimmt.

Was denkt ihr, was man an so einer Situation machen kann? Ist es rechtens, dass man die freie Arztwahl nicht ausüben kann? Auch mit langer Terminwartezeit, die ich auch in Kauf nehmen würde? Habt ihr bisher immer Glück gehabt mit der freien Arztwahl? Wie wird das in ein paar Jahren aussehen? Bekommt man dann gar keinen Termin mehr bei einem Facharzt? Selbst Hausärzte, also auch Allgemeinmediziner haben Aufnahmestopp. Gerade da, wo man mal schnell einen Termin haben muss wartet man oft 6 Wochen auf einen Termin oder man hat irre lange Wartezimmerzeiten von bis zu 5 Stunden und länger. Aber wenigstens kann man da zu dem Arzt nach Wahl gehen.

Was haltet ihr von der freien Arztwahl, die man gar nicht wahr nehmen kann? Gebt ihr euch dann mit Ärzten zufrieden, zu denen ihr eigentlich nicht wolltet?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Freie Arztwahl bedeutet doch nicht, dass du einen Arzt deiner Wahl dazu zwingen kannst ein Vertragsverhältnis mit dir einzugehen wenn dieser Arzt keine Kapazitäten mehr hat. Wie stellst du dir das vor, dass dann wegen dir Überstunden geschoben werden? Oder, dass anderen Patienten dann abgesagt wird?

Du hast doch in ganz vielen Bereichen des Lebens theoretisch das Recht frei zu wählen, musst dich aber in der Praxis den Gegebenheiten anpassen. Wenn ich auf den Supermarktparkplatz fahre schreibt mir da auch niemand vor, wo ich zu parken habe, aber meine freie Parkplatzwahl wird natürlich durch die Fahrzeuge, die da schon stehen eingeschränkt.

Mir hat heute auch niemand vorgeschrieben welche Getränke ich in diesem Supermarkt kaufen darf, aber meine freie Getränkewahl war durch andere Kunden, die früher da waren als ich, eingeschränkt worden. Es war schon einiges ausverkauft.

Freie Arztwahl bedeutet, dass wir kein System haben wie zum Beispiel in den USA. Da kann dir deine Krankenkasse vorschreiben zu welchen Ärzten du gehen darfst oder in welches Krankenhaus. Da ist der angeblich schlechte Ruf einer Ärztin echt ein Luxusproblem, weil die Leute teilweise überhaupt keinen Facharzt im Umkreis finden, den die Krankenkasse bezahlen würde. Folge, du bezahlst die Behandlung letztendlich selber, trotz Krankenversicherung.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Freie Arztwahl bedeutet doch nicht, dass jeder Arzt jeden Patienten auch dann annehmen muss, wenn er es nicht kann. Es bedeutet nur, dass du dir deinen Arzt frei aussuchen und wechseln kannst. Die freie Arztwahl heißt nicht, dass jeder Arzt verpflichtet ist, über sein Kontingent hinaus zu arbeiten und nicht vernünftig bezahlt zu werden.

Nimm die Niederlande. Dort hast du keine Wahl. Du musst einen Hausarzt, einen Zahnarzt und eine Apotheke finden, die mit deiner Krankenkasse zusammenarbeiten und dich annehmen. Die Wahl ist verbindlich und kaum wieder zu ändern, wenn du nicht weit genug umziehst. Dein Hausarzt regelt alles und Fachärzte sind nur mit seiner Überweisung zugänglich. Denn du hast keine freie Arztwahl.

Selbst wenn du hierzulande das Hausarztmodell wählst, hast du mehr Freiheit, obwohl du damit deine freie Arztwahl einschränkst. Denn Frauenarzt, Augenarzt und Vorsorge bleiben frei. In den Niederlanden sehen beispielsweise Frauen, die zwar Kinder geboren haben, aber nicht unter Beschwerden leiden, die nicht der Hausarzt regeln kann, ihr Leben lang keinen Gynäkologen. Ist ja nicht nötig.

» cooper75 » Beiträge: 13325 » Talkpoints: 497,57 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Warum schweift ihr denn soweit ab. Wir haben doch sogar in Deutschland ein zweites System, dass einem klar zeigt, was freie Arztwahl ist und was eben nicht. Wer einen Unfall auf Arbeit hat, wird über die Berufsgenossenschaft abgerechnet und die hat das System der freien Arztwahl überhaupt nicht. Die BG schreibt einem vor zu welchen Ärzten und sogar in welche Krankenhäuser und Rehaeinrichtungen man gehen darf und welche eben nicht. So gibt es in meinem Bundesland nur in genau 2 Städten Krankenhäuser, die auch schwerste Verletzungen behandeln dürfen und wo Patienten im Zweifel hinverlegt werden müssen. Dabei können dann mal problemlos Wegstrecken von mehr als 100 Kilometer auftreten. Selbst für die Nachbehandlung gibt es in unserem Landkreis nur 2 Durchgangsärzte, wo alle Patienten hin müssen.

Ich finde immer, dass das Jammern auf sehr hohem Niveau ist. Grundsätzlich hast du ja zu jedem Facharzt einen freien Zugang und musst dafür nichts bezahlen, sondern hast das mit deinem Krankenkassenbeitrag schon abgegolten. Das geht in anderen Ländern auch anders. Dass du gerne zu dem Arzt deiner Wahl gehen möchtest, mag verständlich sein, entspricht aber doch nicht dem Prinzip der freien Arztwahl. Freie Wahl heißt doch nur, du musst nicht den nehmen, der dir vorgesetzt wird, sondern du kannst du einen suchen, der dich behandeln kann und will.

Du kannst doch von keinem Arzt verlangen, dass er jetzt extra Überstunden macht, nur weil Diamante vor der Tür steht. Wenn deine Autowerkstatt alle Termine an dem Tag schon voll hat, kannst du doch auch nicht darauf bestehen, dass die dich jetzt da einzuschieben haben oder Abends eine halbe Stunde länger arbeiten müssen. Dann muss man sich entweder rechtzeitig kümmern oder den Umkreis, den man bereit ist anzufahren, eben größer ziehen. Das mag sicherlich manchmal Umstände machen, aber mehr als Arbeiten können die Ärzte eben auch nicht.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Was heißt weit abschweifen? Ich kenne die Arztwahl, oder besser die nicht vorhandene in den Niederlanden und in Großbritannien aus eigener Erfahrung. Die freie Arztwahl bei Arbeitsunfällen ist dagegen erheblich weniger eingeschränkt. Denn bei den zugelassenen Durchgangsärzten hat man die Wahl und davon habe ich 22 in der Stadt. Genauso sind zwei Unfallkliniken in direkter Nähe. Das mag bei dir anders aussehen, aber bei mir passt das Beispiel halt schlecht.

» cooper75 » Beiträge: 13325 » Talkpoints: 497,57 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Weit abschweifen im geografischen Sinn. Ich würde mal frei heraus denken, dass den meisten Forumsnutzern Deutschland wesentlich näher ist als zum Beispiel Großbritannien. Ich würde aber auch einfach mal davon ausgehen, dass du bei 22 Durchgangsärzten in einer deutschen Großstadt leben wirst und wenn es doof läuft wahrscheinlich genauso lange fährst wie die meisten auf dem flachen Land, die 30 Kilometer zu ihrem Arzt fahren müssen.

Schlussendlich wollte ich auch nur darauf hinaus, dass es eben auch in Deutschland durchaus ein Verfahren ohne freie Arztwahl gibt. Und abgesehen davon kann die BG sogar anordnen, dass du zu bestimmten Durchgangsärzten gehen musst. Du hast auch zwischen deinen 22 Durchgangsärzten nicht immer die freie Arztwahl. Teilweise schickt dich die BG sogar zu einem speziellen Arzt zur Heilverfahrenskontrolle um zu schauen, ob wirklich alles so läuft, wie es laufen soll. Dagegen ist es, was die Arztauswahl angeht, beim Kassenpatienten doch der reinste Luxus. Da kannst du sogar durch das halbe Land fahren und dir bei einigen Diagnosen dann einfach kostenlos eine Zweitmeinung einholen.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Trotzdem kann ich in der Regel den Durchgangsarzt frei wählen, bzw. den Arzt ablehnen und einen anderen aufsuchen. Die gesetzliche Unfallversicherung steht weiter in der Leistungspflicht. Im Vergleich zu anderen Ländern ist die Arztwahl zwar eingeschränkt aber immer noch ziemlich frei.

» cooper75 » Beiträge: 13325 » Talkpoints: 497,57 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



cooper75 hat geschrieben:Die gesetzliche Unfallversicherung steht weiter in der Leistungspflicht.

Ja, damit hast du grundsätzlich erst einmal Recht. Aber primär legt ja die gesetzliche Unfallversicherung fest, ob sie überhaupt in der Leistungspflicht steht. Und wenn sie das anders sieht als du, dann kannst du dir lange dein Recht einklagen. Es mag vielleicht sein, dass das in anderen Ländern alles noch radikaler ist ohne Frage. Aber wie schon gesagt, die meisten Menschen hier dürften in Deutschland zum Arzt gehen und dürften eher weniger Kontakt mit ausländischen Gesundheitssystem haben. Da dürfte auch der Grund dafür sein, warum immer soviel über das deutsche Gesundheitssystem gemeckert wird und warum es eben solche Threads wie diesen hier gibt.

Man kann ohne Eintrittsgebühr zu jedem Facharzt gehen. Mittlerweile braucht man auch keine Überweisung mehr bei den meisten Fachärzten. Du kannst dir Zweitmeinungen einholen und wenn dir der Arzt nicht passt einfach einen anderen nehmen. Natürlich sitzt nicht in jeder Stadt und jedem Dorf überall gleich ein zweiter Arzt daneben. Aber das dürfte ja überall so sein. Jeder Arzt arbeitet eben so viel er kann und so viel wie er will. Eben so wie andere selbständige Unternehmer auch. Und trotzdem wird am Ende des Tages immer wieder gemeckert, dass alles schlecht sei.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Was hat das jetzt damit zu tun, ob die BG grundsätzlich meint, in der Leistungspflicht zu sein? Eigentlich ist mit der BG nicht anders als mit der gesetzlichen Krankenversicherung. Als Kassenpatient hast du freie Arztwahl unter den Ärzten mit Kassenzulassung. Hast du einen Arbeitsunfall, hast du freie Wahl unter den Durchgangsärzten. Willst du zu einem Arzt, der die entsprechende Zulassung nicht hat, ist der Leistungsträger raus. Anderswo hast du aber keine Wahl unter Ärzten, die grundsätzlich mit deinem Leistungsträger zusammenarbeiten. Das ist ein ziemlicher Unterschied.

» cooper75 » Beiträge: 13325 » Talkpoints: 497,57 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


cooper75 hat geschrieben:Hast du einen Arbeitsunfall, hast du freie Wahl unter den Durchgangsärzten.

Weil das eben so nicht stimmt. Jeder Hausarzt kann dich behandeln, wenn er meint er könne das. Die Krankenkasse legt nicht fest, welche Erkrankungen er behandeln darf. Bei der BG beziehungsweise den Unfallkassen sieht das anders aus. Hier gibt es klare Vorgaben, wer was behandeln darf. So darf dich auch nicht jeder Durchgangsarzt operieren. Hier gibt es mit dem Verletztenartenverfahren einen klaren Katalog, der festlegt wer was darf. Schwerste Verletzungen dürfen zum Beispiel in ganz Deutschland nur knapp 100 Kliniken versorgen und das bei gut 2000 Krankenhäusern insgesamt. Auch gibt es Vorgaben, was ambulant oder was stationär versorgt werden muss.

Solche Einschränkungen kennt die Krankenkasse nicht. Im Grunde kann man das schon darunter zusammenfassen, dass die Unfallkasse nahezu alles bezahlt und alles dafür tut, dass du wieder schnell zur Arbeit kommst, dafür aber eben nach klaren Richtlinien festlegt, wer dich behandeln darf. Dabei gilt der Grundsatz je einfacher die Verletzung, je freier die Wahl, je schwerer die Verletzung je mehr wird die freie Arztwahl eingegrenzt. Die Krankenkassen dagegen verfahren nach dem Motto, wir tun das was gerade so nötig ist um dich wieder halbwegs fit zu machen, dafür kannst du hingehen wo du hin willst. Das sind schon ganz klar zwei verschiedene Systeme und Herangehensweisen.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


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