Alkoholiker, weil man manchmal morgens trinkt?

vom 16.10.2010, 08:00 Uhr

Ich habe ja schon viel darüber gelesen, wie sich Alkolholismus definieren soll. Viele Aussagen sind auch sinnvoll. An einer jedoch störe ich mich ein wenig: Dass man gleich Alkoholiker sein soll, wenn man morgens Alkohol trinkt. Und doch lese ich das immer wieder. Ich hatte es dann mal so aufgefasst, dass diese Aussage bedeuten soll, dass man täglich schon morgens mit dem Alkoholkonsum anfange. Aber nein, sagte man mir, das hieße es nicht. Es sei genau wörtlich so gemeint: Alkoholismusgefährdet sei, wer von der Tageszeit her morgens Alkohol trinke, egal, ob er zu den anderen Tageszeiten auch etwas trinkt.

Ist das wirklich so sinnvoll? Müsste man das nicht differenzierter betrachten? Ich weiß, dass der menschliche Körper bei einem "normalen" Tag-Nacht-Rhythmus morgens stärker auf Alkohol reagiert. Aber kann man daraus gleich Alkoholismus schließen, nur, weil eine Person um die Uhrzeit Alkohol trinkt?

Ich muss da glatt daran denken, dass man in Nordeuropa im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit üblicherweise Bier zu vielen Mahlzeiten, auch zum Frühstück, trank. Das wären dann ja pauschal Alkoholiker oder Fast-Alkoholiker gewesen. Und ich wäre per definitionem auch Alkoholiker, weil ich von den vielleicht zwölf Malen, die ich im Jahr Alkohol trinke, oftmals morgens das Glas leere. Einfach, weil ich oft über Nacht wach bin und dann eben der Morgen mein Abend ist. Oder zählt das nicht mehr als Alkoholkonsum am Morgen, wenn ich davor schon 15 Stunden wach war und danach erst schlafen gehe? ;)

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Hallo,

ich denke nicht, dass jemand als "AlkoholikerIn" bezeichnet werden würde, wenn man einmal früh etwas getrunken hat. Außerdem ist davon wirklich von dem früh aufstehen die Rede, meiner Meinung nach. Wenn jemand aufwacht und wie andere ihren Kaffee trinken, derjenige dann erst einmal ein Bier brauch um in den Tag starten zu können. Es gibt ja auch genügend Leute die früh am morgen erst einmal gewisse Drogen brauchen, wie Speed oder Kokain, um wach zu werden. Selber würden sie sich aber wahrscheinlich immer als nicht gefährdet bezeichnen. Ich denke, dass die Fremd- und Selbsteinschätzungen oft sehr unterschiedlich sind.

Mein Vater ist von Beruf Suchtberater und hat sich auf das Thema Alkohol spezialisiert, dieser bezichtigt aber zum Beispiel jeden der Alkoholkrankheit, der ein ungewöhnliches Verhalten zum Alkohol aufweist. Daher denke ich, dass Leute, die früh am morgen trinken als "AlkoholikerIn" gelten, weil es einfach nicht üblich ist. Es ist nicht üblich früh am morgen etwas zu trinken. Es ist nicht auf die Uhrzeit bezogen, sondern auf das "trinken nach dem Aufstehen" bezogen.

Wenn die Gesellschaft anderes gewöhnt wäre, zum Beispiel dass man Frühs trinkt, dann würde man vielleicht als "AlkoholikerIn" gelten, weil man Abends trinkt? Außerdem denke ich, dass Spezialisten wahrscheinlich auch Leuten eine Krankheit zuweisen könnten, die jeden morgen ihren Kaffee brauchen. Trotzdem lässt sich keiner helfen. Die Alkoholkrankheit ist wahrscheinlich erstens gefährlicher und zweitens einfach viel präsenter und vielfältig verschieden einschätzbar.

Liebe Grüße

» .-thea-. » Beiträge: 264 » Talkpoints: 6,52 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Die Aussage, dass man als Alkoholiker gilt wenn man mal am Morgen Alkohol zu sich nimmt ist genauso sinnvoll wie die, dass man als Alkoholiker gilt wenn man regelmäßig trinkt. Dabei genügt es jeden 1. Sonntag des Monats mit dem besten Kumpel ein Bier trinken zu gehen, eben weil es regelmäßig ist. Theoretisch wäre also auch jemand Alkoholiker, der jedes Jahr an Sylvester ein Glas Sekt trinkt – also Schwachsinn!

Da wir ja nun nicht mehr im von Dir angesprochenen Mittelalter leben und es in unserer Gesellschaft untypisch ist, am Morgen schon Alkohol zu konsumieren, wird derjenige, der es dann eben doch tut, mal schnell zum Alkoholiker. Wobei es sich hier rein um eine Definition handelt und nicht um eine Diagnose. Wer also am Vatertag schon in aller Frühe los zieht und sich einen Frühschoppen genehmigt, ist genauso wenig ein Alkoholiker wie derjenige, der sich an einem Freitagabend ein Feierabendbier gönnt.

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» ichwars » Beiträge: 562 » Talkpoints: 3,76 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Im Mittelalter wurde nach Möglichkeit rund um die Uhr Alkohol getrunken und auch an die Kinder verabreicht weil das normale Trinkwasser verunreinigt war und sich beispielsweise die Latrinen direkt neben dem Brunnen befanden. Allerdings ist der Alkoholgehalt von damals nicht mit dem heutigen Bier und Wein zu vergleichen.

Ich habe eigentlich bei diesem frühzeitigen Beginn des Alkoholkonsums einen anderen Gedanken. Für mich persönlich ist jemand ein Alkoholiker dessen Gedanken ständig um den Alkohol kreisen und der auch den Wunsch verspürt diesem Verlangen nachzugeben, egal wie spät oder früh es gerade ist. Wenn jemand aufsteht und zum Frühstück Alkohol konsumiert dann waren seine Gedanken schon die ganze Nacht beim Alkohol und er ist nicht stark genug dem Verlangen zu widerstehen. Genau wie bei einem Raucher der mitten in der Nacht aufsteht um eine Zigarette zu rauchen oder der noch vor dem Frühstück raucht. Hier ist für mich die Sucht genauso offensichtlich wie beim Frühtrinker. Er meint ohne dieses Genussmittel nicht in den Tritt zu kommen, für mich ein starkes Zeichen.

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» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



hooker hat geschrieben:Wenn jemand aufsteht und zum Frühstück Alkohol konsumiert dann waren seine Gedanken schon die ganze Nacht beim Alkohol und er ist nicht stark genug dem Verlangen zu widerstehen. Genau wie bei einem Raucher der mitten in der Nacht aufsteht um eine Zigarette zu rauchen oder der noch vor dem Frühstück raucht. Hier ist für mich die Sucht genauso offensichtlich wie beim Frühtrinker. Er meint ohne dieses Genussmittel nicht in den Tritt zu kommen, für mich ein starkes Zeichen.


Und wie kommst du auf deine beiden Thesen, also dass Leute, die morgens Alkohol konsumierten, ohne nicht "in den Tritt" kämen, und dass sie die ganze Nacht an Alkohol hätten denken müssen? Ich weiß ja nicht, vielleicht machst du aus deiner persönlichen Sicht eine Verallgemeinerung, aber mir erschließen sich die Thesen eben nicht.

Denn, wer sagt, dass die Leute das trinken, um wach zu werden, und nicht des Geschmacks wegen? Und wieso müssen sie schon die ganze Nacht daran gedacht haben? Wenn ich mir morgens einen Thymiantee mache, habe ich ja auch nicht die ganze Nacht daran gedacht. Im Gegenteil, ich stelle mich morgens in die Küche und suche mir spontan etwas, was mir gerade schmeckt. Wieso sollte das bei einigen Leuten dann nicht halt ein Bier sein?

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


ichwars hat geschrieben:Die Aussage, dass man als Alkoholiker gilt wenn man mal am Morgen Alkohol zu sich nimmt ist genauso sinnvoll wie die, dass man als Alkoholiker gilt wenn man regelmäßig trinkt. Dabei genügt es jeden 1. Sonntag des Monats mit dem besten Kumpel ein Bier trinken zu gehen, eben weil es regelmäßig ist. Theoretisch wäre also auch jemand Alkoholiker, der jedes Jahr an Sylvester ein Glas Sekt trinkt – also Schwachsinn!.

Du hast absolut keine Ahnung, denn du weißt überhaupt nicht was ein Alkoholiker ist. Nimmt man regelmäßig Alkohol zu sich, ist man auf jeden Fall als alkoholgefährdet anzusehen. Diesen Zustand haben wir, wenn jemand nämlich jeden Tag seine Feierabendbiere trinkt. Erhöht er dann noch seinen Konsum darüber hinaus ist er ein Alkoholiker.

Weiterhin geht ein Alkoholiker kaputt, wenn er zu einer bestimmten Zeit keinen Alkohol bekommt. Man muss allerdings immer das gesamte Trinkverhalten dabei betrachten, wenn man von einen Alkoholiker spricht. Es ist eben eine Sucht und nichts anderes.

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» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Ich hatte zwar extra zweimal betont dass es sich um meine persönliche Sicht handelt, aber nun ja.

Vielleicht liegt es daran dass ich noch niemals gehört habe dass man von Thymiantee süchtig werden kann und weil darin nun einmal kein Alkohol enthalten ist. Wer am frühen Morgen ein Bier trinken möchte weil er den Geschmack liebt könnte doch auch zu einem alkoholfreien Bier greifen. Wer das nicht macht der ist nach meinem Verständnis doch eher auf die Nebenwirkungen dieses Getränkes scharf. Er muss sicherlich nicht die ganze Nacht an Bier gedacht haben aber auch der automatische Griff zur Frühstücksflasche ist für mich dasselbe und sogar fast noch schlimmer weil man nicht mehr darüber nachdenkt..

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» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Alkoholfreies Bier ist doch nicht wirklich komplett alkoholfrei. Es besitzt einen sehr geringen Restalkoholgehalt, aber der ist definitiv vorhanden. Bei Alkoholsüchtigen reicht die Menge unter Umständen schon für einen Rückfall. Also Alkohol beinhaltet sowohl "normales" als auch "alkoholfreies" Bier, nur eben in unterschiedlicher Menge.

Aber na gut, ich kenne mich mit Bier nicht so gut aus, daher nehme ich jetzt mal an, dass Bier gleich schmeckt, egal, ob "alkoholfrei", oder nicht. Natürlich könnte man da jetzt sagen, morgens kann jemand, der Biergeschmack haben möchte, dann halt zum alkoholfreien Bier greifen (wenn er denn welches zuhause hat und nicht einfach immer nur "normales" kauft), wenn das auch nicht anders schmeckt, als nicht alkoholfreie Biere. Aber was, wenn dem Menschen nach Holunderschnaps dürstet, oder nach Wein? ;) Da gibt es ja keinen alkoholfreien Ersatz.

Ich sehe da halt irgendwie keinen Unterschied, ob man Alkohol morgens oder abends, oder auch mitten in der Nacht konsumiert. Das mag daran liegen, dass ich persönlich Alkohol immer nur des Geschmacks wegen trinke, wenn ich denn die paar Male im Jahr überhaupt Alkohol trinke. Aber da ist es mir dann echt völlig egal, ob das abends oder morgens ist.

Wenn ich frei habe, dann trinke ich meinentwegen auch direkt morgens einen Schnaps, wenn ich danach sowieso keine Verpflichtungen habe. Andererseits war ich noch nie in meinem Leben betrunken. Ich weiß auch gar nicht, ob man von einem Glas Magenbitter oder sowas überhaupt betrunken werden kann. Also, ob das dann bei einem Bürojob beispielsweise, den man zwei Stunden später beginnt, hinderlich wäre.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Zwischen einem Menschen der gefährdet ist und zwischen einem Alkoholiker ist doch noch ein Unterschied, oder meint ihr nicht? Nicht jeder der suizidgefährdet ist, wird zum Selbstmörder und nicht jede Frau, die potentiell ja dazu in der Lage ist Kinder zu gebähren, wird Mutter.

Ab wann wer krankhaft ein Alkoholiker ist, ist an sich festgelegt. Es gibt von der Weltgesundheitsorganisation genaue Kriterien, von denen mindestens drei Kriterien erfüllt sein müssen, um von einem Alkoholiker zu sprechen. Ich meine hier bewusst, die Menschen die wirklich alkoholkrank sind und nicht nur diejenigen, die nach eigenen Kriterien in diese Schublade gepresst werden!

Ich habe zu dem Thema mal lange mit meinem Arzt gesprochen. Eben weil ich auch Fälle im Umfeld habe, was sich nicht vermeiden lässt ( zumindest in meinem Fall). Mein Arzt ist außerdem ebenfalls mit genau den Menschen in Kontakt, weil er der Oberarzt einer Klinik ist, vor allem im Bereich Entgiftung etc. Ich habe hier schon mal geschrieben, ab wann man aus klinischer Sicht, beziehungsweise halt ab wann man aus ärztlicher Sicht davon spricht, dass jemand ein Alkoholiker ist. Zu finden ist das hier Ab wann ist Mann/ Frau Alkoholiker?.

Ganz generell einfach zu sagen, wer morgens Alkohol trinkt, ist eindeutig Alkoholiker, halte ich für falsch. Da sollte man doch mal die Hintergründe ein wenig beleuchten. Der "normale" Mensch steht morgens bis etwa acht Uhr auf und geht dann zur Arbeit, kommt irgendwann nach Hause und trinkt eventuell halt am Abend sein Feierabendbier. Um da nun von Alkoholismus zu sprechen, müssen halt noch mehr Faktoren zutreffen und auch die Menge ist entscheidend. Aber darauf wollte ich gar nicht hinaus. Das was ich eben beschrieb, ist der Tagesrhythmus, denn die meisten kennen und den die meisten wohl für richtig halten oder so. Also für die meisten Menschen ist dieser Tagesrhythmus normal und Standard. Und im beschriebenen Fall ist das Feierabendbier zumindest weitgehendst gesellschaftlich anerkannt. Zumindest stören sich die wenigsten Menschen daran.

Es gibt aber nun mal Menschen, die einen ganz anderen Tagesrhythmus haben. Dafür kann es viele Gründe geben. Nehmen wir einen relativen Standardfall. Wenn jemand nur Nachts arbeitet, sagen wir von 23 Uhr bis 7 Uhr. Dieser Mensch wird wahrscheinlich dann einen Großteil des Tages schlafen. Vor der Arbeit Alkohol zu trinken, ist je nach Job nicht sonderlich gut. Ich halte es generell für nicht gut. Wenn der Mensch dann von der Arbeit nach Hause kommt und sein Feierabendbier trinkt, ist es aber erst um die 8 Uhr. Genau die Zeit, laut der man, wenn man den meisten Aussagen hier glauben schenken mag, Alkoholiker ist. Dabei ist nur der Tagesrhythmus verschoben. Für den Mensch der Nachts arbeitet, ist 8 Uhr morgens, wie für andere Menschen 8 Uhr Abends. Aber da wird mit Abscheu drauf geschaut und man gilt als Alkoholiker.

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge


Bei solchen generellen Aussagen ist eigentlich immer das Problem, dass es Ausnahmen gibt. Man kann das leider nicht so verallgemeinern, finde ich. Ob jemand Alkoholiker ist oder nicht kann man wohl nur in jedem Einzelfall gesondert entscheiden und sicherlich nicht über solche "Regeln". Nicht jeder, der bereits morgens Alkohol trinkt ist gleichzeitig auch an Alkoholismus erkrankt. Allerdings trifft dies wohl dennoch meistens zu, würde ich behaupten.

Selbstverständlich ist es schon mal so, dass man morgens zu einem Brunch oder ähnlichem eingeladen ist und aus diesem Grund auch etwas Alkohol trinkt. Andererseits ist es mit Sicherheit öfter so, dass Alkoholismus Erkrankte morgens schon auf Ihren Pegel kommen müssen und deshalb trinken. Es ist wie mit Allem im Leben: Ausnahmen bestätigen die Regel! :)

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» Prinzessin_Erika » Beiträge: 2010 » Talkpoints: 6,28 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


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