Die "alten" Märchen wirklich grausam für Kinder?

vom 18.01.2010, 20:22 Uhr

In dem Thread hier Ideen zum Projekt Märchen im Kindergarten gesucht! ist mir aufgefallen, dass doch einige Meinungen sind, dass man Kindern die alten Märchen von zum Beispiel der Gebrüder Grimm, den Kindern nicht zumuten sollte oder dass sie einfach grausam sind.

Ich bin mit den "alten" Märchen aufgewachsen und ich muss sagen, dass ich die Märchen, wie "Hänsel und Gretel" und "Rotkäppchen", sowie "Der Wolf und die sieben Geißlein" toll fand. Ich habe mir auch als Kind die Oper "Hänsel und Gretel" angeschaut und fand sie einfach toll.

Den Kindern früher haben diese Märchen nicht geschadet. Warum glauben aber viele, dass den heutigen Kindern diese Märchen nicht gefallen oder gar schaden würden? Sicher ist es nicht schön, wenn die Eltern die Kinder aussetzen oder der Wolf das Rotkäppchen und die Großmutter in einem Stück verspeisen. Aber die Märchen gehen doch alle gut aus. Das Gute siegt und das Böse stirbt.

Findet ihr die "alten" Märchen wirklich zu grausam für die Kinder der heutigen Zeit? Wenn ja, woran liegt es, dass sich früher keiner darüber Gedanken gemacht hat und kein Kind einen seelischen Schaden davon getragen hat?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Ich bin Kindergärnterin und wir starten demnächst das Projekt Märchen im Haus. Wir haben nun allesamt darüber gesprochen und versuchen uns die Märchen auszusuchen, die nicht ganz so grausam sind. Ich denke, dass die Kinder heutzutage die Märchen grausamer empfinden als früher, weil sie sich einfach noch viel mehr darunter vorstellen können.

Früher war es sehr abstrakt, wenn man erzählt hat, dass der Wolf die Geißlein gefressen hat. Heute verbinden die Kinder eine solche Aussage gleich mit einem Videospiel oder einem Film und haben eine viel lebhaftere Vorstellung davon. Ich denke, dass es auch vielen Eltern so geht. Ich habe selbst als Kind gerne Märchen gehört und hatte nie wirklich Angst davor. Heute muss ich aber sagen, dass ich die Märchen teilweise schon als sehr arg und brutal empfinde.

Dennoch würde ich persönlich nicht ganz darauf verzichten, Märchen zu erzählen. Ich denke, dass es reicht, wenn man das Märchen bzw. die böse Gestalt ein wenig abschwächt oder nicht ganz so sehr ins Detail geht. Auch besteht natürlich die Möglichkeit, dass man das Märchen selbst ein wenig abändert, sodass die Kinder keine Angst davor haben.

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» Nipfi » Beiträge: 3076 » Talkpoints: 8,28 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Hallo!

Ich bin ebenfalls mit solchen alten Märchen aufgewachsen und mir hat es ganz und gar nicht geschadet. Ich habe als Kinder gerne Märchen gehört und gelesen. Meistens hatte ich sie als Märchen - Kassetten und habe sie dann über einen Walkman gehört.

Wenn ich mal Kinder habe, würde ich ihnen auch die alten Märchen vorlesen oder sie die Märchen im Fernsehen schauen lassen. Ich denke, da alle Märchen gut ausgehen, hat man da nicht viel zu befürchten. Da wird so manches Videospiel oder Kinderbuch gruseliger sein. Ich finde es eher schon traurig, dass solche Märchen den Kindern heute, Angst machen sollen. Da sollte man sich wirklich bei manchen Spielen mehr Sorgen machen.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Ich verstehe auch nicht warum die ganzen alten Märchen auf einmal alle schlecht sein sollen. Auch ich bin mit der "brutalen" Märchenwelt aufgewachsen. Der böse Wolf frisst Rotkäppchen und die Großmutter und wird später vomJäger aufgeschnitten und mit Wackersteinen gefüllt und wieder zugenäht. Aus der Sicht eines Erwachsenen hört sich das sicherlich brutal an, aber ein Kind sieht das doch nicht. Wir stellen uns unter fressen etwas absolut blutiges und grausames vor, für mich als Kind früher war es aber eher so das der Wolf die einfach verschluckt hat und die dann lustig im Bauch gluckerten.

Kinder sehen diese Ereignisse in den Märchen doch aus einer ganz anderen Sicht und die meisten jetzt Erwachsenen sind auch mit diesen Märchen problemlos aufgewachsen. So manches Kind wird sich bei einer Geschichte sicher fürchten oder die nicht ganz so mögen, aber das tritt wohl denke ich eher weniger auf, da wie gesagt Kinder sich das ganz anders vorstellen.

Außerdem kann man Kindenr niemals von allem fernhalten. Sie fallen mal Hin und schlagen sich das Knie auf, oder sehen dieses bei einem anderen Kind, das könnte das Kind dann doch auch als zu brutal empfinden. Da sind Märchen doch nichts gegen, die haben doch fast immer ein gutes Ende und so lange man nicht gerade die Originalversion der kleinen Meerjungfrau nimmt ist das wohl voll in Ordnung.

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» pichimaus » Beiträge: 2016 » Talkpoints: 6,99 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Ich denke, und auch in meiner pädagogischen Ausbildung haben wir Märchen sehr lange bearbeitet, dass Märchen, wenn sie erzählt werden, Kindern überhaupt nicht schaden. Die Kinder stellen sich ja nur das vor, was sie sich vorstellen möchten. Wenn ich jetzt erzähle, dass die Großmutter vom bösen Wolf gefressen wurde, dann muss sich ja das Kind nicht unbedingt etwas blutrünstiges darunter vorstellen, sondern eben einfach, dass die Großmutter jetzt im Bauch vom Wolf ist.

Anders wird die Sache dann, wenn ein Film dazu gezeigt wird. Ich jedenfalls hatte lange Albträume, als ich den Film "Hänsel und Gretel" angesehen habe und finde ihn noch heute grausam. Hier kann man sich einfach nicht selber vorstellen, was man sehen möchte und das kann als Kind sehr schokierend sein. Ich finde dieses Märchen auf Video heute noch sehr, sehr grausam und könnte es niemandem empfehlen.

Also fassen wir kurz zusammen. Das Erzählen der Grimms Märchen oder der Märchen von Ludwig Bechstein ist für Kinder nicht grausam, wohl aber, wenn die Kinder dasselbe Märchen in verfilmter Fassung zu Gesicht bekommen würden.

» nordseekrabbe » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Ob alte oder neue Märchen, es ist sowieso immer das selbe. Es gibt Gute und es gibt Schlechte. Das Schlechte, möchte dem Guten etwas wegnehmen, oder etwas machen, doch zum Schluss siegt immer das Gute. Das ist es doch was ein Märchen ausmacht! Ich habe auch keinen Schaden davongetragen, weil ich mir die Märchen angehört habe, bzw. später als ich größer war angeschaut habe. Meine Kinder haben sich auch nie gefürchtet.

Es gibt aber auch Kinder, die sogar vom Winnie Puh Angst haben. Darum denke ich mir, das es wirklich nur eine Sache der Eltern ist, diese Märchen ihren Kindern zu erzählen. Diese wissen am besten, was das Kind verträgt, und ob es auch damit zurecht kommt, wenn im Märchen etwas "schreckliches" passiert.

» Redangel » Beiträge: 1289 » Talkpoints: 2,82 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich denke nicht, dass die traditionellen Märchen zu grausam für Kinder sind. Ehrlich gesagt glaube ich gar nicht, dass kleine Kinder sich überhaupt wirklich vorstellen, dass nun die Großmutter gefressen wird oder die Kinder im Wald ausgesetzt werden. Das erste Mal hört man diese Märchen ja normalerweise in einem Alter, an das man sich später gar nicht mehr erinnern kann, man weiß aber schon, dass man die Geschichte schon mal gehört hat und daher auch, dass am Ende alles gut wird. Insofern machen sich Kinder, glaube ich, gar keine Gedanken darüber, was da gerade schreckliches passiert, weil sie einfach schon wissen, dass das am Ende irrelevant ist. Und wenn die Kinder dann etwas älter sind und sich vielleicht wirklich damit außeinander setzen, was passiert, verstehen sie auch schon, dass es sich lediglich um Geschichten handelt, die nicht der Wahrheit entsprechen.

Sehr interessant zu diesem Thema ist das Buch "Kinder brauchen Märchen" von Bruno Bettelheim. Der Autor erklärt in diesem Werk die Symbolik von Märchen und zeigt anhand vieler konkreter Beispiele, wie die Geschichten tatsächlich für die verschiedenen Entwicklungsstadien von Kindern und Problematiken, die Kinder beschäftigen, stehen.

» channale » Beiträge: 1371 » Talkpoints: 37,37 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Also beim besten Willen, ich finde nicht, dass die normal gängigen Märchen zu grausam für Kinder sind. Unsere Klassenlehrerin hat uns in der 5. Klasse mal ein abschreckendes Beispiel der grimm' schen Märchen vorgelesen. Darin suchte das Kind irgendetwas in einer Kiste und die böse Mutter oder Stiefmutter schlug den Deckel zu, sodass der Kopf abging. Das fand ich dann doch ganz schön heftig und sowas würde ich von Kindern auch fernhalten, aber Hänsel und Gretel, die 7 Geißlein, Schneewittchen, Frau Holle, etc. das sind doch alles keine Geschichten, die Kinder jetzt als grausam und gruselig empfinden. Ein bisschen schaurig ist das schon, aber ich kenne kein Kind, was da je angefangen hätte zu schreien und zu weinen. Ein bisschen Gruseln fand ich eigentlich ganz spannend, die anderen Kinder auch, soweit ich mich entsinnen kann. Kinder sind doch nicht aus Zucker, es sei denn man hat sie zu solchen Geschöpfen gemacht.

Früher als Kind habe ich mir einfach nichts dabei gedacht, wenn es hieß, der Wolf hat die Großmutter gefressen. Das war eben so und da es ein Märchen war, war mir auch bewusst, dass das alles nicht real ist und ich keine Angst haben brauche. Ich hätte auch nie eine Sekunde damit verschwendet, Angst bei einem Märchen zu empfinden. Schlimm fand ich dann noch Ali Baba und die 40 Räuber, als sie den dicken Freund von Ali Baba zerstückelt und die Reste in einen Teppich gewickelt haben, den er dann auf einen Esel nach Hause transportiert hat. Das fand ich widerlich, als ich lesen konnte und auf die Geschichte stieß in irgendeinem Buch.

Sowas sehe ich ja ein, aber die altbekannten Märchen gehen schon seit hunderten Jahren gut, die Kinder lernen dabei, denen macht das bisschen Gruseln auch Spaß und Fantasie entwickelt sich auch, natürlich keine arg grausame, eher eine märchenhafte. Ich weiß nicht, warum man jetzt plötzlich so ein Theater macht. Lieber sollte man den Kindern mehr Märchen vorlesen, als sie an den Fernseher oder an den PC zu schicken. Da liegt nämlich das eigentliche Übel.

» Mandragora » Beiträge: 1763 » Talkpoints: 0,49 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


wirreszeug hat geschrieben:Also fassen wir kurz zusammen. Das Erzählen der Grimms Märchen oder der Märchen von Ludwig Bechstein ist für Kinder nicht grausam, wohl aber, wenn die Kinder dasselbe Märchen in verfilmter Fassung zu Gesicht bekommen würden.

Genauso sehe ich das auch. Es ist einfach so, dass beim Vorlesen von Geschichten und eben auch Märchen ein bestimmtes Bild vor den Augen des Kindes entsteht. Und das ist ohne die Erfahrung aus der Sicht eines Erwachsenen ein ganz anderes. Es sei denn, es ist durch Fernsehen oder andere Medien schon geprägt. Davon will ich aber mal nicht ausgehen, da ich meinem Kind auch eher vorlese als es vor den Fernseher zu setzen.

Ein kleiner Beweis? Ich habe mir gerade mal unser Märchenbuch vorgenommen und die oben genannten Märchen nachgelesen. Hänsel und Gretel verirren sich zwar und sind bei der Hexe in Gefahr, aber eine wirkliche detaillierte Beschreibung der Gefahr ist nicht enthalten;in Rotkäppchen verschluckt der Wolf die Großmutter und verschlingt das Rotkäppchen, von detaillierten Beschreibungen des Vertilgens ist nichts zu lesen; auch in Der Wolf und die sieben jungen Geißlein werden die Geißlein lediglich ganz allgemein verschluckt. Was stellt man sich denn ohne die Erfahrung eines Erwachsenen vor? Definitiv nicht so etwas Grausames wie wir Erwachsenen!

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Ich glaube auch, dass zumindest die klassischen Märchen auf Kinder nicht wirklich grausam wirken. Ich habe mir früher auch ab ca. dem 3. Lebensjahr Märchen-Horspielkassetten angehört und kann mich nicht erinnern, dass mich das irgendwie verängstigt hätte.

Meist werden die Märchen ja auch sehr kindgerecht erzählt, sprich mit einer sanften, ruhigen Stimme, auch das spielt mit Sicherheit eine Rolle, denn die Hintergrundmusik und die Stimme tragen ja auch erheblich zur Atmosphäre bei, die im Gegensatz zum Inhalt der Märchen unterbewußt vom Kind wahrgenommen wird.

Auch werden die meisten Handlungen in den Märchen ja nicht in allen Details angeführt. Bestimmte grausame Details, die sich ein Erwachsener ausmalen könnte, werden schlichtweg nicht erwähnt. Gerade der erwähnte Aspekt des "Fressens" ist so ein Beispiel. Die meisten Kinder finden das "Fressen" eher witzig, mein Sohn zumindest gehört zu der Kategorie, der sich jedes Mal eher kaputttlacht, auch wenn es um Raubtiere im Zusammenhang mit Beute geht.

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» netti78 » Beiträge: 3238 » Talkpoints: 18,35 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


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