Es jedem Recht machen wollen

vom 27.09.2011, 23:09 Uhr

Diamante hat geschrieben:Kennt ihr das Gefühl, dass ihr es jedem Recht machen wollt und euch selber dabei irgendwie vergesst?


Jein: ich kenne dieses Gefühl zwar, weil ich es auch lange Zeit hatte und oft, wenn auch nicht immer, versucht habe, es vielen Leuten recht zu machen, um Konfrontation und Auseinandersetzung zu vermeiden, aber ich musste dann auch die bittere Erfahrung machen, dass das überhaupt nichts bringt, weil man es einerseits eben nicht jedem recht machen kann und es andererseits auch solche Menschen gibt, die trotzdem alles als falsch empfinden, was man ihnen recht machen wollte, demnach also ständig etwas auszusetzen haben und einem die Konfrontation und die Auseinandersetzung, die man vermeiden wollte, dennoch bescheren.

Eskaliert ist das in meinem Fall dann irgendwann im Berufsleben und ich musste mich in eine Therapie begeben, die mir wirklich gut dabei geholfen hat, meine eigenen Bedürfnisse herauszufinden, nicht aus den Augen zu verlieren und auch entsprechend meine Grenzen zu setzen. Das ist ein wichtiger Schritt gegen dieses Verhalten, es jedem recht machen zu wollen und sich selbst dadurch auch immer ein Stück weit aufzugeben, aber eben noch nicht die ganze Miete. So musste ich auch mühsam lernen, wirklich an mir zu arbeiten und diese Grenzen, die ich gesetzt habe, meinem Umfeld bekannt zu machen, mich also konkret zu verändern. Ich denke, dass das auch in gewisser Weise wirklich eine Veränderung war, die ich da durchgemacht habe, allerdings kam längst nicht jeder mit dieser Veränderung klar und ich habe in diesem Zuge auch einige Beziehungen zu Freunden und Bekannten beendet.

Dass ich aus diesem Fehlverhalten, denn so empfinde ich das definitiv, auch ohne fremde Hilfe rausgekommen wäre, glaube ich weniger, denn ich war mir der Tatsache, dass ich mich nicht behaupten kann, weil ich es lieber jedem recht mache und das im Prinzip nichts anderes als eine Vermeidungshaltung aus Angst vor Schlimmerem ist, ja durchaus bewusst, konnte aber allein nichts daran ändern, weil ich wie in mir gefangen war. Meine Therapie hat mir da durchaus wertvolle Verhaltensweisen meinerseits aufgezeigt, Ursachen erforscht und hilfreiche Tipps an die Hand gegeben, um für mich etwas Wichtiges zu ändern und mir mein Leben so auch bedeutend leichter zu machen.

Ich kenne durchaus auch noch andere Menschen, die ein ähnliches Problem haben. Meine beste Freundin gehört beispielsweise auch zu den Menschen, die anderen gern alles recht machen wollen, wobei sie sich da mittlerweile auch auf einen engeren Kreis bezieht und es nicht wirklich jedem recht machen will, weil sie das nicht mehr kann. Vermutlich ist in ihr selbst schon so eine Überforderung entstanden, dass sie diesem Druck, der sich aus ihrem Verhalten ergibt, nur noch standhalten kann, wenn sie ihren Fokus verkleinert, also auch den Personenkreis, auf die sich ihr Verhalten bezieht. Ich versuche ihr, wenn sie mir darüber ihr Leid klagt, durch gezielte Fragestellungen vor Augen zu halten, was sie damit bei sich selbst anrichtet und was sich alles nicht zum Positiven hin verändert. Hier und da zeigt das auch Wirkung, allerdings sehen und hören oder lesen wir uns nicht sonderlich häufig, sodass ich höchstens der Tropfen auf dem heißen Stein sein kann, wenn überhaupt.

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» moin! » Beiträge: 7218 » Talkpoints: 22,73 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Ich kenne das leider auch sehr gut und mich nervt das wirklich. Bei meiner Freundin ist es beispielsweise oft so, dass sie unbedingt das und das machen will und ich da überhaupt keine Lust darauf habe. Ich mache das aber dann trotzdem meistens, weil sie mich dann die ganze Zeit belabert und mir ein schlechtes Gewissen macht und ich es ihr eben Recht machen will, auch wenn mir das auf den Keks geht. Das geht schon so weit, dass ich ihr öfters aus dem Weg gehe und mich allgemein zurück ziehe, weil ich da keine Lust mehr zu habe. Ist also auch sehr belastend für die Freundschaft, aber damit muss man wohl leben. Ich habe nämlich auch keine Lust immer mich selbst zu verraten, um es anderen Recht zu machen. Aber früher habe ich das immer gemacht.

Bei meinen Eltern ist das oft auch so, dass ich etwas machen soll, wozu ich eigentlich keine Lust habe und mich dann selbst vergesse und gar nicht mehr zur Ruhe komme. Früher hatte ich dann auch immer ein sehr schlechtes Gewissen, wenn ich eine Erwartung nicht erfüllen konnte, aber inzwischen habe ich auch eine ordentliche Ambiguitätstoleranz entwickelt und kann das ganz gut ab, wenn ich auch mal eine Erwartung nicht erfülle.

» Wunschkonzert » Beiträge: 7184 » Talkpoints: 42,56 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


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