Grabbesuche werden weniger

vom 14.06.2011, 09:08 Uhr

Als meine Mama damals gestorben ist, war ich eigentlich regelmäßig auf dem Friedhof um sie mehr oder weniger zu besuchen und um zu schauen, das das Grab noch ordentlich aussieht. In laufe der Jahre habe ich festgestellt das die Besuche weniger geworden sind. Warum genau, weiss ich auch nicht genau.

Geht es euch auch so oder geht ihr immer noch verstärkt zu euren Verstorbenen? Liegt es eventuell daran, das der Schmerz nicht mehr ganz so schlimm ist und man sich mittlerweile auf andere Sachen konzentriert?

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» alkalie1 » Beiträge: 5526 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Mein Vater ist Ende 2009 verstorben. Allerdings wurde er auf eigenen Wunsch anonym beerdigt, so das keine Grabpflege erforderlich ist. Daher gehe ich nur zu seinem Geburtstag an die Stelle wo seine Urne ist. Auch bei meinen Großeltern war ich seit Jahren nicht mehr Grab. Dort ist eine Grabplatte drauf und auch keine Pflege erforderlich.

Das es mit dem weniger werdenden Schmerz zu tun hat, kann ein Grund sein. Aber Trauer drücke ich nicht damit aus, das ich oft ans Grab gehe. Und ich denke sehr viel an meinen Vater und auch meinen Opa. Vor allem bei Dingen, wo mir ihre Meinung immer sehr wichtig war und ich halt dann darüber nachdenke, was sie von meinen Plänen halten würden.

Warum die Besuche seltener werden, kann bei dir sicherlich ganz andere Gründe haben, als bei mir. Zumal ich eben auch 150 Kilometer von den Gräbern entfernt wohne und gar nicht so oft in die Orte komme. Und wenn ich mal dort bin, sind eben andere Dinge wichtiger, als auf den Friedhof zu gehen.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Nächsten Samstag ist der Vater meiner Freundin 10 Jahre tot. Er ist damals an einem Herzinfarkt im Alter von 36 Jahren verstorben. Die Mutter meiner Freundin ging die ersten Jahre jeden Tag zum Friedhof. Inzwischen geht sie nur noch an besonderen Tagen. Allerheiligen, Weihnachten, Geburtstag, Todestag etc. Bei der Mutter meiner Freundin liegt es zum Teil auch daran, dass sie jetzt umgezogen sind und der Friedhof 20 km weit entfernt ist. Das wären dann pro Tag 40 km, die ja auch schon ganz schön auf den Tank gehen. Wieso es allgemein aufgehört hat, kann ich euch leider nicht sagen. Meine Freundin hat sich noch nie etwas daraus gemacht, ihren Vater auf dem Friedhof zu "besuchen". Sie fühlt sich auf dem Gelände generell unwohl und findet es auch sinnfrei, einen leblosen, verbrannten Körper zu besuchen.

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» Malcolm » Beiträge: 3256 » Talkpoints: -1,99 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Ich bin von Anfang an nicht wirklich oft an das Grab meiner Mutter. Was sich aber ein mal halt einfach so ergeben hat und dann gaben mir die Grabbesuche auch nichts. Für mich war es umständlich an den Friedhof zu kommen. Dann sagte mein Bruder recht bald, dass er die Grabpflege macht und wir die Finger davon lassen sollen. Da ich damals unter dem Hartz 4 Satz lebte, hatte ich dafür eh kein Geld übrig. Und ich war kurz nach dem Tod meiner Mutter im Krankenhaus, da fielen dann regelmäßige Besuche eh weg.

Mein Vater und mein Bruder sind die erste Zeit öfters am Grab gewesen. Mein Vater weil er öfters auf den Friedhof fährt. Mein Bruder ist sooft zum Grab, weil es da bald Hochsommer war und die Blumen regelmäßig versorgt werden mussten. Denn unser Vater hat die Pflanzen bei seinen regelmäßigen Besuchen nie gegossen. Mittlerweile ist das Grab komplett zugemacht worden mit einer Steinplatte. Da steht nicht mehr regelmäßig was drauf. So wurden wohl auch die Besuche meines Bruders weniger. Mein Vater ist seit ein paar Jahren in Rente und es gehört zu seinem Wochenablauf auch regelmäßig zum Grab zu gehen.

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge



Ich bin noch nie regelmässig zu den Gräbern meines Bruders und meiner Mutter gegangen, weil gerade in den ersten Jahren nach dem Tod der Beiden es einfach sehr schmerzhaft gewesen ist und ich jedesmal tierisch mit den Tränen zu kämpfen hatte. Einerseits war es traurig und schmerzhaft, aber andererseits wäre eine Konfrontation gar nicht mal das Schlechteste gewesen, wobei ich inzwischen anders damit umgehe und ohne Tränen zu vergiessen auf den Friedhof und zu deren Gräbern gehen kann.

Nun wohne ich aber auch gute 300 km vom Friedhof entfernt und bin nicht so oft dort in der alten Gegend aufzufinden. So sind die Friedhofsbesuche eben auch extrem reduziert, aber ich denke und trauere nach wie vor tief in mir und die Trauer lässt sich nicht an der Anzahl der Besuche messen. Nur wird so etwas aber gerade im Dorf gern mal als Anlass genommen, um sich aufzuplustern.

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» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge


Mein Vater ist vor fast 12 Jahren gestorben, ich gehe seitdem ca. 1 Mal in der Woche zu Friedhof. Ich bin anfangs nicht öfter gegangen, weil ich damals kein Auto hatte und niemand da war, der mich fahren konnte. Da der Friedhof außerhalb der Stadt liegt, ging es nicht ohne ein Auto, also konnte ich auch nicht häufiger dort hin gehen.

Heute wohne ich ein Stück weiter weg, aber dennoch versuche ich immer einmal in der Woche dorthin zu gehen. Bei uns ist es auch so, dass ich den Friedhof pflege, deshalb allein schon muss ich öfter hin. Mir bereitet es kein gutes Gefühl, wenn ich nicht weiß, wie der Friedhof aussieht. Ich gehe weniger hin, weil ich meinen Vater besuchen möchte oder weil ich trauere. Sicherlich bin ich noch traurig, aber nach so vielen Jahren sitzt der Schmerz nicht mehr ganz so tief.

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» Vampirin » Beiträge: 5979 » Talkpoints: 30,32 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


In meiner Familie wurden bisher zwei Opas und eine Oma beerdigt. Alle drei Todesfälle habe ich mitbekommen und bei allen drei Beerdigungen war ich anwesend. Allerdings wohnten alle drei auch damals schon sehr weit von uns entfernt, sodass sich von Anfang an nicht wirklich die Frage gestellt hat, ob mir der Besuch ihrer Gräber beim Trauern helfen könnte.

Außerdem gehöre ich zu den Menschen, die mit Gräbern wenig anfangen können. Ich weiß, was sich unter diesem Erdhaufen, der vielleicht hübsch bepflanzt ist, befindet. Und für existiert ein Mensch nach seinem Ableben nur noch in meiner Erinnerung weiter. Deshalb sind mir Fotos sehr wichtig und über Filme und „lebendige“ Erinnerungen, bestimmte Gerüche vielleicht, die ich mit der verstorbenen Person in Verbindung setze, sehr wichtig.

Ich war nun mittlerweile allerdings doch ein einziges Mal am Grab meiner Oma und meines Opas, die drei Jahre nacheinander verstorben sind. Ein zweites Mal war ich am ehemaligen Wohnhaus meiner Oma, welches für mich ein viel „lebendigeres Grab“ ist, ich weiß nicht, ob das nachvollziehbar ist, was ich hier schreibe und was ich vor allem damit meine.

Beide Male war dieser Besuch nicht geplant und ich habe mich jeweils in grober Nähe zum ehemaligen Wohnort meiner Großeltern befunden und spontan die Gelegenheit genutzt, mal auf den Friedhof zu fahren. Dort habe ich dann auch wirklich eine ganz neue Erfahrung gemacht, nämlich die, dass ich es schön finde, zum Grab zu gehen. Der Friedhof ist nicht weit entfernt vom ehemaligen Wohnhaus meiner Oma und meines Opas, und ich verbinde mit der ganzen Gegend, diesem ganzen Dorf, viele schöne Kindheitserinnerungen.

Aber ich muss auch sagen, dass ich es noch viel berührender finde, durch die Straße zu fahren oder zu gehen, in der meine Oma und mein Opa damals lebten. Wenn ich vor ihrem Haus stehenbleibe, dann fühle ich sie. Dann ist es genauso wie damals, als wir sie noch besucht haben und ich ein kleines Kind war, voller Freude darauf, sie zu sehen und dort ausgiebig zu spielen.

Das ist es, was mir wirklich viel Bezug gibt, den Bezug zu den beiden nämlich, während sie noch lebten, vor allem: Bezug in positiver Form. Fast schon ein Gefühl von Freude, jedenfalls nicht von Trauer. Und ich glaube, dieser Bezug ist mir wichtig, wenn ich an Verstorbene denke. Einem Grab kann ich das nicht wirklich abgewinnen, weil es eben neben dieser letzten Station eines Menschenlebens, die erst nach seinem Tod erreicht wurde, nichts weiter ist als ein Stück Grund, auf dem etwas vergraben wurde, das für mich nicht greifbar ist. Eine Kiste mit menschenlichen Überresten eben, die nichts mehr mit dem zu tun haben, was ich vielleicht sogar noch schmerzlich vermisse.

Ich denke aber, dass es insofern auch ganz normal ist, dass die Besuche eines Grabes irgendwann im Laufe der Zeit weniger werden und Du scheinst nicht der einzige Mensch zu sein, dem es damit so geht. Man verarbeitet den Tod eines Menschen im Laufe der Zeit und erfreut sich an der Erinnerung, die man an ihn hat. Dazu ist nicht wirklich der Besuch eines Grabes notwendig, das einem eigentlich doch nichts näher bringt als die Tatsache, dass dieser Mensch nicht mehr lebt – also etwas Trauriges. Es ist doch viel schöner, sich daran zu erfreuen, dass er gelebt hat und man ihn kennen dufte. Und ich denke, dass ein Mensch genau diese Erinnerungen, die er als positiv empfindet, mehr sucht als eben die, die ihn traurig machen, so also beispielsweise den Besuch eines Grabes.

Zu guter Letzt bleibt die Erkenntnis, dass weder man selbst noch der Verstorbene irgendwas davon hat, dass man sein Grab besucht. Das mag in der ersten Zeit der Trauer hilfreich sein, um den Tod dieses Menschen tatsächlich zu realisieren. In der rein emotionalen Phase des Verarbeitens hilft einem das möglicherweise weiter. Aber es hilft einem sicherlich spätestens dann nicht mehr, wenn das Fühlen durch das Denken verdrängt wurde und man alles etwas rationaler sehen kann, vielleicht begriffen hat, dass dem Tod eine schwere Krankheit voranging, dass jedes Leben irgendwann endet – oder was auch immer einem klar wird.

Spätestens dann realisiert man doch auch, dass ein Grab nichts weiter ist als die letzte Erinnerung an einen sehr traurigen Moment, nämlich den des Abschieds für immer. Und dann entscheidet sich wohl auch, welchen Weg man als Hinterbliebener lieber gehen möchte: den der positiven Erinnerung, die man aus Fotos oder gemeinsam besuchten Orten zieht oder tatsächlich den der tiefen Trauer und des Schmerzes am Grab.

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» moin! » Beiträge: 7218 » Talkpoints: 22,73 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Natürlich ist das normal und ich finde das auch gar nicht weiter schlimm. Zu Beginn brauchen das auch einfach sehr viele Menschen, weil sie den Tod irgendwie verarbeiten müssen, wenn es sich um eine Person handelt, die sie geliebt haben und dessen Tod großen Schmerz hervorgebracht hat. Jeder Mensch verarbeitet seinen Schmerz auf eine andere Art und Weise und einige Menschen, besonders die der älteren Generation, machen das, in dem sie an den Gräbern ihrer Verstorbenen Menschen beten und dies als eine Art Zustimmung und Befriedigung ansehen, weil sie glauben, dass sie damit den Verstorbenen auch noch helfen können und ihnen so näher stehen.

Einige Menschen brauchen die Grabbesuche, um ihre Schuldgefühle zu verarbeiten, beispielsweise um mangelnde und seltene Besuche auszugleichen oder weil sie sich vielleicht vorher mit der Person zerstritten haben und nun meinen, dass sie das wieder gut machen müssen. Viele Menschen fühlen sich ihren geliebten Verstorbenen am Grab auch einfach näher, weil sie ihn hier das letzte Mal gesehen haben, weil hier die letzte Ruhestätte ist und weil sich der Leichnam hier befindet, so unsinnig das auch sein mag. Ich finde dass das nicht wirklich nachvollziehbar ist, denn hier liegt nur der verwesende Leib einer Person, wieso geht man dort hin, wenn man einer Person nahe sein möchte?

Andere Menschen brauchen aus dem Grund das Grab einer Person auch gar nicht, denn sie verarbeiten ihre Trauer auch einfach anders. ich bin beispielsweise eine solche Person. Ich gehe zu der Beerdigung einer Person aber wenn ich danach die Trauer zu verarbeiten habe, dann mache ich das nicht, in dem ich das Grab dieser Person besuche. Demnach werden meine Besuche nicht weniger, sondern hören nach der Beerdigung einfach ganz auf. Ich finde das auch überhaupt nicht weiter verwerflich, denn jeder Mensch macht es eben anders und Gräber haben nicht für jeden eine Bedeutung, demnach ist es an sich auch egal, wenn Menschen wie du mit der Zeit aufhören, ein Grab zu besuchen, auch wenn es die Familie ist.

Ich selbst habe eine lange Zeit mal die Gräber verstorbener Verwandter aus Liebe zu meiner Oma besucht, der wirklich sehr viel daran lag, dass ich das mache. Sie wollte auch einfach, das ich dort bete und so weiter, obwohl das wirklich nicht meine Sache ist und ich mich auf diesen Friedhöfen in der Regel auch eher nach anderen Gräbern umgesehen habe, älteren die antik und schön waren, weil ich mich an dem Grabstein meiner Verwandten, denen keineswegs in irgendeiner Form nahe fühle und keinen Sinn darin sehe. Heute gehe ich dort eben gar nicht mehr hin.

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


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