Aufwachsen in Hartz4-Familien - Falsche Signale für Kinder?

vom 21.07.2010, 16:00 Uhr

Leider ist es so, dass Kindern, deren Familien von Hartz IV leben, frühzeitig klar gemacht wird, dass es nicht lohnt, sich etwas zu erarbeiten oder genauer gesagt, dass sie dazu überhaupt keine Chance bekommen. Soweit ich weiß, wäre es nur dann anrechnungsfrei, wenn der Sohn übers Jahr verteilt einen Job hätte, bei dem er nicht mehr als 100 Euro im Monat verdient.

Die Frage ist mehrfach diskutiert worden. Ich erinnere mich, dass in dem Zusammenhang ein Politiker gesagt hat, man könne es den Schülern nicht erlauben, ihr Geld ganz zu behalten, weil dann die Langzeitarbeitslosen, die zwischenmal immer mal ein paar Wochen arbeiteten, Gleichbehandlung verlangen würden. Ich habe mich in dem Zusammenhang zwar gefragt, wie geeignet ein Politiker wohl ist, der nicht den Unterschied zu erkennen, zwischen einem Langzeitarbeitslosen und einem Jugendlichen, der sich in den Ferien etwas dazu verdienen will und die Schule besucht, um einen qualifizierten Abschluss zu machen.

Angesichts der Qualität derartiger Verlautbarungen zum Thema habe ich aber die Befürchtung, dass sich auch in absehbarer Zeit nichts Entscheidendes ändern wird.

» RopiusK » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Midgaardslang am 21.07.2010, 16:34, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen


Elis hat geschrieben:Ich habe mich in dem Zusammenhang zwar gefragt, wie geeignet ein Politiker wohl ist, der nicht den Unterschied zu erkennen, zwischen einem Langzeitarbeitslosen und einem Jugendlichen, der sich in den Ferien etwas dazu verdienen will und die Schule besucht, um einen qualifizierten Abschluss zu machen.

Was ist denn daran so schwer zu verstehen? Kinder in einer Bedarfsgemeinschaft sind im Grunde auch nichts anderes als Arbeitslose - denn sie bekommen bzw. haben ein Anrecht auf Sozialgeld nach § 7 SGB II. Sie erhalten somit praktisch auch ALG II (heißt nur anders) und unterliegen somit den gleichen Einschränkungen.

Also Gegenfrage: Wie soll man einem ALG II Empfänger (dazu muss man noch nicht einmal Langzeitarbeitsloser sein) verklickern, dass ein anderer ALG II Empfänger hinzuverdienen kann soviel er will, aber er nicht?

Zum Glück haben wir Politiker, die das wenigstens kapieren, aber leider immernoch mehr Bürger, die das nicht auf die Reihe bekommen.

Benutzeravatar

» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Vor dem Gesetz sind erst einmal alle gleich, egal ob man nun Schüler oder Langzeitarbeitsloser ist. Das findet ja auch jeder Bürger so in Ordnung und möchte es auch nicht anders. Im speziellen Fall geht es hier nun ums Geld verdienen und das zählt nun einmal als Einkommen. Dafür gibt es nun gültige Gesetze und die muss jeder Bürger beachten. Ich frage mich nun allerdings, was an der jetzigen gesetzlichen Regelung so fatal sein soll? Man sollte sich doch erst einmal mit den dazu gehörigen Gesetzestexten befassen und dann sich eine Meinung bilden.

Benutzeravatar

» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Wieso werden denn von gesetzgeberischer Seite mit Hartz 4 oder besser dem ALG II falsche Signale für Kinder gegeben? Sicher ist es für die betroffenen Kinder und Jugendlichen nicht schön, dass diese nicht so viel hinzuverdienen können, wie andere Kinder. Allerdings wer sagt denn dass sich Arbeit nicht lohnt? Die Gesetze doch nicht! Wenn dann sind es doch eher Eltern, Freunde und Bekannte, die meinen dass sich das nicht lohnt und so vielleicht dem Kind die Lust daran nehmen zu arbeiten! Denn wer aus einer der betroffenen Familien stammt, der ist vielleicht auch schon mit 100 Euro zufrieden bzw. mit den 20 Euro pro 100 Euro Verdienst.

Ansonsten ist doch auch weiter gedacht die Frage, wie denn ein höherer Zuverdienst für Kinder a) geregelt und b) kontrolliert werden sollte. Wie viele Schlitzohren würden denn vielleicht im Namen der Kinder etwas zuverdienen (lassen) ohne dass diese dann auch wirklich etwas davon haben? Diese Frage stellt sich doch auch jetzt schon.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



JotJot hat geschrieben:Ansonsten ist doch auch weiter gedacht die Frage, wie denn ein höherer Zuverdienst für Kinder a) geregelt und b) kontrolliert werden sollte. Wie viele Schlitzohren würden denn vielleicht im Namen der Kinder etwas zuverdienen (lassen) ohne dass diese dann auch wirklich etwas davon haben? Diese Frage stellt sich doch auch jetzt schon.

Das sehe ich allerdings genau so, denn so wird es sich dann ereignen. Wenn eben der Schüler beispielsweise einen höheren Verdienst erzielen darf, soll dieser höhere Verdienst ausschließlich für seine schulische oder berufliche Weiterentwicklung genutzt werden. Dieser Passus müsste dann allerdings auch mit dem entsprechenden Verwendungszweck abgesichert werden. Alles andere wäre nämlich nur ein falsches Signal, denn der Schüler hätte von dem Geld nichts.

Benutzeravatar

» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Und wie soll das kontrolliert werden? Das wäre doch einfach nicht machbar. Außerdem gibt es seit dem ersten Juni (Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt (Klick) Nr. 20 aus dem Jahre 2010) diesen Jahres eine Neuregelung: unter bestimmten Bedingungen sind seit diesem Zeitpunkt sogar bis zu 1.200 Euro pro Jahr für Schüler und Schülerinnen anrechnungsfrei. Auch wenn das arrogant klingen mag. Das muss man erst mal schaffen.

Klar kommt das für manch einen zu spät, aber besser spät als nie und siehe die Politiker reagieren ja doch.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Die Frage ist hier doch erst mal WER da das falsche Signal sendet. Sicher wird es Eltern geben, die ihrem Kind etwas in die Richtung "es lohnt sich doch nicht zu arbeiten" erzählen werden, wenn es einen Teil seines Geldes vom Zeitungsaustragen nicht behalten darf. Und sicher wird es auch Eltern geben, die ihrem Kind raten in Zukunft lieber keine Jobs mehr anzunehmen.

Die Alternative dazu wäre aber, dem Kind anhand dieser Situation zu erklären, was Solidarität in einer Gesellschaft und innerhalb der Familie bedeutet. Ich glaube, dass man den meisten Kindern gut erklären kann, dass man sich innerhalb der Familie aushelfen muss und dass das eben auch bedeuten kann, dass jemand, der Geld hat, etwas davon abgeben muss. Vielleicht würde man es so sogar schaffen sein Kind zu etwas weniger Egoismus zu erziehen.

JotJot hat geschrieben:Außerdem gibt es seit dem ersten Juni (Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt (Klick) Nr. 20 aus dem Jahre 2010) diesen Jahres eine Neuregelung: unter bestimmten Bedingungen sind seit diesem Zeitpunkt sogar bis zu 1.200 Euro pro Jahr für Schüler und Schülerinnen anrechnungsfrei.

Ich denke, dass das die 100 Euro pro Monat sind von denen er (?) spricht? Denn das wären ja aufs Jahr hochgerechnet 1200 Euro.

Benutzeravatar

» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Nein Cloudy, diese 1.200 Euro kann man in einer Ferientätigkeit binnen vier Wochen verdienen. Also meines Erachtens genau das, was zuvor angeprangert wurde, wird jetzt damit erlaubt. Ein Kind darf also die anrechnungsfreie Summe in viel kürzerer Zeit verdienen ohne dass das Geld auf die Bedarfsgemeinschaft angerechnet wird, steht aber genau in diesem Bundesgesetzblatt drinnen. Damit wäre dann auch das Musikinstrument vom Ferienjob möglich, zumindest für die überwiegende Anzahl der Betroffenen.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Ich würde es aus dem Blickwinkel sehen, dass es sich für Jugendliche doch lohnt, etwas dazuzuverdienen, ob es nun innerhalb 4 Wochen oder eines Jahres eine bestimmte Summe ist. Solange man den Kindern klar macht, dass das Geld, was man vom Staat bekommt, nur eine Notlösung ist und keine Selbstverständlichkeit sein sollte, ist jeder weitere Cent, den sie zur eigenen Verfügung haben, erfreulich. Sie bekommen ja immerhin etwas, es wird ja nicht alles abgezogen. Wäre das allerdings der Fall, würde es tatsächlich signalisieren, dass sich Arbeiten nicht lohnt und würde genau das Gegenteil von dem bedeuten, was der nächsten Arbeitergeneration beigebracht werden sollte.

Zudem bekommen sie ja sowieso Geld zum Überleben (Kindergeld, Hartz 4), da ist das Geld, was sie sich dazuverdienen ein kleiner "Bonus". So kann auch gezeigt werden, dass es besser ist, sich richtige Arbeit zu suchen und nicht vom Staat zu leben: denn auch Kinder und Jugendliche lernen ja schon, dass das Leben vom Sozialstaat auch Nachteile mit sich bringt, eben "Antragswut", wenig verfügbares Geld und Einschränkungen beim Zuverdienst. Sucht man sich dagegen einen Job, vom dem man Leben kann, muss man weniger Rechenschaft über Einkommensverhältnisse und Zuverdienst, oder sogar Verwendungszweck des Einkommens ablegen.

Ich denke, dass es immer wieder Menschen gibt, die lieber auf "der faulen Haut" liegen und sich darauf ausruhen, dass es nunmal Geld vom Staat gibt, natürlich sind nicht alle so. Aber gerade für Jene ist es doch richtig, dass eben Einschränkungen gibt.

» TheDutchess » Beiträge: 537 » Talkpoints: 0,67 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^