Rentnerviertel: Vorteile / Nachteile

vom 21.01.2010, 10:59 Uhr

Bei uns stand heute ein Artikel in der Zeitung wo darüber berichtet wurde dass man in einer größeren Stadt in unserer Gegend über den Bau eines sogenannten „Rentnerviertels“ nachdenkt. Der Aufschrei war teilweise recht groß, manche sprechen sogar von Ghettosierung und den Verlust der sozialen Kontakte zwischen den unterschiedlichen Generationen.

Ich finde gut dass man sich Gedanken macht um den Leerstand von Wohnungen zu verhindern weil sie oder das Umfeld nicht den Bedürfnissen der Bewohner entspricht. Es handelt sich ja nicht um zehn Plattenbauten die an sich schon trist sind die dann eingezäunt werden und das dann niemand mehr das Gelände betreten darf der unter sechzig Jahre alt ist. Es ist nun einmal eine Tatsache dass die Bevölkerung immer älter wird, mindestens dreißig Prozent haben bereits das sechzigste Lebensjahr überschritten. Was liegt da näher als alle Wohnungen altersgerecht zu bauen und das Umfeld für ältere Leute mit ihren Rollatoren einzurichten. Ich denke da so an abgesenkte Bordsteine, ordentliche und für Rollatoren geeignete Pflastersteine, höhere Parkbänke und so weiter. Auch die Supermärkte könnten sich mit ihren Angeboten darauf einrichten, die Bravo würde sicherlich keiner kaufen wollen.

Aber auch bestimmte zusätzliche Angebote wie ein Bringeservice für gekaufte Lebensmittel würden sich vielleicht sogar rechnen. Ein ganzer Dienstleistungssektor würde von dieser Zusammenlegung sicherlich profitieren. Wenn ich so daran denke was ich meine Eltern und Großeltern so zum Arzt und Einkaufen kutschieren muss und wie mühevoll es für sie ist selbst mal mit dem Bus zum Arzt zu fahren wenn ich mal nicht kann, dann kann so eine Zusammenlegung doch nur von Vorteil sein. Auch bestimmte Freizeitangebote für Senioren die direkt vor der Haustür sind werden sicherlich besser angenommen.

Ich kenne auch viele Ältere die ängstlich vor dem Straßenverkehr sind oder sich nicht an den halbstarken Biertrinkern in den Bushaltestellen vorbeitrauen. Alles klare Vorteile wenn solche Sachen von vornherein ausgeschlossen werden.

Wie seht ihr das, bin ich zu optimistisch mit meinen Gedankengängen? Seht ihr mehr die Gefahren bei der Bildung eines Seniorenviertels?

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» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



In den letzten Jahren bin ich sehr oft umgezogen und jedes mal wohnte im selben Wohnhaus wie wir genau eine Oma. Sie waren natürlich nicht alle im gleichen Alter, aber immer schon Rentnerinnen und wenn man nebenan wohnt merkt man ja auch wie oft die Nachbarin Besuch bekommt. So gut wie nie. Jedes Mal wenn man sich dann beim Briefkasten trifft freuen sie sich total über ein kurzes Gespräch. Mit der jetzigen Oma neben uns ist es genauso. Sie ist total lieb aber total einsam. So oft kann man von seiner Familie ja gar nicht besucht werden, das man nicht einsam ist.

Oft ist mir auch schon aufgefallen wie unsicher sich Rentner beim Einkaufen fühlen, beim über die Straße gehen, bei allen für uns alltäglichen Sachen. Für manche ist sogar ein Arztbesuch eine absolute Hürde, weil sie Angst vor den Ergebnissen haben. Manche von ihnen gehen nicht einmal gerne zu einem Friseur wo viele Junge Menschen langlaufen.

Mein Uroma wohnt in einem Renterblock, dort sind 3 oder 4 nebeneinander davon und deswegen ist dort auch ein Hausarzt und ein Friseur angesiedelt. Sowie ein stationärer Notdienst. Aber das Beste ist, es geht meiner Oma besser dort. Sie lebt alleine und dort sind viele in ihrem Alter mit denen sie über alte Zeiten, Dinge die ich nie nachvollziehen könnte, sprechen kann. Sie ist zwar immernoch ein wenig einsam, aber das liegt wohl auch daran das sie meinen Uropa vermisst, auf jeden Fall geht es ihr dort viel besser.

Ich denke man sollte die Rentnerviertel nicht als Ghetto oder Zwangsisolation sehen. Was wäre sonst schließlich ein Altersheim = Altenknast? Ein Rentnerviertel bringt den Vorteil, das dort garantiert auch wichtige Sachen, wie Notdienst, Arzt, Friseur/Kostmetik und auch ein Supermarkt angesiedelt werden, außerdem wird alles altersgrecht gebaut werden. Für ältere Menschen können manche Wege schon sehr anstregend sein, das heisst umso dichter umso besser und umso leichter auch. Außerdem müssten manche nicht Angst haben rauszugehen und würde sich in einer solchen Umgebung emotional und auch gesundheitlich viel sicherer fühlen.

Sicher ist das nicht für jeden Etwas, das wird natürlich bei jedem älteren Menschen anders sein, aber es wird sicher auch einige geben die dies gut finden. Schließlich würde man so etwas nicht bauen, wenn das Interesse nicht bestünde. Außerdem ist es doch besser wenn sie in einer Umgebung wohnen, wo sie nich ganz so einsam sind. Viele ältere Menschen bekommen sonst eh nur noch Besuch von Menschen wie von "Essen auf Rädern" die Essen vorbeibringen, oder vom Pflegedienst.

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» pichimaus » Beiträge: 2016 » Talkpoints: 6,99 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Und warum baut man dann nicht die Wohnungen so um, das unten die älteren Leute wohnen können und oben jüngere? Damit würde man eine gute Mischung aus beiden hinbekommen und man kann damit eventuell dem Trend entgegen wirken, das die alten Menschen vereinsamen. Denn immerhin ist so eine Oma oder eben auch der Opa von Nebenan auch mal bereit den eigenen Nachwuchs zu betreuen. Im Gegenzug hilft man dann bei anderen Dingen.

Aber die alten Leute wirklich in eine Art Ghetto abzuschieben finde ich auch die falsche Entwicklung. Wobei man trotzdem das Umfeld entsprechend altersgerecht gestalten kann. Das steht dem nicht im Wege. Nur ehrlich gesagt würde ich mich da recht abgeschoben fühlen, wenn ich mehr oder weniger in so ein Viertel umziehen soll.

Oder würdest du es wollen, das du nach deinem Familienstand oder Alter in eine bestimmte Gegend ziehen sollst? So nach dem Motto junge Leute in die Städte, wo es wesentlich mehr Arbeitsplätze gibt und die alten aufs Land wo sie niemanden im Weg sind.

Solche Wohnsiedlungen noch bestimmten Kriterien gab es schonmal und da wurde nach Abstammung sortiert. Und ich glaube kaum, das es von den alten Leuten wirklich so angenommen wird, wie sich das die Leute denken, die an so einer Idee beteiligt waren.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Wenn solche Siedlungen entsprechend aufgebaut und natürlich auch rentnergerecht (nicht so viele Etagen) sind, halte ich sowas eigentlich für eine gute Idee.

Das hat nichts damit zu tun, dass man Rentner ausgrenzen sollte, aber viele Rentner sind einfach einsam. Als meine Oma damals noch woanders gewohnt hat, hatte sie auch ihre Leute in ihrem Alter, die dann desöfteren mal ein Kaffeekränzchen veranstaltet haben oder irgendwas zusammen gemacht haben.

Es spräche allerdings auch nichts dagegen, wenn man auch junge Familie zB. da mit unter bringt, weil man sich auch gegenseitig helfen kann und es bestimmte Sachen gibt, wo ältere Menschen Probleme damit haben.

Ansonsten haben viele Rentner einfach das Problem, dass ihnen alles zu schnell geht. Zu viel Verkehr, stürmische und rücksichtlose Leute usw. Da ist es auch nicht verkehrt, wenn man Sparkasse, Bäcker usw. alles gleich im Viertel hat und nicht ewig dafür unterwegs sein muss.

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» winny2311 » Beiträge: 14930 » Talkpoints: 2,85 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Tja, Indianer gehen zum Sterben auf einen Berg, deutsche Senioren ziehen ins Rentnerviertel...

Das ganze kann man am besten nur damit toppen, indem man eine "seniorengerechte Ecke" in diesem Viertel einrichtet wie in meiner damaligen Wohngegend - da lag das Altenheim keine 80 Meter von einem Beerdigungsinstitut, Grabsteinhauer, Friedhofsgärtner und dem neu angelegten Friedhof entfernt (alles in direkter Sichtweite davon, da konnte man sich vom Balkon schon alles aussuchen ;)). In Wirtschaftssimulationen würde man sowas "Produktionsinseln" nennen - ich finde es eine ganz besondere Art des Zynismus der jeweiligen Betreiber, da würde ich doch gerne wohnen!

Genauso sieht es für mich bei den Rentnervierteln aus und ich finde die Kritik berechtigt: Klar richtet man so ein Ghetto ein, klar gehen da soziale Kontakte zu anderen verloren und es ist mehr oder weniger eine Parallelgesellschaft. Dem freundlichen Muselmanen klopft man schon beim ersten Ansatz dazu auf die Finger, aber zum Abschieben der Alten passt es schon?

Sicher würden sich hier Vorteile daraus ergeben, dass man "Wege verkürzen" könnte und bestimmte Dienstleistungen gezielt und günstiger anbieten kann - aber Wege verkürzen war wohl auch das Ziel bei der Produktionsinsel weiter oben ;). Und wäre es ein echter Vorteil, wenn hier alte Leute bestimmte Dinge von Fremden abgenommen werden, dass diese noch mehr im wunderschönen Plattenbau (!) versumpfen? Ich wette jetzt schon 10:1, dass da die meisten Sterbefälle erst nach dem komischen Geruch auf dem Flur festgestellt werden, denn statt hier ein soziales Projekt anzutreiben ist das ganze doch nur ein großes Altenheim zur besseren Verwaltung der Alten. Wie gesagt, der Indianer geht zum Sterben auf einen Berg...

Ich würde hier noch nicht einmal damit anfangen, die jungen Menschen irgendwo dazwischen anzusiedeln, das bringt es auch nicht. Und gibt`s überhaupt noch genug wirklich junge Familien im Osten die in einem Plattenbau leben wollen :D? Wer kann und für sich noch eine Perspektive sieht haut doch da schneller ab als man gucken kann (ich z. B.).

Ich verstehe nicht, warum es immer so kompliziert sein muss - wir haben hier in der Stadt (wahrscheinlich als Kontrast zur "Sterbeinsel" :D) auch ein bundesweit stets immer wieder erwähntes Modellprojekt indem verschieden alte Menschen in einer Art WG zusammenleben und sich gegenseitig betreuen und helfen. Da kommt statt dem Einkaufsservice nur mal hin und wieder ein Sozialarbeiter / Zivi vorbei und das reicht denen als Unterstützung.

Da sie hier mitten im grünen, vom Alter her gut durchmischten Villenviertel wohnen ist das Wohnen alles andere als unschön und der Kontakt zu anderen Menschen immer gegeben, da das hier auch eine beliebte Gegend für Freizeitaktivitäten ist aufgrund der Parkanlagen.

Und die Alten gehen gerne alleine einkaufen - zumindest wenn wie hier der Laden keine km weit weg ist und für sozialen Dingenskirchens reicht eine Meldeeinrichtung in der ganzen Wohnung für zig Bewohner und eine ambulante Betreuung die gelegentlich mal vorbeischaut.

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Was die bauliche Besonderheit angeht, die hier offenbar immer nur im Zusammenhang mit einem "Rentnerviertel" gesehen wird, kann ich nur jedem raten, dies eben nicht ausschließlich als Problem oder Vorteil für die Alten zu sehen. Das Zauberwort hier heißt nämlich barrierefrei! Und das bzgl. der Stadtentwicklung diese Barrierefreiheit in möglichst allen Bereichen des öffentlichen wie privaten Lebens umgesetzt wird, nutzt allen!

Damit erleichtert man nämlich nicht nur den alten Menschen deren tägliches Leben. Auch Menschen mit körperlichen Behinderungen sowie den Nutzern von Kinderwägen (!) würden die Vorteile sofort auffallen. Doch auch der junge, gesunde und sportliche Mensch hätte in einem Badezimmer, welches Behindertengerecht gebaut wäre, keine Nachteile. Ganz im Gegenteil, auch hier sehe ich nur Vorteile. Hinzu kommt, dass das entsprechende Bauen im Moment sowieso In ist (Duschkabine Bodentief und ohne Stufe als Beispiel).

Was jetzt ein "Rentnerviertel" im Allgemeinen angeht, ist es ja schön zu wissen, dass sich so ein Vorhaben nicht umsetzen lässt. :) Wie sollte man jemandem verbieten, in ein bestimmtes Viertel zu ziehen? Angenommen, ein alter Herr in so einem Viertel stirbt. Aber es handelte sich um eine Eigentumswohnung. Sollen nun die Erben gezwungen werden, zu vermieten oder zu verkaufen, weil eine Eigennutzung auf Grund des Alters nicht zulässig wäre? Und hat sich nicht herausgestellt, dass die Lebenssituation für Alt und Jung am Besten in einem normal gemischten Stadtteil ist? Also auch keine Neubausiedlungen, in welche gerade zu Beginn nur junge Familien ziehen. Denn spätestens wenn deren Kinder älter werden, zeigen sich die negativen Auswirkungen solcher Projekte. Auch wenn eben ganz am Anfang sich jeder Begeistert zeigt, weil die Kinder so viele gleichaltrige treffen und vorgeblich jeder Rücksicht nimmt, weil man sich gegenseitig schon dadurch versteht, weil jeder in einer ähnlichen Lebenssituation ist.

Und dann halte ich es für eine Unterstellung, dass Rentner sich nur wohlfühlen, wenn gleichaltrige um sie herum wohnen. Ich könnte mir jetzt aber auch als Rentner kein Leben vorstellen, in dem sich meine Umgebung mir anpasst und sich mit mir verändert. Lieber will ich das echte Leben, wie es sich eben um mich herum in der Welt entwickelt, miterleben.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


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